40 Ideen für ein glückliches Familienleben 

 09/09/2014

Auf einem Zettel in der Küche notiere ich seit einiger Zeit, welche Punkte ich am wichtigsten finde bei der ganzen Erzieherei.
Hier sind sie: persönlich und professionell, eine Mischung aus Wissenschaft und eigenen Studien, nicht jedermanns Sache, aber mein Herzensanliegen:
Bei einigen Punkten verlinke ich die dazugehörigen Posts.
Los geht’s:

  • Wenn ich ein Baby habe, lasse ich es nicht schreien. Natürlich schreit es mal, auch stundenlang. Und ich bin fertig und verzweifelt, weil ich nicht weiß warum. Aber ich erhebe das Schreienlassen nicht zur Methode, so nach dem Motto: „Das härtet ab“, sondern suche mir Unterstützung, wenn ich nicht weiter weiß. Feinfühligkeit bei Kleinkindern
  • Was hilft, ist für jeden etwas anderes. (Vergangene Woche unterhielt ich mich mit einem Osteopathen. Der erinnerte sich mit Schrecken an die Dreimonats-Koliken seiner kleinen Tochter. Was schließlich half, waren Fußreflexzonenmassagen.) Aber es darf bei Babys kein Alleinlassen oder Ignorieren sein.
  • Ich reagiere feinfühlig und prompt auf mein Baby. Ich achte auf seine Signale. Wann hat es Hunger? Wann braucht es Trost? Wann will es spielen? Feinfühligkeit bei Kleinkindern
  • Körperliche Nähe gibt es im Überfluss: Auf dem Arm halten, streicheln, kuscheln, zusammen lachen, kitzeln, sich Zeit nehmen beim Wickeln …  bei älteren Kinder den Rücken kratzen, massieren oder die Beine eincremen. (Die moderne Bindungsforschung ist sich gar nicht so sicher, welche Faktoren es braucht, damit Bindung entsteht, aber eines ist unstrittig: körperliche Nähe.) 
  • Wenn ich mein Kind in eine Krippe geben möchte, achte ich darauf, dass es mindestens ein Jahr alt ist. Ich suche eine Krippe aus, die standardmäßig eine vier- bis sechswöchige Eingewöhnung anbietet, ich also jeden Tag in diesen Wochen einige Stunden dabei bleiben kann. (Quelle: Interview mit Bindungsforscherin Fabienne Becker-Stoll, faz-net, 11.8.2014)
  • Wenn ich bei dieser Eingewöhnungszeit merke, dass die Atmosphäre nicht stimmt, die Erzieher weder ihren Beruf noch die Kinder lieben, weinende Kinder nicht getröstet werden, die Kleinen nicht angelächelt werden, nehme ich mein Kind und wir beide suchen das Weite oder eine andere Krippe.
  • Wenn ich mich entschieden habe, bei meinen Kindern zu Hause zu bleiben oder wieder in den Beruf zu gehen, lasse ich mich von anderen nicht abwerten für diese Entscheidung, egal wie sie ausfällt.
  • Erziehungskunst besteht letztlich darin, dass ich erkennen kann, wann braucht mein Kind Hilfe/Nähe/Schutz, wann braucht es Freiraum/Selbständigkeit/Zeit für sich allein. Das gilt für Kinder jeden Alters und für jede Person, die Kinder betreut. Autonomie des Kleinkindes
  • Wenn es dem Kind gut geht, geht es den Eltern gut. Wenn es den Eltern gut geht, geht es dem Kind gut. Das ist ein Wechselspiel. Also sorge ich gut für das Kind und gut für uns. Mit Aufopferung ist niemandem gedient.
  • Die plötzlichen Gefühlsausbrüche von zwei- und dreijährigen Kindern werden landläufig als „Trotzphase“ bezeichnet. Treffender ist der Begriff  „Selbstständigkeitsphase“. Sogleich sieht man das Aufbegehren des Kindes in einem anderen Licht und wird weniger damit zu kämpfen haben.
  • Wenn Kinder in diesem Alter etwas allein machen wollen, lasse ich sie gewähren, auch wenn sie etwas nicht gleich können oder es länger dauert. Besonders Großeltern stehen in der Gefahr – getrieben von einer speziellen Sorte Helfersyndrom – das Autonomiestreben der „Kleinen“ zu missachten.
  • Wenn mein Kleinkind aber Hilfe möchte, gibt es keinen Grund, verbissen darauf zu bestehen, dass es alles alleine macht. Am besten funktioniert das Miteinander, wenn ich feinfühlig auf die Signale meines Kindes eingehen und sein Verhalten in Botschaften übersetzen kann.
  • „Wünsche erst zu nehmen, bedeutet nicht, sie erfüllen zu müssen.“ (aus dem Büchlein: „Trotzphasen bei Kita-Kindern“ von Britta Kolbe und Wolfgang Bergmann, Berlin 2016)
  • Bei Kindern unter acht Jahren verwende ich keine Ironie. Sie verstehen es nicht und es verletzt sie.
  • Ich akzeptiere es, dass ich als Mama oder Papa eine familiäre Führungskraft bin. Bei aller Achtung vor der Autonomie der Kinder halte ich die Fäden immer in der Hand.
