Die Faber-Mazlish-Methode, Folge 2 

 15/02/2021

Sich als Team begreifen

Ich hatte die nächste Folge ja erst für Samstag versprochen, aber hier kommt schon die Zweite, weil es sich so ergeben hat, weil es so schön schneit vor meinem Arbeitszimmerfenster und weil ich auf diese Weise das Keller-Aufräumen noch ein wenig vor mir herschieben kann.

In der ersten Folge ging es darum, das Kind nicht mit Vorwürfen zu drangsalieren, sondern das Problem sachlich zu benennen. Statt „Was hast du in der Küche nur wieder für eine Schweinerei angerichtet?!“ Lieber sagen: „Schmutzige Teller und Töpfe stehen in der Spüle. Ich weiß nicht, wie ich das Mittagessen zubereiten soll.“

Und es ging darum, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. 

Dieses Werkzeug funktioniert wunderbar, wenn die innere Haltung stimmt, wenn Eltern und Kinder aus einem Miteinander heraus agieren statt aus einem Gegeneinander. 

Dieses Werkzeug heißt deshalb „sich als Team begreifen“. 

Auf die Küche bezogen könnte man ausrufen: „Oh, wir haben ein Problem! Überall steht Geschirr herum.“

Gestern waren mein Mann und ich im Schnee spazieren und überholten einen älteren Herrn, der mit seinem Enkel diskutierte. Opa wollte zu der Rodelpiste am Deich laufen. Der kleine Junge, etwa vier Jahre alt, hing weinerlich über dem Schlitten, maulte rum und wollte offenbar lieber auf dem Spielplatz bleiben. „Jetzt bin ich extra mit dir zum Schlittenfahren gegangen“, schimpfte der Mann, „und jetzt willst du nicht. Ich kann Schlitten fahren. Ich muss es nicht lernen. Also komm! Jetzt ziehen wir das durch.“

Gestern bei Wedel in Schleswig-Holstein am Deich.

Der Opa ist hier als Lehrer unterwegs. Seine Mission: eine Rodel-Stunde geben. Offenbar hatte er selbst keine Lust zu dem Ausflug, vor allem nicht zum Schlitten-Schleppen. Aber er sah es offenbar als seine Pflicht an, dem Kind fürs Leben etwas mitzugeben. Und wenn in Norddeutschland schon mal fünf Zentimeter Schnee liegen, will der Hanseat sich jede Minute als Alpinist betätigen. 

Wenn du mit einer Freundin - sagen wir - Schlittschuhlaufen gehen würdest und dir wäre plötzlich furchtbar kalt und du würdest doch lieber einen heißen Kakao trinken und mit ihr quatschen wollen, statt Pirouetten zu drehen, und die Freundin würde zu dir ernsthaft sagen: „ Für dich habe ich extra meine Schlittschuhe aus dem Keller geholt. Also ich kann Pirouetten. Ich muss es nicht lernen. Aufs Eis mir dir, du Couch-Potato!“ 

Wie würdest du dich fühlen?

Das klingt nicht nach einer gleichwürdigen Beziehung, oder?

Ich würde annehmen, dass es das Ziel des Opa-Enkel-Ausflugs war, gemeinsam Zeit zu verbringen. Bei der Ansage aber, die der Junge zu hören bekam, klang es nicht nach Spaß, sondern eher danach, dass Lektionen erteilt werden sollten. Warum nutzt der Senior die Zeit nicht, um sich an seinem Enkel zu freuen und ihn näher kennen zu lernen? Was mag der Junge? Wovor hat er Angst? Wann empfindet er pure Freude? So aber könnte der Junge folgern: „Opa ist enttäuscht von mir.“ - „Ich fühle mich schwach und feige, denn der Abhang am Deich sieht sehr steil aus.“ „Beim Rodeln scheint es um Leistung zu gehen, wenn Opa so sehr betont, dass er es kann und ich es lernen muss.“ 

Statt an dem Jungen und dem Schlitten zu zerren, könnten sich beide darauf setzen und ein Gespräch von Mann zu Mann führen. „Was ist das Problem, Nico? Ist dir kalt?“ - „Nö!“ - „Dir hatte es so gut gefallen, von der Schaukel in den Schnee zu springen, oder?“ -„Ja, und ich will nicht zu dem blöden Deich!“ - „Das ist schade! Ich würde so gerne auf den Deich gehen und schauen, ob Eisschollen auf der Elbe schwimmen.“ ….

Wenn beide ehrlich sagen, was sie wollen, findet sich bestimmt eine Lösung. Und vor allem, wenn Opa seine Lehrer-Rolle abstreift und sich und Nico als Spaß-Team begreift. 

Ich fasse zusammen, was wir für dieses Tool brauchen:

  • innerlich einen Schritt zur Seite treten und sich fragen, in welcher Absicht und Rolle man gerade unterwegs ist
  • das Kind und seine Gefühle ernst nehmen
  • ehrlich sagen, was man selbst von der Aktion erwartet hat
  • lieber das Sein und die Freude daran in den Mittelpunkt stellen als irgendein Ergebnis

Immer fröhlich sich als Team begreifen,

eure Uta 

PS: Das Titelbild ist von Victoria Borodinova von Pexels. Vielen Dank!

  • …sich als Team begreifen…
    Nach der Trennung vom Papa der Kinder ist das nun eine Herausforderung für mich. Aber ich habe es fest vor, ein Team-Gefühl zu etablieren. Wie das geht, bei zwei rivalisierenden Geschwistern… ob es überhaupt möglich ist,
    trotz Trennung, werde ich herausfinden. Doch ich glaube fest daran.
    Danke für deinen Input! Das hat mich immer ermutigt, und bestärkt. Es wird einen guten Weg geben. Danke!

  • JA ! Ich fände es toll mit so einem Opa draußen zu sein, was für ein toller Opa! Wie viele haben nicht Mal annähernd so einen Opa!
    Warum immer meckern oder Verhalten kritisieren?
    Können wir uns nicht einfach freuen, wenn Menschen überhaupt Zeit miteinander teilen?
    Der Junge hat gerade schlechte Laune….und dieser Opa gibt sich Mühe! Feiern wir diesen Opa und rufen ihm ein Danke zu!

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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