4 Tipps aus der Bindungsforschung 

 01/10/2019

... und wie der "Kreis der Sicherheit" funktioniert

Seit gut 50 Jahren gibt es die Bindungsforschung. Wir haben folglich gut gesicherte Erkenntnisse darüber, wie man bei Kindern ein Fundament legt für Selbstbewusstsein, Ausgeglichenheit, sichere Bindung, Stressbewältigung … 

Hierzu ein paar Wissens-Happen, die euer Kind stärken und gleichzeitig euren Alltag erleichtern können:

Es gibt ein Modell, das nennt man den „Kreis der Sicherheit“: Mama sitzt auf dem Boden, Kleinkind kuschelt auf ihrem Schoß, dann zieht es auf eigene Faust los, um etwas Interessantes im Raum zu erkunden. Nach einiger Zeit der Forschung krabbelt oder läuft es wieder zu Mama zurück, um Nähe zu tanken, dann wieder spannende Forschung allein, wieder Nähe, wieder Expedition, wieder Nähe…

"Einmal Liebe voll bitte!" und dann von der Bank herunter rutschen und wieder die Welt erkunden. 

Jeder vollständige Kreislauf macht das Kind ein kleines Stückchen sicherer und selbstbewusster.

Interessant ist, dass von der Bindungsperson in erster Linie verlangt ist, einfach da zu sein. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, vorher ein sicheres und interessantes Umfeld zu schaffen und dann buddha-mäßig präsent zu sein.

Die Selbstbestimmtheit des Kindes, also dass es eine ganze Zeit lang seinen eigenen Impulsen folgen darf und selbst entscheiden kann, ob es Kuscheln braucht oder inspirierende Aufregung, stärkt das Kind. 

Deshalb sind Situationen so wertvoll, die es ermöglichen, dass das Kind gefahrlos allein losziehen und selbstbestimmt zur Bindungsperson zurückkehren kann. 

Mit „gefahrlos“ meine ich: keine Lebensgefahr und keine Gefahr von schweren Verletzungen, aber eine Schramme am Knie, der eingeklemmte Finger, Dreck an der Hose oder ein nasser Ärmel muss einkalkuliert werden und sollte kein Schimpfen auslösen.

Eine solche selbstbestimmte Situation ist deshalb so viel wertvoller für das Kind als eine Situation, in der ein Erwachsener hinter ihm her hechelt, es ermahnt, ihm Erklärungen, Warnungen oder Spielzeuge reicht, weil es in der Selbstbestimmtheit seine eigenen Impulse kennen lernt und immer mehr in seine Kraft kommt.

Im Grunde gilt das alles auch für ältere Kinder. Nur mit einem über die Jahre wachsenden Radius. Wir lassen sie ziehen. Aber wenn da plötzlich Liebeskummer oder Schulsorgen auftauchen, gibts Kakao mit Sahne in der Sofaecke, ein offenes Ohr und jede Menge Zeit.

Kurz & knackig

1

Nicht denken, du müsstest permanent mit dem Kind spielen. Das ist mal schön, aber nicht deine wichtigste Aufgabe. 

2

Im Alltag Situationen für den „Kreislauf der Sicherheit“ schaffen: z.B. auf einem Spielplatz sich einen Platz mit Übersicht auf einer Bank suchen und dort verlässlich bleiben, mit einer Freundin auf einer Decke auf dem Rasen hocken und die Kinder drum herum spielen lassen oder zu Hause sich in den Raum mit den meisten Möglichkeiten setzen. 

3

Den Raum nicht überladen, sondern behaglich gestalten und mit von Zeit zu Zeit wechselnden Forschungsobjekten ausstatten (Schüssel voller trockener Linsen, darin Gegenstände, Schüssel mit etwas Wasser und unterschiedlich großen Schöpfkellen, darun ter ein Wachstuch…).

4

In der Mitte hocken, Kaffee trinken, lesen, sich ausruhen und einen warmen Schoß und streichelnde Hände zur Verfügung stellen, wann immer es gebraucht wird. 