  • Für die Stimmung in der Familie sind die Erwachsenen zu 100 Prozent verantwortlich.
  • Ich gebe selten Versprechen, aber wenn, halte ich sie ein.
  • Wenn ein Kind in einer wichtigen Sache um Erlaubnis fragt, gönne ich mir einen Zeitpuffer. „Ich muss darüber nachdenken, es mit Papa in Ruhe besprechen, eine Nacht darüber schlafen …“ Das erspart viel Ärger und lästige Diskussionen. Zwischen Reiz und Reaktion
  • Über einen Jungen im Grundschulalter (und auch noch bei Älteren) erfahre ich viel, wenn ich mich für seine Hobbys interessiere oder mit ihm zusammen bastele oder baue. Keine „Schau-mir-in-die-Augen“- Nummer oder „Wie-geht-es-dir“-Fragen! Das ist eher was für Mädels.
  • Ich weiß, dass Jungs im Grundschulalter gerne raufen und höre auf, von Gewaltverzicht zu träumen. Ich verschaffe den Jungs viel Bewegung und sorge für Kontakt zu erwachsenen Männern, die ihnen Regeln beibringen. Jungen und GewaltMachos im weiblichen Biotop
  • Bei Jungs in der Pubertät kann ich (oder Papa) gute Gespräche führen, wenn wir zusammen joggen oder angeln gehen oder lange im Auto neben einander sitzen.
  • Mit Teenagern zusammen am Tisch erzähle ich lieber von meinen Erlebnissen als sie verhörmäßig auszufragen. (Auf diese Weise kommen sie irgendwann auch ins Erzählen und man erfährt, was sie wirklich bewegt.)
  • Für mich ist meine Tochter das schönste Mädchen auf der Welt. (Und das gebe ich ihr zu verstehen, nicht den anderen Müttern.) Für dich sind deine Töchter die schönsten auf der Welt ….
  • Ich lasse völlig den Vorsatz fallen, als Mutter oder Vater gerecht sein zu wollen. Sonst ziehe ich Kinder groß, die ständig ein „Das ist aber ungerecht“ auf den Lippen tragen, egal in welchem Überfluss sie leben. Die Gerechtigkeitsdebatte ist das Einfallstor für viel Geschwisterstreit. Ungerechte Eltern
  • Ich habe Freude an Bildung und teile diese Freude mit meinen Kindern. Wer ein Buch möchte, darf sich immer eins kaufen, ausleihen oder runterladen. Auch Kunst und Sport wird nach Kräften unterstützt.
  • Im Vorschulalter meiner Kinder achte ich auf die liebevolle Atmosphäre in einer Kita und lasse mich nicht von Früh-Englisch oder Ähnlichem blenden. In dem Alter funktioniert Lernen nur, wenn sich die Kinder liebevoll aufgehoben fühlen. Lernen bei emotionaler Sicherheit
  • Musik machen, Musik hören, Tanzen, Toben, Kissenschlachten – all das bringt Leichtigkeit ins (Familien-) Leben.
  • Kinder brauchen die fröhliche Präsenz ihrer Eltern. Sie müssen nicht rund um die Uhr bespaßt werden.
  • Wenn ich etwas mit dem Kind spiele oder unternehme, tue ich etwas, was mir auch selber Spaß macht. Für das Gehirn ist das eine unschlagbare Kombination: Bindung und Begeisterung. Da bilden sich schneller Synapsen, als man messen kann. Die Gähn-Attacke
  • Je besser die Beziehung zum Kind, desto leichter kann ich Einfluss auf das Kind nehmen. Gut zuhören
  • Eine gute Beziehung zu haben, heißt nicht, zu allem „Ja und Amen“ zu sagen. Als Erwachsener muss ich zu meinen eigenen Grenzen stehen.
  • Kinder ab etwa 12 Jahren kann ich nicht mehr erziehen, aber ich kann sie unterstützen, mich für sie interessieren und Regeln des Zusammenlebens vereinbaren.
  • Aber schon bei kleinen Kindern respektiere ich die unmittelbar körperlichen Bedürfnisse: schlafen oder wach sein wollen, Hunger haben oder satt sein, geküsst werden wollen oder nicht.
  • Wenn ich die Grenzen meines Kindes überschreite (viel Zwang, Demütigungen, Herumkommandieren, Nicht-Respektieren ihrer Bedürfnisse…), kann ich sicher sein, dass dieses Kind spätestens in der Pubertät meine Grenzen überschreiten wird. Das Beziehungskonto
  • Ich sage mir immer wieder, dass es wahrscheinlich noch nie so schwierig war wie heute, Kindern eine Orientierung zu geben bei all den Lebensmodellen und Erziehungsstilen, die es gibt. Ich klopfe mir selbst freundschaftlich auf die Schulter und gönne mir was Feines.
  • Für die eigene Persönlichkeitsentwicklung sind Kinder ideal, weil sie allein durch ihr Sein uns Erwachsene immer wieder in Frage stellen: Wer bist du eigentlich, Mama oder Papa? Für welche Werte stehst du?
  • Und schließlich kommt das Unvermeidliche: Immer schön fröhlich bleiben.
Eure Uta

