Immer wieder erschreckt es mich, wie oft Schüler in der 5. Klasse des Gymnasiums mit einer Fünf nach Hause kommen. In Mathe oder Sachkunde, wenn die Punktzahl nicht erreicht ist, okay. Beim Vokabeltest, für den überhaupt nicht gelernt wurde, na klar. Aber in Deutsch für eine selbst geschriebene Geschichte?

Meine Beobachtung ist, dass es häufig die Junglehrer sind, die mit frischem Schwung eine Fünf unter eine Arbeit setzen. Beim Elternabend hat man eine dynamische, junge Frau vor sich, die erzählt, wie reizend sie die Klasse findet. Und wenn sie zu Hause allein ist mit den Heften, dann massakriert sie die Texte mit ihrem roten Fineliner.
Lernen die das an der Uni? Gibt es da Kurse „Schüler entmutigen in drei Schritten“ oder „Lernfreude – das überschätzte Gefühl“?

Liebe Deutsch-Lehrerin, Sie können gnadenlos streng zensieren bei Grammatik. Eine Fünf für Fehler beim falschen Gebrauch des Perfekt, geschenkt. Aber ein Märchen, selbst weitergesponnen, mit Überschrift versehen, mit Hexen, Feen und einem in einer Höhle verschütteten Prinzen … mangelhaft?

Wenn Kinder, die jünger als 16 Jahre sind, etwas mit Herzblut schreiben, ist das heilig. Verstanden?

Liebe Fachleiter in Deutsch, ordnet an, dass mit den Kindern gelesen und geschrieben wird, dass es eine Freude ist. Stellt in den Klassen Schatzkisten auf, in denen Texte gehütet werden. Sammelt ihre schönsten Werke und bringt sie als Buch heraus. Macht einen Stempel über jeden Text, den ein Kind mit Liebe geschrieben hat:

 

Achtung! Eigener Text, Schreibreservat. Kein Zutritt für rote Stifte.
Robin understood
Ihre Organisation für den Schutz von Kindergeschichten 
 

In Deutsch hat unsere Prinzessin (11) weiterhin das Thema Märchen. Vor einigen Tagen bekam sie die Hausaufgabe, ihr Lieblingsmärchen vor der Klasse vorzustellen. Sie hatte sich entschieden für „Schneeweißchen und Rosenrot“ von den Gebrüdern Grimm. Aber nach dem entmutigenden Ausgang der Deutscharbeit über Märchen lag ihre Motivation erbsengroß unter zehn Matratzen.

Ich möchte hier dokumentieren, was Eltern tun, um die Freude an deutschem Kulturgut wieder zu erwecken.

Mutter: Liebes, komm raff dich auf. Märchen sind doch was Tolles. Ich habe immer gern Märchen gelesen.

Vater: Zum Beispiel „Der gestiefelte Kater“, das mochte ich immer besonders gern.

Tochter: Ja, duuuuuuuu.

Mutter: Wenn du einmal mitten in der Geschichte drin bist, wirst du es auch mögen.

Tochter: Ich habe im Internet einen „Schneeweißchen-und-Rosenrot“-Film gesehen. Da sind die Prinzen Jäger und werden in einem Stollen verschüttet und da gibt es einen Jugendlichen, mit dem sich die Mädchen anfreunden. Das ist viel spannender als das lahme Märchen von den Brüdern Grimm oder wie die heißen.

Mutter (streckt sich): Anfang des 19. Jahrhunderts waren Jacob und Wilhelm Grimm etwa so beliebt wie bei euch heute …  Boss und Hoss.

Tochter: „Die heißen ‚The BossHoss‘.“

Mutter: Ja, dann eben die. Aber die Gebrüder Grimm sind viel berühmter.

Tochter: Ich hasse Deutsch.

Jetzt habe ich mein Hütchen gekühlt und kann Euch mit klarem Kopf einen Tipp für Zwischendurch geben.

Auch wenn Ihr Euch über eine Note ärgert, die Euer Kind bekommen hat, und Ihr sie für ungerechtfertigt haltet,

  • fechtet die Benotung nicht an. Es gibt nichts Sinnloseres als Besserwisser-Gefechte zwischen Lehrern und Akademiker-Eltern („Frau Soundso, da ich ja auch mal Deutsch studiert habe, möchte ich darauf hinweisen …“). Nicht machen!
  • in einem günstigen Augenblick könnt Ihr der Lehrerin ein Feedback geben. „Prinzessin hat das ganz schön getroffen. Vielleicht können Sie sie bei nächster Gelegenheit mal ermutigen, damit sie wieder mehr Spaß am Deutschunterricht hat.“
  • vor allem aber dem Kind vermitteln, dass es größer ist als all das: Schule, Lehrer, Noten …
  • dem Kind vermitteln, dass Werturteile anderer Menschen nur wichtig sind, wenn sie ihm weiterhelfen, sonst kann es sie in die Tonne tun
  • dem Kind vermitteln, dass eine Note nie in der Lage sein wird, auch nur eine winzige Aussage darüber zu treffen, wer es ist und wozu es fähig ist
  • dem Kind ein schönes Tagebuch kaufen, damit es Lust bekommt am Schreiben ohne erwachsene Einmischung
  • zusammen begeistert die Bücher lesen, die man selbst am meisten liebt
Immer schön fröhlich weiter schreiben und lesen

Uta

Noch ein Buch-Tipp zu dem Thema:

Freedom Writers. Wie eine junge Lehrerin und 150 gefährdete Jugendliche sich und ihre Umwelt durch Schreiben verändert haben. Von den Freedom Writers mit Erin Gruwell. Berlin 2007 (hier findet Ihr was darüber)

Das Beitragsbild ist von Andrea Piacquadio von Pexels. Vielen Dank!

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Uta


Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

Deine, Uta

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