Hermann und die Kettenbriefe 

 18/09/2012

Warum ich keine Kettenbriefe und ähnliche Aktionen mag und wie es uns mit einem Kuchenteig ging, der auf dem Schrank vor sich hin gärte.

Es gibt Ketten-Briefe, Ketten-Mails und sogar Ketten-Kuchen. Der Ketten-Kuchen ist ein Teig namens „Hermann“, den es über mehrere Tage mit diversen Zutaten zu füttern gilt  und nach knapp einer Woche gebacken wird. Die mehrtägige Pflege („Wer ist eigentlich dran mit Hermann-Füttern?“) dankt einem der gebackene Hermann mit einer klebrig-schweren Konsistenz.
Die Geschichte von „Hermann“ endet mitnichten damit, dass man ihn aufgegessen hat. Vor dem Backen teilt man den Teig in drei Teile. Teil zwei und drei sind seine Kinder. Laut Anleitung ist man gehalten, das Rezept zu kopieren und kleine Hermanns an andere Familien weiter zu reichen.
Da mir diese Form von Zwangsbeglückung unangenehm ist und mir niemand im Bekanntenkreis einfiel, mit dem ich eine Rechnung offen hätte, blieb der Hermann-Wurf in Tupperschüsseln auf unserem Schrank stehen. („Kann jemand heute Hermann und Hermine füttern?“)
Ich weiß nicht, was in den beiden vorging. Es sind wohl Gärungsprozesse. Auf jeden Fall wuchsen die Teig-Geschwister auf dem Schrank wie verrückt und der Tag des Backens rückte wieder näher.
Wollte ich zwei klebrig-brackige Kuchen und vier gefrässige Teiglinge?
Ich fing an, eine Roald-Dahl-Kurz-Geschichte zu träumen. Teig schwappte aus den Schüsseln auf dem Küchenschrank, füllte das Esszimmer, riss die Stehlampe mit … Die Kinder ruderten oben auf dem Teig-Tsunami. Und wir Eltern konnten ihnen nicht helfen, weil mein Mann zentnerweise Mehl aus dem Kofferraum lud und ich im Copy-Shop Hermann-Ketten-Briefe kopierte. Ein Albtraum.

Backformen für den H-Wurf

Schließlich erbarmte sich der Sohn einer Freundin und nahm Hermann mit nach Hause. Hermine schläferten wir ein durch Mehl- und Eier-Entzug.
Ob Ketten-Kuchen oder Ketten-Mail – wenn wir auf diese Weise beglückt werden, berührt es uns unangenehm, weil wir uns an Regeln halten sollen, denen wir nicht zugestimmt haben. Und wenn wir nicht weiter backen, mailen oder Briefe kopieren, fühlen wir uns auch noch als Spielverderber.
Es gilt aber:

Regeln, denen wir nicht zugestimmt haben, sind Befehle.

Maria u. Stephan Craemer 

Besonders wenn es um so hehre Ziele wie die Befreiung politischer Häftlinge, Protest gegen Zwangsbeschneidung oder die Bekämpfung von Hunger geht, fühlt man sich bei Ketten-Aktionen ganz schlecht, weil über einem auch noch die moralische Keule schwingt.
Das mit den Regeln, die eigentlich Befehle sind, gilt auch für die Kindererziehung. Spätestens im Laufe der Grundschulzeit muss ich Regeln mit den Kindern abstimmen, sondern funktionieren sie nicht oder nur mit Zwang.
Immer schön fröhlich bleiben
Uta

  • Ach ja, Hermann… Als Kind schwappte mehrmals die Hermann-Welle bei uns vorbei und ich fand sie großartig. Erstens gab es regelmäßig Kuchen, zweitens fand ich es spannend zu beobachten, wie lange es dauert, bis ein Dorf „verhermannt“ war. Nach etwa zwei Monaten war die Umgebung gesättigt, dann flaute die Welle ab. Bis irgendjemand im Tiefkühler ein lange vergessenes Hermännchen entdeckte…
    Meine Mutter fand übrigens eine praktische Lösung: aus dem letzten Drittel einfach einen zweiten Kuchen backen und den verschenken! Findet deutlich mehr Abnehmer als hungrige Teiglinge 😉

    LG, Julia

  • Oh ja, ich erinnere mich an die Hermann- Kettenbrief- und -mailzeit. Sie ist bei uns vorbei – und ich beschwere mich nicht darüber! Bin mal gespannt, ob das bei uns klappt mit den Regeln und Befehlen, wenn die Schule losgeht!
    Liebe Grüße! Sonja
    P.S.: Wundervoll geschrieben!! …und Herzchen verschenkt!

  • Der Hermann! Gibt es den immernoch?
    Man kann den Teig auch einfrieren!

    Aber apropos Kettenbriefe! Ich werfe jetzt gleich mal meinen Anwalt anrufen, weil ich im vergangenen Jahr einige Kettenbriefe erhalten habe in denen mir schlimmeres angedroht wurde wurde ich sie nicht weiterleiten…
    Ich mach jetzt eine Schadensersatzklage fertig!
    Die werden was erleben;-)

  • Ich hab dann mal für Dich gestimmt – aber nur, wenn ich dafür keinen Hermann in Pflege nehmen muss, keinen Award bekomme und keine 5 Fragen beantworten muss. 😉
    Schließlich kann ich ja nicht nur für mich selber stimmen. 😉

    Herzlich, Katja

  • Danke für den vielen Zuspruch und die Herzchen bei den Brigitte-Mütter-Blogs. Ich hätte da eine kleine Aufmerksamkeit für Euch. Meine Mutter bekam mal von einer Nachbarin ein blumenkohlartiges Gewächs in einem Einmachglas. Wenn man Milch drauf schüttete, entstand nach einigen Stunden eine Art Kefir, der – regelmäßig getrunken – einen so fit machte wie die kaukasischen Hundertjährigen. Der Kefir-Pilz hatte eins mit Hermann gemein; er wuchs.
    Na, wer macht mit bei der Verlosung des Kefir-Pilz-Give-aways?

    Liebe Grüße

    Uta

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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