Sorge um unsere Katze und die 6 wichtigsten Punkte von Faber & Mazlish.

Heute war ich um fünf Uhr wach, weil mich die Sorge um unsere Katze Amy umtrieb. Unsere Katzen sind Freigänger, aber von klein auf nachts im Haus. Das mag Katzenkenner wundern, weil die Tiere ja nachtaktiv sind und gerade im Dunkeln aus dem Haus wollen. Aber bei uns ist das so. Und nun war Amy so lange weg, wie noch nie in ihrem zwölfjährigen Leben. Ich sah sie gedanklich irgendwo in einem Zaun festhängen, angefahren auf der Straße liegen, eingesperrt in einem Schuppen. Als im Morgengrauen immer noch keine Amy vor der Tür saß, war ich mir schon sicher, wir müssten dem Kronprinzen sagen, dass seine Katze weg ist. Dabei kommt unser Sohn gerade heute nach mehreren Wochen (Klausuren-Phase und Studienreise) zum ersten Mal wieder nach Hause.
Ich schwang mich also um fünf Uhr aus dem Bett, um nicht weiter Löcher in die Decke zu starren, sondern irgendetwas zu tun, um Amy tot oder lebendig zu finden, hatte eine Tüte mit Katzenlecker eingepackt und mein Smartphone (um notfalls meinen Mann anrufen zu können) und ging zum Fahrradschuppen, als Amy, dick und grau wie immer, um die Ecke bog. Dass sie kein Lied pfiff, war alles.

Da wird jemand sehr froh sein heute morgen.

Nun bin ich erleichtert und dachte, ich kann die frühe Stunde nutzen, um euch die wichtigsten Punkte im Umgang mit Kindern von Adele Faber und Elaine Mazlish aufzuschreiben. Nach der Erfahrung der beiden Amerikanerinnen ist Folgendes wichtig:

  • Die Gefühle des Kindes wahrnehmen, innehalten, sich sagen „Das darf jetzt so sein, diese Wut, dieses Gemotze oder was auch immer!“, und in eigenen Worten ausdrücken, was das Kind offensichtlich fühlt.

Nicht vorschnell trösten, beschwichtigen, ablenken und Gefühle negieren, nur weil man es als Eltern so schwer ertragen kann, das eigene Kind unglücklich zu sehen. Stattdessen …
Positiv-Beispiel: „Ich sehe, du bist furchtbar traurig, dass dein Freund abgesagt hat. Wenn man sich vorher so freut wie du, fühlt man einfach eine große Enttäuschung.“

  • Dem Kind Raum geben für sein eigenes Denken und Fühlen.

Nicht sofort mit einer Erwachsenen-Lösung um die Ecke kommen, nicht eine Batterie an genialen Mama-Ideen abfeuern, sondern still dabei sein, wenn das Kind eigene Lösungen entwickelt. Beraubt euch nicht um die Freude zu erleben, wie einfallsreich Kinder sind. In unserem „Schnell-schnell“ wird das oft erstickt. Dabei ist das so eine schöne Möglichkeit für sie, Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Positiv-Beispiel: „Du bist dir unsicher, ob du Lara und Emma zu deinem Geburtstag einladen sollst, weil sie sich nicht leiden können. Dir sind aber beide Mädchen wichtig. Das sind so Fragen, die auch uns Erwachsene beschäftigen. Ich kann gut nachvollziehen, dass du in dieser Sache stark mit dir ringst.“ Punkt. Aus. Stille.

  • Beschreiben statt bewerten. 

Nicht die spontanen Vorwürfe von der Leine lassen, nicht sofort den Schiedsrichter spielen, nicht aus der Hüfte schießen, wer hier wohl ein böses und wer ein liebes Kind ist, sondern …
Positiv-Beispiel: Anna (4) hat Besuch von ihrer Kita-Freundin Lynn (4), die verlangt, dass Anna ihr neues Spielzeug mit ihr teilt. Aber Anna hält es eisern umklammert und ist nicht bereit, es Lynn zu geben. Statt Anna wie im Reflex zu vermeintlich sozialem Verhalten zu drängen, versetzt sich ihre Mama gedanklich in ihre Lage und sagt: „Ich glaube, es muss sehr schwer sein, ein neues Spielzeug zu teilen. Neue Sachen hat man gern lange für sich allein.“ Dann sagte sie zu Lynn: „Wenn Anna dazu bereit ist, wird sie teilen.“ Das Beispiel stammt aus dem Buch „Entspannte Eltern – entspannte Kinder“ (Seite 34/35) und demnach ging die Geschichte so aus: „Niemand sagte etwas. Aber eine halbe Stunde später hörte ich (die Mama) tatsächlich wie Anna verkündete: ‚Okay, Lynn, ich bin jetzt bereit zu teilen!“
Ist das Kind Vorwürfen ausgesetzt, muss es seine ganze Energie für die Verteidigung aufbringen. Beim Beschreiben hat es Energie frei für die Lösung!

  • So wenig wie möglich sagen. Statt einer ganzen Rede, nur einen Satz. Statt einem Satz, nur ein Wort. Statt einem Wort, nur eine Geste.

