Was muss eine gute Kita bieten 

 15/06/2012

Irritierende Erfahrungen meiner Tochter und Kriterien von Jesper Juul

Neulich haben Prinzessin (11) und ihre Freundin Toni einen Vormittag in ihrer alten Kita verbracht. In der Schule war „Sozialer Tag“ und sie durften in den Kindergarten, um dort zu helfen und für ein soziales Projekt ein bisschen Geld zu verdienen.

Als die beiden mittags zurück kamen, waren sie – nennen wir es – irritiert. Sie waren in unterschiedlichen Gruppen und hatten beide eine ähnliche Erfahrung gemacht. Toni fand einen knapp Dreijährigen „so süüüüüüüß“ und kümmerte sich um ihn. Aber als er einmal weinte und sie ihn auf den Arm nehmen und trösten wollte, sagte die Erzieherin, sie sollte das bitte lassen.

Prinzessin hatte ihr Herz an Klein-Augustin verloren. Er wollte immerzu an ihrer Hand gehen, auch als sie von einem Besuch der Kirche in die Kita zurückkehrten. Aber Augustin durfte nicht. Die Erzieherin, diesmal eine andere, griff ein. Prinzessin musste ein anderes Kind an die Hand nehmen.

Vielleicht tue ich den Erzieherinnen unrecht. Vielleicht fürchteten sie, Toni könne einen Bandscheibenvorfall erleiden und Prinzessin eine chronische Handverkrampfung.
Trotzdem, ich martere mein Hirn, ich versuche, neue Synapsen zu bilden, aber mir will kein Grund einfallen, warum man einen knapp Dreijährigen, der weint, nicht trösten sollte. Und können kleine Kinder, die zu lange an der gleichen Hand gehalten werden, verweichlichen?

Vielleicht sollte das passieren, damit ich Anlass habe, auf einen Artikel des dänischen Erziehungsexperten Jesper Juul in der Süddeutschen Zeitung vom 6. Juni 2012 hinzuweisen. Dort schreibt er:

„Nach meiner Erfahrung hängt die Qualität, die ein Kind im Kindergarten erlebt, wesentlich von drei Aspekten ab:

– Verlangt das Kind nach Trost, Fürsorge oder Sicherheit, müssen Erwachsene da sein. Allein, um dieses Bedürfnis wahrnehmen zu können, braucht es mehr Personal in den Kitas: einen Betreuer für je vier Ein- bis Dreijährige, einen Betreuer für je sechs Drei- bis Sechsjährige;

– Ein Kind muss die Freiheit haben, zu tun, wofür es sich begeistern kann. Und das so lange, wie es das möchte;

– Eine Kita braucht ausreichend Platz, also mehrere Räume und die Möglichkeit, nach draußen zu gehen.“

Ferner schreibt er von der gerade grassierenden „Plage, Kinderbetreuungseinrichtungen als eine Art Mini-Schulen zu betreiben“ und nennt einen weiteren Aspekt, den es aus seiner Sicht zu verbessern gilt:

„In einer Gesellschaft, in der Kinder den Großteil des Tages mit professionellen Betreuern verbringen, haben diese Menschen und deren Arbeitgeber eine wesentlich größere Verantwortung für die persönliche und soziale Entwicklung jedes einzelnen Kindes. Diese Verantwortung muss mit den Eltern geteilt werden. Aber keine der in Frage kommenden Ausbildungswege bereitet die Betreuungspersonen auf diese zentrale Aufgabe vor.“

Ich habe eine Kopie des Artikels bekommen über den „Familylab“-Newsletter, den ich beziehe. „Familylab“ gibt Informationen rund um die Arbeit von Jesper Juul, bietet Familienwerkstätten an, vertreibt seine Bücher und ermöglicht einem, Interviews, die Juul, in den verschiedensten Medien gegeben hat, noch einmal nachzulesen. Hier könnt ihr den Newsletter bestellen. Wenn ihr den ganzen Artikel aus der SZ lesen möchtet, müsst ihr die PDF („Der sichere … PDF) im Anhang des aktuellen Newsletters herunter laden.

Auch mit chronischer Handverkrampfung immer schön fröhlich bleiben

Uta

Foto von Yan Kurkov von Pexels. Vielen Dank!

  • Hallo,

    ich arbeite auch in einer Kita (in die meine beiden Kinder auch gehen) und ich beobachte das bei einigen meiner Kolleginnen auch, dass sie sich schwertun die kleinen (ab 2 jährigen) einfach mal auf den Arm zu nehmen.
    Verstehe das auch so gar nicht.
    Um so schöner das deine Tochter den richtigen Impuls hatte und um so trauriger die Reaktion.
    Ich erlebe die Konfi-Praktikanten immer als sehr bereichernd und belebend.
    Würde mir auch mehr trösten oder nachfühlen wünschen, sollte eigentlich selbstverständlich sein!
    Und ich werde es auch weiterhin so tun, auch wenn meine Kleine (2) dann immer auf mich und dass zu tröstende Kind zu kommt, mit dem Finger auf mich zeigt und vehement verkündet „meine Mama!“
    Wo sie recht hat hat sie recht.
    Aber Kindergartenkinder brauchen Beziehung und Bindung und Zuspruch, Trost und Verständnis. Basta!!!
    Danke für deine Gedanken und Anstösse.
    Werde das auch noch mal im Team ansprechen, obwohl das immer so schwer ist. Es sagt sich halt leichter „ihr bastelt zu wenig“ oder „wann geht ihr endlich mal wieder turnen?“ Als zu sagen „Mehr Herz und Liebe, bitte!

    Eigentlich ist es doch wirklich am wichtigsten das die Kinder gerne gehen und sich auf Kinder und Erzieher/innen freuen, auf das lässt sich aufbauen.
    Ich könnte noch lange so weiterschreiten 😉

    Ich lese immer wehr gerne auf Ihrer Seite und Jubel immer, weil ich vieles so sehe!
    Danke schön und schönen Abend

    • Danke, dass Du das als Fachfrau kommentierst und sogar in Deinem Team ansprechen willst. Wenn ich solch eine Reaktion durch Schreiben auslösen kann, dann schreibe ich, schreibe, schreibe ….

      Liebe Grüße

      Uta

  • Liebe Uta,
    hat sich mir doch bei Deinem Post mit dem Kronprinzen und der Karte glatt ein Tränchen in mein Auge geschlichen.
    Ja, ich kenne solche Momente und dann weiß ich, hab‘ ja doch scheinbar irgendwas richtig gemacht…
    Liebe Grüße Susa

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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