Der Brief einer Leserin 

 25/08/2013

Zu dem Post „Die neue Freiheit“ habe ich eine Mail von Lisa bekommen, die ich mit ihrer Erlaubnis veröffentlichen darf. 

In ihrer Mail wird so schön deutlich, wie anspruchsvoll es ist, den Familienalltag so steuern, dass alle damit klar kommen. Aber lest einfach selber.

Hallo Uta,
 
ich lese immer wieder deine neuen Blogeinträge. Jetzt wollte ich dir mal von uns berichten.
 
Wir haben drei Kinder 17, 15, 11. Ich habe letztes Jahr in den Sommerferien auch das Projekt „Freiheit“ bei Kind 1 gestartet. Ich war es so leid, ständig die Motzkuh zu sein. Da er in die 9. Klasse  kam, konnte ich das Experiment  nach den Ferien weiter laufen lassen, denn die kommenden Noten hatten ja noch keine Abi-Bedeutung (jetzt ab Klasse 10 zählen ja bereits alle Klausurnoten fürs Abi). Und ich hatte ein so ungutes Gefühl. D. ist eigentlich DER Medienkerl.Am liebsten mit Handy und Laptop vor der XBox. Die XBox steht auch bei D. im Zimmer (Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte es das alles erst mit 18 gegeben, aber … ich habe ja nicht alles alleine zu entscheiden) Und das ist auch gut so.
Die Zeit in den Ferien war echt hart für mich.Die Nächte wurden an der XBox durchgespielt, geschlafen – wenn überhaupt – tagsüber. Dann fing die Schule an und ich war echt gespannt.

Nach kurzer Zeit kam D. von sich aus zu uns und sagte, dass er nur noch am Wochenende XBox spielen würde. Beim Spielen würde er kein Ende finden und dann würde das alles nicht hinhauen. Da habe ich aber gestaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass er das so hinbekommt. Wann er den Fernseher ausmacht und/oder sein Handy das letzte Mal abends benutzt, weiß ich nicht so genau.

Aber bei seinen Schulnoten hat sich nichts geändert und auch sonst ist er der „Alte“ geblieben. Da D. unheimlich viel Schlaf braucht, kommt es aber auch vor, dass er für zwei Freistunden nach Hause kommt, sich auf die Couch legt und die zwei Stunden schläft. Aber das ist mir  egal.  Eigentlich muss ich sagen, ist es echt entspannt geworden. Obwohl es mir besonders in den Ferien schwer fällt, ihn einfach zu lassen. Aber ich habe auch festgestellt, dass es Zeiten gibt, in denen er sich fast ausschließlich verabredet und gar nicht an der XBox oder am Rechner ist.
Soviel zu Kind 1.
 
 
Nun Kind 2.
Unsere S. ist medientechnisch  vollkommen unkompliziert. An den Rechner geht sie nur um zu facebooken, in Onlineshops zu stöbern oder Bilder zu bearbeiten. Die XBox meidet sie komplett, weil sie keinen Spaß an Spielen hat. Wenn sie aus der Schule nach Hause kommt, isst sie auch am liebsten vor dem Fernseher. Bevorzugt bei „Shopping Queen“ und am allerliebsten, wenn ich mich dazu setze, weil sie immer viel zu erzählen hat. Aber ich lasse sie da auch. Sie hat  lange Schultage, teilweise kommt sie erst um 18 Uhr wieder. Klar, ihr Handy nutzt sie auch viel, um zu „Whatsappen“, aber ich denke, sie merkt schon, wenn es Zeit ist zu schlafen. Da bin ich echt stolz. Trotz Freund und uneingeschränkten Medienzugang hat sie den Wechsel auf das Gymnasium (nach dem Realschulabschluß) perfekt geschafft.

 
Nun Kind 3.
Unser B. (11 Jahre alt), das absolute Medienkind. Durch zwei große Geschwister und einen Vater, der sehr viel in der Medienbranche unterwegs ist, wurde er von klein auf – meiner Meinung nach – viel zu viel und viel zu früh mit Medien bespaßt.

B. wollte jetzt auch mal uneingeschränkte Medienfreiheit. Okay, in den Ferien, dachte ich mir, kann ich es mal ausprobieren. Projekt gescheitert. Dieses Kind schafft es, sich morgens vor die Glotze zu setzen und ausgiebig allen Terror-TV-Mist aufzusaugen. Auf den Beinen das Laptop. Dort macht er allerdings keine Spiele, sondern erstellt Powerpoint-Präsentationen über Fußball-Vereine oder die schönsten Strände der Welt. Eigentlich ja ganz okay. Wenn der Bruder dann erwacht, verschwindet er in D.s Zimmer und wird nicht mehr gesehen. Er muss den ganzen Tag nichts essen oder trinken, so ist er in den Medien versunken. An der XBox spielen die Jungs nur „Fifa“ oder „Mario Kart“. Andere Spiele haben wir nicht. Irgendwann kommt er dann runter mit roten Augen und fängt an zu motzen, wenn ich um 23 Uhr sage, dass es Zeit fürs Bett ist.

 
Versuch gescheitert.
 
Vielleicht versuche ich es in den nächsten Ferien noch einmal.
 
Ich finde es sehr interessant zu sehen, wie unterschiedlich Kinder aus einer Familie sein können, die alle die gleiche Wertvermittlung und Erziehung genossen haben.
 
Das von mir so geliebte gemeinsame Essen hat sich auf einmal die Woche reduziert. Aber bei drei Schulkindern, die täglich so unterschiedliche Schulzeiten haben (der eine hat zur dritten Stunde Schule dafür dann 10 Stunden, der nächste zur nullten Stunde kommt dafür aber schon nach der siebten Stunde wieder…) ist das einfach nicht möglich. Abends sind dann alle mit ihrem Training oder Verabredungen beschäftigt. Alle Kinder spielen Basketball und die Jungs noch Tischtennis. Der Sonntagabend ist jetzt unser Abend zum gemeinsamen Essen.
 
Noch viel Erfolg mit deinem Versuch.
 
Liebe Grüße
 
Lisa


Liebe Lisa, vielen Dank, dass Du mir so ausführlich geschrieben hast und ich Deine Mail veröffentlichen durfte! 
  • Liebe Uta,

    ich finde es wahnsinnig spannend, von deinen „Erziehungs-Experimenten“ zu lesen und freue mich, dass du diesen Leserbrief veröffentlichen durftest.

    Mein Bruder und ich sind wohl auch das, was man „Medienkinder“ nennen würde, nur gab es zu unseren Zeiten zum Glück noch kein iPad und Videospiele oder Nintendos hatten wir auch nie im Haus. Manchmal bin ich erschrocken, wenn ich darüber nachdenke, wie viel Zeit ich im Internet verbracht habe. Andererseits haben meine Eltern neulich erzählt, dass sie nie unsere Hausaufgaben beaufsichtigt hätten oder ähnliche Dinge, was mich erstaunt hat. Mir war das gar nicht aufgefallen, dass ich diese Freiheit hatte! Und wie blöd es ist, die Hausaufgaben mal vergessen zu haben, merkt man ja ziemlich schnell selbst. 😉

    Ich finde es super, dass eure Tochter so glücklich ist mit ihrer Freiheit; letztendlich führt das zu mehr Selbstverantwortung und sicher auch zu mehr Selbstvertrauen.

    Viel Spaß Erfolg weiter beim Erziehen deiner zwei Teenies!
    Ich lese sehr gerne weiter hier mit. 🙂

    Liebe Grüße
    Steffi

  • {"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

    >