Nicht sich zu Vorträgen hinreißen lassen, kein Erguss von Erwachsenen-Weisheit über das Kind.
Positiv-Beispiel:  „Rosa hat gesagt, dass mein Ranzen babyhaft aussieht.“ – „Oh!“  (Stille! Warten, Präsent sein!) „Sie hat gesagt, dass ihre Mama ihr erst auch so einen kaufen wollte, aber sie hat dann den Coolen bekommen mit dem Einhorn.“ – „Ach!“ – (Präsenz halten! Aufmerksam zuhören.) „Den mit dem Einhorn finde ich viel babyhafter als meinen, soll Rosa doch sagen, was sie will.“ Kind rennt befreit davon. Das Einzige, was Mama tat, war, verständnisvoll zu grunzen.

  • Beschreiben statt loben.

Nicht das Kind pauschal in den Himmel loben. Es beginnt dann zu fürchten, aus diesem Himmel abzustürzen und euch zu enttäuschen. Durch Lob, das seinen Charakter oder irgendwelche Eigenschaften pauschal hervorhebt, wird das Kind zudem in eine Rolle gedrängt. Rollen haben die Tendenz einzufordern, dass man ihnen gerecht wird. So entsteht Stress. Stattdessen …
Positiv-Beispiel: Mia (9) schenkt ihrem Papa stolz eine selbst gestrickte Krawatte. Dieser kommt frisch aus einem Faber-Mazlish-Workshop (;-))) und sagt nicht wie sonst: „Mia, mein Engel, du bist eine große Künstlerin.“ , sondern: „Diese Krawatte vereinigt die Farben Rosa und Gelb in einer Weise, wie ich es im Laden noch nicht gesehen habe. Ich spüre auch, dass sie mich am Hals wärmt. Wie nennt man diese Technik? Ist das Häkeln?“

  • Viel Material (Papier, Stifte, Knete, Fingerfarben …) griffbereit haben, um außer Worte noch andere Möglichkeiten zu haben, Gefühle auszudrücken.

Nicht den guten Zeichenblock oben im Schrank schonen, nicht die Stifte nur als Schulbedarf sehen, sondern …
Positiv-Beispiel: Stapelweise Papier und Becher voller Stifte an mehreren Plätzen in der Wohnung bereitstellen. Dann kann ich das spontan nutzen, wenn mein Kind zum Beispiel einen katastrophalen Schultag hatte. „So ein blöder Tag! Erst hat Raphael mir ein Bein gestellt, dann hat Frau Schneider über meine Schrift gemeckert, dann war auf meinem Brot nur blöder Gouda, dann …“ – „Warte!“ Mama schreibt mit, was alles vorgefallen ist, Sohn wird immer eifriger. „Ja, dann kannst du auch noch aufschreiben, dass ich beim Fußball in der Pause einmal das Tor ganz knapp verfehlt habe, … und, … und dass es geregnet hat auf dem Heimweg.“ Mama guckt sich die Liste an: „Ich wäre ganz schön wütend und erschöpft, wenn ich das alles erlebt hätte.“ Sohn strahlt sie an. „Das kannst du nachher Papa zeigen.“
Soweit ein paar Punkte aus der Philosophie von Adele Faber und Elaine Mazlish, damit ihr mehr und mehr einen Eindruck von ihren Vorstellungen bekommt.
Am Anfang mag man sich komisch vorkommen mit diesem beschreibenden Stil. Die beiden Damen betonen, es sei, wie wenn man einen neue Sprache lernen würde, wie ein Einsteigerkurs in Französisch oder Chinesisch. Nur, dass es hier bei vielen Erwachsenen auch noch darum ginge, gleichzeitig eine andere Sprache aufzugeben, die Sprache, die ihnen aus der eigenen Kindheit noch im Ohr ist und deren Sätze einfach aus dem Mund hüpfen.
Sind das nicht wahrhaft pfingstliche Ideen?!
Immer fröhlich beschreiben statt zu werten und den Kindern Raum lassen für eigenes Denken und Handeln!
Eure Uta
PS: Ich danke dem Verlag ObersteBrink für das Rezensionsexemplar von „Entspannte Eltern – entspannte Kinder. Verständnis und Verständigung als Schlüssel zum Glück“. München 2016

Das Titelbild ist von cottonbro von Pexels. Vielen Dank!

  • Hallo
    Hach ich genieße es in mein klopausen dich lesen zu können 🙂
    Du bietest ja irgendwann Fortbildungen zu dem Thema/Buch an.
    Sag mir bitte Bescheid ich möchte diesen dann sofort besuchen. Zum Glück wohnt mein Schwester in Hamburg und ich in der Nähe von München. Du machst dich bestimmt in einem dieser Orte?
    Liebe Grüße von einer treuen Leserin
    Eetje

  • Herrlich! Ich werde üben. Auch wenn meine Familie dann doof guckt. Dem Junior würde sowas extrem gut tun. Der eckt überall an und weiß nicht wohin mit seinen Gefühlen. Ein trollkind irgendwie.
    Und das mit Amy: puuuh! Ich kann das sooo gut nachvollziehen. Unser Kater kommt auch nachts heim und wenn er mal wegbleibt, schlafe ich schlecht. (Wie wird das erst, wenn die Kinder abends lange ausgehen?? ) ich bin im Winter bei -10 Grad morgens um halb sechs mit Taschenlampe durch die Siedlung gelaufen und hoffte, nirgends ein Katertier steif gefroren in einem Vorgarten zu finden…. er kam ohne jedes schlechte Gewissen irgendwann nach Hause…
    Viele Grüße von der steffifee

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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