Zusammen mit dem Vater von Lotta bin ich Elternvertreterin in der Klasse von Kronprinz (15). Das ist mein Comeback als Elternvertreterin. Fünf Jahre lang hatte ich kein Amt in der Schule.

Ich war Elternvertreterin im Kindergarten und Mitglied des Elternrats in der Grundschule. Aber weil man mich immer zum Protokollschreiben verdonnern wollte („Du bist doch Journalistin.“) habe ich lieber aufgehört. Meine Wiederwahl war sowieso gefährdet. Das mit den Wellnessgutscheinen zum Lehrergeburtstag lief bei mir etwas schleppend.

Nun muss man dazu sagen, dass Elternabende in unserer Gegend immer gut besucht sind:

Wenn Mutter beim Hatha-Yoga ist, kommt Vater.
Beim ersten Elternabend vom ersten Kind in der ersten Klasse kommen beide.
In den höheren Klassen kommen beide, wenn sie geschieden sind und das Vertrauen futsch ist, dass der andere die Kofferliste für die Skireise vernünftig mitschreiben kann.

Nicht nur die Präsens auch das Bildungsniveau ist hier sehr hoch. Ich habe Elternsprecherwahlen erlebt, bei denen alle fünf Posten bis runter zum Wart der Klassenkasse mit Promovierten besetzt werden konnten.

Das macht die Sache nicht leichter.

Der Mann meiner Cousine machte den Fehler, einen Elternabend in der Grundschule zu besuchen. Eine Mutter, promovierte Ärztin, ließ ein Einweckglas mit einer Laus herumgehen, die sie auf dem Kopf ihrer Tochter gefunden hatte. Sie machte den Elternabend zum Pro-Seminar über Schädlingsbefall. Und die anderen Erwachsenen saßen mit den Knien im Gesicht auf den Mini-Stühlen und hörten seitenlange Anweisungen, was nun zu tun sei.
Da meldete sich der Mann meiner Cousine zu Wort: „Entschuldigung, Frau Dr. Sowieso, wenn ich ihren Ausführungen richtig folgen konnte, ist es doch ihre Tochter allein, die Läuse hat. Wären Sie so freundlich, das Kind zu Hause zu lassen, bis Sie guten Gewissens ein Attest darüber ausstellen können, dass die Population ausgerottet wurde.“

Seither geht meine Cousine zu den Elternabenden.

Elternabende in der Schule sind ja die Gladiatorenkämpfe der Neuzeit.

Schul-Brot und Spiele.

Die Eltern haben sich in der Arena Klassenzimmer versammelt. Eine Tüte „Colorado“ macht die Runde. Die junge Lehrerin, gerade der Referendarszeit entschlüpft, sucht Halt in der Tagesordnung, die sie mit zittriger Hand an die Tafel geschrieben hat.
Ende Zwanzig ist sie und steht Mittvierzigern im Zenit ihrer Karriere gegenüber. Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, Lehrer, Medienmanager … Und alle sitzen da, bereit, rhetorisch den Löwen aus dem Käfig zu lassen.

Die Lehrerin von Kronprinz ist von einer Schule in Berlin-Neukölln ganz frisch nach Hamburg gekommen. Kaum hatte sie die Kronprinz-Klasse übernommen, hatte sie die waghalsige Idee, dass sich die Schüler nach der großen Mittagspause fünf Minuten früher im Kunstraum einfinden sollten, um nach Bereitlegen der Materialien pünktlich mit dem Unterricht beginnen zu können.

Ein schwerer Fehler.

Ein Vater sprang auf und rief: „Wir sind hier ja nicht in Neu-Kölln!“ Mehrere Eltern stimmten ein und meinten, die Lehrerin könne dankbar sein, eine so tolle Klasse führen zu dürfen. Und nun komme sie daher und zerstöre jegliche Motivation der Schüler.

Irgendwann trat der Katharsis-Effekt ein. Die Agression war verraucht, die Lehrerin einen Schritt weiter zum Burn-out, die Colorado-Tüte leer. Im Eilverfahren ernannte man Lottas Vater und mich zu Elternvertretern.

