Warum eine Fernreise manchmal zu viel für Kinder sein kann

Prinzessin (11) ist ein sehr unerschrockenes Mädchen. Die steilste Achterbahn auf dem Jahrmarkt, Fünf-Meter-Brett im Schwimmbad, höchstes Level im Hochseilgarten – das ist für sie „baby-eier-leicht“. Auch in anderen Familien zu übernachten oder auf Klassenreise zu fahren, war für sie nie ein Problem.

Heimweh? Das kannte sie nur von anderen Kindern.

Aber als wir in diesem Jahr durch die USA reisten, hatte sie plötzlich Heimweh. Nach Zuhause, nach ihrem Kater, den Nachbarn, den Freundinnen… Kurz vor unserer Abreise in L.A wurde sie sogar krank, als wäre unsere aufregende Reise einfach zu viel für sie gewesen.

Seither beschleicht sie Abend für Abend beim Einschlafen dieser Los-Angeles-Blues. Den ganzen Tag ist sie putzmunter, geht gerne zur Schule, radelt singend aus dem Freibad zurück. Aber sobald sie allein in ihrem Zimmer ist und einschlafen soll, beschleicht sie wieder dieses flaue Gefühl, das sie zum ersten Mal in der Stadt der Engel hatte. Dann kommt sie weinend die Treppe runter und ich muss mich an ihr Bett setzen, bis sie eingeschlafen ist. So geht das jetzt schon seit fast fünf Wochen.

„Die Seele der Kleinen ist noch in Amerika“, sagt meine Fußpflegerin, die eine weise Frau ist. „Sie braucht einfach Zeit, bis sie wieder in ihrer Mitte ist. Fahren sie nächstes Mal lieber nach Dänemark. Meer, Dünen, Wind und Wald. Das ist das, was Kinder brauchen.“

Nachdenklich schloss ich hinter der Fußpflegerin die Haustür. Da investiert man viel Geld und Flugmeilen, um seinen Kindern die Welt zu zeigen. Und dann soll das ein Fehler gewesen sein?

Ich habe mir deshalb für zukünftige Reisen einen Familien-Urlaubs-Check überlegt und unsere USA-Reise diesem Test unterzogen. Bei jedem Kriterium kann eine Reise maximal sechs Sternchen bekommen.

USA-Reise 2012

1) eine andere Kultur erleben, Fremdes kennenlernen                                 * * * * * *

2) als Familie intensiv zusammen sein                                                         * * * * * *

3) Natur erleben                                                                                           * * *

4) einmalige Erlebnisse und Abenteuer                                                        * * * * *

5) Eltern haben Zeit für sich und ihre Beziehung                                         *

6) die Kinder haben Zeit für sich

7) jedes Familienmitglied kann seinen Interessen nachgehen                       *

8) die Kinder lernen andere Kinder kennen und haben die
Möglichkeit, Zeit mit ihnen zu verbringen

9) Ruhe und Zeit zum Kraftschöpfen für alle                                                 *

10) eine andere Sprachen hören und sich darin erproben                               * * *

11) Möglichkeiten für die Kinder, sich auszutoben                                        *

12) die Interessen von Kindern werden berücksichtigt                                   * *

13) die Interessen von Erwachsenen werden berücksichtigt                           * * * * *

Dieser kleine Test zeigt, dass wir das nächste Mal einen Urlaub machen sollten, der die Kriterien 5), 6), 7), 8), 9) und 11) wieder stärker berücksichtigt. Also: mindestens zwei Wochen an einem Ort mit viel Natur, anderen Kindern und der Möglichkeit, sich ohne Aufsicht auszutoben.

Habt ihr Lust, Euren Urlaub in diesem Sommer meinem Urlaubs-Check zu unterziehen? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir schreiben würdet, zu welchem Ergebnis ihr kommt und ob ihr Erkenntnisse daraus ziehen könnt. Danke!

Für mein Elterntraining hatte ich einmal auf einer Folie zusammengefasst, was Kinder und Jugendliche aus Sicht der Hirnforschung für eine gute Entwicklung brauchen, nämlich:

 

  • Zeit ohne Termine
  • Zeit ohne Unterweisung von Erwachsenen
  • Zeit ohne Medien
  • Bewegung
  • Kontakt zur Natur

Der Urlaub ist eine große Chance, ihnen davon viel zu bieten.

Immer schön fröhlich bleiben

Uta

PS: Gestern Abend waren mein Mann und ich noch aus und Prinzessin hat es geschafft, ohne Mamas Beistand alleine einzuschlafen. Jubel!

Wir danken dem Kuscheltier-Team unter der Leitung des großen Bären Stanislaus (Mitte) für seinen Einsatz vergangene Nacht.

 

Das Titelbild ist von Vlada Karpovich von Pixels. Vielen Dank!

  • Richtige Familienurlaube hatten wir aufgrund des Alters unserer Kleinen noch keine bzw. wir sind mit einem anderen Paar mit Kind im ähnlichen Alter weggefahren. Aber die Liste werde ich im Hinterkopf behalten …und auch den Tipp mit dem Kuscheltier-Team (welches bei uns bereits in anderen Härtefällen zum Einsatz kam und hier allerdings unter einer anderen Leitung arbeitet)!
    Liebe Grüße! Sonja

  • Die Checkliste ist super, werde ich auch mal versuchen. Wir waren letztens eine Woche in der Schweiz auf einer Hütte ohne Strom mit nichts als viel Zeit und ich habe gemerkt, wie gut das meiner Tochter (und uns) getan hat. Endlich Zeit füreinander zu haben ist etwas ganz wichtiges, das im Alltag viel zu oft vernachlässigt wird.
    Ein schönes Wochenende und ganz liebe Grüße,
    Dani

  • 6 Sterne von mir für diesen Artikel 🙂

    ich lese hier seit einigen Wochen und nehme mir immer zumindest einen Gedanken mit, an dem ich dann ein Weilchen herumdenke 😉

    heute schreib ich mir die Checkliste auf … mindestens.

    liebe Grüße,
    Tabea

  • Unser Familienurlaub auf Texel, erste Woche nur Familie, zweite Woche mit Verwandtschaft und Freunden:
    1) * – eher geliebte Gewohnheiten genießen
    2) ****** – lässt sich im Chalet/Campingplatz nicht umgehen
    3) ****** – superschöne Dünenlandschaft
    4) ** – neu in diesem Jahr: Geo-Caching
    5) ***** – schön, auch mal zu zweit loszuziehen
    6) ***** – mit Fahrrädern über den Platz
    7) ****
    8) ** (war aber auch kein Bedarf)
    9) erste Woche ******, zweite Woche ***
    10) ** – außer dem wichtigen „zonder uien“ bei der Pommes-Bestellung
    11) ****** – Pool, Dünen, Strand, Fahrradfahren
    12) ***** – man muss nur genügend Frikandel braten 😉
    13) ***** – und abends einen Hugo!

    Gute Checkliste! Relativiert diesen Je-weiter-um-so-toller-Standpunkt.

    Liebe Grüße,
    Isa

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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