Immer fröhlich Kreise der Sicherheit ziehen,

Eure Uta 

PS 1: Das Modell "Kreis der Sicherheit" stammt von den US-amerikanischen Bindungsforschern Cooper, Hoffmann, Marvin und Powell. 

PS 2: Mein heutiger Beitrag ist inspiriert von dem Buch "Bindung. Eine sichere Basis fürs Leben" von Fabienne Becker-Stoll, Kathrin Beckh und Julia Berkic. München 2018.

Professorin Fabienne Becker-Stoll leitet das Staatsinstitut für Frühpädagogik in München. 

PS 3: Herzlichen Dank an den Kösel-Verlag für das Rezensionsexemplar!

PS 4: Werbung wegen Verlinkung.

  • Liebe Uta, als erstes möchte ich dir ein großes DANKESCHÖN schicken, für deinen tollen Blog und deine wertvolle Arbeit!! Ich habe mir hier schon so viele Tipps und Inspirationen abgeholt – und freue mich immer sehr, wenn ein neuer Beitrag online ist! 🙂
    Zu diesem Artikel muss ich mich jetzt einfach melden, weil mich das Thema so sehr beschäftigt. Ich habe mir mein Mama-Sein genau so ausgemalt wie in deinem Beitrag beschrieben: als Hafen, zu dem die Kleinen kommen, wenn sie etwas brauchen, als ruhenden Pol in der Mitte – keinesfalls als Animator!! Das habe ich bereits in der Schwangerschaft gerne jedem erzählt der es hören wollte (oder nicht 😉 ). Aber mein Töchterlein hat sich nie so verhalten wie von mir erwartet/gewünscht, und ist ohne mich einfach nicht los gezogen!! In Spielgruppen (ab ca. 8 Monate) ist sie die allerlängste Zeit auf meinem Schoß sitzen geblieben, sehr geduldig ohne zu quengeln, aber unternommen hat sie auf eigene Faust nichts. Mittlerweile ist sie 2 1/2 und es hat sich, zu meiner Erleichterung, bereits gebessert. In der aktuellen Spielgruppe entfernt sie sich von mir, und spielt ein bisschen, aber sehr gerne bringt sie mir alles mögliche Zeugs aus dem ganzen Raum um es mir zu zeigen. 🙂 Und wenn wir zu zweit etwas unternehmen, kann ich mich zwar gerne buddhamäßig wo hin setzen, dann setzt sie sich dazu, vielleicht spielt sie sogar kurz ein bisschen allein, aber nach kurzer Zeit wird sie mich garantiert in ihr Spiel einbauen (die meiste Zeit spielt sie Rollenspiele, und das macht zu zweit wahrscheinlich mehr Spaß 😉 )
    Jedenfalls finde ich, klingt das in der Theorie sehr gut und einleuchtend mit dem „Kreis der Sicherheit“, aber bei uns hat das bislang noch nicht so gut funktioniert 🙂
    Liebe Grüße, und bitte weiter fröhlich Blog schreiben!! Von Herzen Danke!! Birgit

  • Liebe Birgit, ich freue mich sehr über dein großes „Dankeschön“!
    Und danke dir, dass du die Situation mit deiner kleinen Tochter beschreibst. Rollenspiele!!! Ja, das erinnere ich auch noch, wie sehr das von Prinzessin gewünscht war und ich kaum aus dieser Nummer raus kam. Ich musste der Plüschpinguin sein, der sich so furchtbar über den Teddy geärgert hatte und in Gestalt des rosa Elefanten musste ich der Puppe eine Strafpredigt halten, dass dem kleinen Plastikkind Hören und Sehen verging … Ich konnte mich schwer abgrenzen gegen all diese Wünsche. Und in Maßen machte mir das ja auch Spaß, aber eben nur in Maßen.
    Woran es jetzt bei deiner Tochter liegen könnte, dass sie dein Buddha-Sein nicht so wirklich akzeptiert, lässt sich aus der Ferne schwer sagen. Sicher spielt eine Rolle, dass sie vielleicht eher der schüchterne Typ ist. Mich freut aber, dass es zumindest eine leichte Tendenz zu mehr Alleingängen gibt.
    Herzliche Grüße, Uta

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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