Lottas Vater ist die ideale Wahl. Er trägt weder einen Doktortitel noch einen Doppelnamen. Sein Computer hat ein E-Mail-Programm, das allzu empörte Elternbotschaften sofort als Spam identifiziert.
Und er fährt einen Kleinbus, der sich schon mehrfach bewährt hat, um Getränkekisten und Tapeziertische für das Klassenfest runter an die Elbe zu fahren.

Und ich gebe zu meinem Comeback folgendes Wahlversprechen:

  • Ich verspreche, keinen Elternstammtisch zu organisieren. Denn wenn man in der Klasse ein kleines Problem hat, ist es nach dem Stammtisch ein großes Problem.
  • Ich verspreche, erst eine Nacht darüber zu schlafen, wenn aufgeregte Eltern eine Beschwerde an mich herantragen. Und dann erst zu handeln … oder auch nicht.
  • Ich spreche mit anderen Eltern oder einem Lehrer persönlich. Ich schreibe Mails nur, um mich zu einem Telefonat oder einem persönlichen Gespräch zu verabreden.
  • Ich spreche gut über andere Schüler und deren Eltern oder ich halte die Klappe.
  • Im Konfliktfall wenden Lottas Vater und ich ein mehrstufiges Verfahren an: Gespräch zuerst mit der Lehrerin, dann mit der Beratungslehrerin, in schweren Fällen auch noch mit der Stufen-Koordinatorin und zuletzt mit der Schulleiterin (Reihenfolge wichtig und vom Eskalationsgrad abhängig).
  • Ich organisiere mindestens ein Fest im Schuljahr.
Der Elternrat unserer Schule, 
nein, leider nicht, sondern Seine Heiligkeit Gyalwang Drukpa, Oberhaupt des tibetisch-buddhistischen Drupka-Ordens  mit Nonnen, Mönchen und einer ins Bild geschummelten Bloggerin.

 

Immer schön fröhlich andere Eltern vertreten
 
Uta

 

 

  • … nach einer nicht enden wollenden Elternratssitzung heute war dieser Beitrag das i-Tüpfelchen auf meinen Tag.
    Vielen Dank und weiter so.
    Jana

  • Da sieht man es mal wieder. Nicht die Schüler sind das Problem 😀
    Wünsche dabei ein glückliches Händchen (besonders das „nur Gutes äußern, oder den Mund halten über die Schüler/Eltern“ ist wohltuend und auch z.Z. mein Thema in der KLasse meiner fast 16jährigen)
    LG
    Susanne

  • Wir haben eher das Problem, dass gar keiner kommt zu den Elternabenden. Das Elternengagement sinkt wohl parallel zum Bildungsniveau und dem Einkommensdurchschnitt… irgendwie.
    Wobei ich mich dann grade frage, was besser ist… oder schlimmer. 😉
    Mein Elternbeiratsengagement wurde bereits im Kindergarten getötet, als uns der Leietr unmißverständlich klargemacht hat, dass wir zwar gerne bei Festen die Tische schleppen und die Würstchen grillen dürfen, ein Mitsprachrecht bei Personalentscheidungen und der Gestaltung des Kindergartenumbaus aber absolut indiskutabel ist. Danke, Biergarnituren geschleppt hab ich bis ans Ende meines Lebens als Mutter eines Kinderagrten- und Schulkindes eindeutig jetzt genug. Also nur noch Engagement innerhalb der jeweiligen Klasse, oder wenn mir Mitspracherecht eingeräumt wird – da bin ich jetzt mal eigen.

    Lieber Gruß,
    Katja

  • Also bei uns ist das ein wenig anders…vielleicht liegt es daran, dass ich aus Sachsen komme…alle meine Kinder sind in der Schule…ich habe einige Stammtische besucht…ohne Stammtisch wäre manche Klassenfete gar nicht möglich gewesen…war immer recht lustig…und wir konnten so manchen Kompromiss dort schließen oder Ideen verwirklichen…Wer jetzt alles promoviert ist, weiß ich gar nicht… Wir haben zwei Professoren der Biologie, die sind total locker drauf…Es gibt immer anstrengende Eltern…was das mit einem Doktortitel zu tun haben soll, ist mir jetzt nicht ganz klar…LG Lotta.

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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