Titelbild von Migs, Beitragsbild von This is Zun, beide von Pexels. Vielen Dank!

  • Liebe Uta,
    deine Blog lese ich schon eine Zeit lang – und immer sehr sehr gerne. Heute hast du mich aber echt überrascht: WOW! Eine so schöne laaange Liste mit soviel Liebe zusammengestellt und das mit den wirklich auf den Punkt gebrachten wichtigen Dingen die Eltern so wissen sollten. DANKE! Werde ich sehr zu Herzen nehmen – und weiterempfehlen. Deine Karin

  • Schön! Danke!
    Sich selbst auf die Schulter klopfen ist super, das mache ich jetzt auch! Ich stimme (fast) allem was du geschrieben hast zu und folgere daraus, dass ich ganz viel richtig gemacht habe und dafür habe ich jetzt einen Schulterklopfer verdient! 😉
    Dass man Kinder ab 12 nicht mehr erziehen kann, wusste ich gar nicht! Mal sehen, ob wir das mit der Ordnung und den Tischmanieren in den nächsten 3 Jahren noch an den kleinen Mann bekommen! 😉
    Liebe Grüße
    Biggi

  • Ich bin noch dafür absolut ehrlich mit mir selber und meinen Gefühlen sein. Im Sinne von Gewaltfreier Kommunikation:
    Wenn du am Tisch dein Essen verschüttest dann macht das mit mir …. (Das Gefühl nennen) und das Bedürfniss (z. B. ich hätte das Bedürfnis nach guten Tischmanieren und wenn es eine Bitte gibt, dann auch diese (z. B. bitte lass die Suppe im Teller wenn das für dich möglich ist) aber ohne Erwartung das das Kind mir die Bitte erfüllt. Da geht es viel um Selbsterforschung.
    Und das Kind ist immer unser Spiegel, also Selbstverantwortung heißt für mich das ich das Kind beobachte und mich frage was zeigt es mir, oder (bei einem z. B. unerträglich schreienden Baby) wo schreie ich innerlich?! Weil ich zum Beispiel mit dem Baby nicht umgehen kann oder mich total überfordert fühle.
    Und das Schönste ist wenn meine Tochter mir sagt (fast 17): Mama du hast gaaanz viel richtig gemacht. Ich will das später auch mal können.
    Lass mal ein Grüßle da

  • Wundervoll, ich habe es gerade sehr genossen, besonders den Satz: “ Ich nehme die Schule nicht zu wichtig“. Ich stehe mit dieser Einstellung bei all´den Übermuttern immer allein da. Daher freut es mich, das du es aufgeschrieben hast!!
    VlG
    Birgit

  • Liebe Uta,
    danke, für diese großartige Auflistung. Was die Schulfrage angeht, schließe ich mich Birgits Worten an. Genau meine Meinung. Ich habe gelegentlich meine Zweifel, ob ich/wir alles bzw. das Meiste in unserer Erziehung richtig machen. In einem Punkt bin ich mir da aber ganz sicher. Gekuschelt und geschmust wurde und wird bei uns ganz viel. Und Bücher gehen immer, auch zwischendurch!

    Liebe Grüße
    Birgit

  • Liebe Uta,

    du hast dir aber viel Arbeit gemacht mit der Liste und den Verlinkungen/Quellen. Das ist eine Liste für die Ewigkeit.
    Ich werde bestimmt hier und da noch mal nachlesen.
    Bei einem Punkt musste ich Schmunzeln. Es ist gar nicht so lange her, dass sich mein kleiner Herzbube (3) die Schuhe selbst ausgesucht hat. Er ist auch zielsicher, wenn es um Kleidung geht. Das kommt aus meiner Familie (nein, nicht von mir!). Wenn die Sachen/Schuhe qualitativ in Ordnung sind und gut passen, darf das sein.

    Liebe Grüße von Frieda

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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