Betreuung, wirklich ganztags? 

 22/08/2014

„Hast du das gelesen?“ Der Soßenkönig schob mir dieser Tage die Zeitung über den Tisch. „Schon drei von vier Grundschülern in der Ganztagsbetreuung“, lautete eine Überschrift.

Was dort als Erfolg für Hamburg gefeiert wurde, deprimierte uns beide. Als Grundschüler schon den ganzen Tag in der Schule?
Klar, das ist in manchen Fällen besser als allein oder verwahrlost zu Hause, besser als allein vor dem Fernseher oder Computer.
Aber als Kind in dem Alter immer unter Erwachsenenaufsicht? Immer kontrolliert, immer in einer vorgegebenen Struktur, immer pädagogisch angeleitet, immer beschäftigt von Erwachsenen?

Auf dem Schulhof ist aus Gründen der Haftung und Versicherung nicht einmal eine Schneeballschlacht erlaubt.

Kinder-Winter ohne Schneeballschlacht?

Gibt es für Kinder nicht mehr die Möglichkeit, nachmittags mit Freunden herumzustromern?

Banden bilden, Buden bauen, sich kloppen?

Im Gebüsch kauern und das alte Portemonnaie am Nylonfaden wegziehen, wenn sich ein Passant danach bückt?

Klingelstreiche, brettharte Kekse backen, Mehlschlacht?

Mit dem Rollbrett den Berg runterrasen, Verstecken spielen auf der Brachfläche, Spontanflohmarkt mit den staubigen Barbie-Puppen auf dem Bürgersteig?

Der Soßenkönig nahm einen Schluck Tee und erinnerte sich, wie er als Kind auf dem benachbarten Bauernhof zwischen den Heuballen gespielt hat. Und der alte Bauer durfte nicht wissen, dass er und die Mädchen vom Hof dort mit den Wachhund-Welpen spielten. Das war aufregend, anrührend, das stand in keinem Bildungsplan.

Meine Mutter hatte die beste Zeit ihres Lebens, als sie während des Krieges mit der Kinderlandverschickung auf einen Bauernhof im Münsterland gebracht wurde und dort mehr oder weniger sich selbst überlassen war. Noch heute erzählt sie am liebsten aus dieser Zeit.

Ich habe als Kind mit Freunden Unkrautsamen an der Bushaltestelle verkauft, Marmelade gekocht, bis die ganze Küche klebte, auf einer Wiese eine Schatzkiste mit rostigen Kronkorken verbuddelt und eine Seifekiste gezimmert, die in der ersten Kurve auseinander fiel.

Aber Vorstadtkrokodile scheint es nur noch auf DVD zu geben.

Selbst Eltern, die nachmittags daheim sind und Stützpunkt sein könnten für solche Abenteuer, lassen ihre Kinder nicht mehr zu Hause, weil diese auf der Straße niemanden zum Spielen finden. „Fast alle ihre Freunde sind ja in irgendeiner Betreuung“, klagte meine Nachbarin, Mutter von zwei Grundschulkindern, mal.

Und den betreuten Kindern fehlt nicht nur der Kitzel des Lebens ohne Erwachsene, sondern auch Zeit für sich ganz allein. Keine Zeit mehr, sich mit der „Bravo“ tagsüber im Zimmer einzuschließen, einen Ball selbstvergessen gegen die Mauer zu treten oder hinterm Schuppen zu träumen.
In der Schule ist man wegen der Aufsichtspflicht nie wirklich allein. Nicht einmal auf dem Klo. Jederzeit kann jemand unter den Türspalt gucken oder auf die Klinke hämmern.

Und wie ist das mit Trost und Nähe? Ist denn der Betreuungsschlüssel wenigstens so gut, dass das gegeben ist?

Meine Stepptanzlehrerin hat ihr Studio gegenüber einer Grundschule und bestreitet mit Kindertanz einen Teil des Programms der schulischen Nachmittagsbetreuung. „Du“, sagte sie neulich, „die kleinen Mäusen wollen gar nicht mehr tanzen, die wollen alle nur auf meinen Schoß.“

Ja, über die Schlagzeile „Schon drei von vier Gundschülern in der Ganztagsbetreuung“ kann ich mich nicht recht freuen.

 

 

Ich habe mal überlegt, wie wir dem entgegensteuern können, selbst wenn Ganztagsbetreuung zum Standard werden sollte.

Tipps für mehr Freiräume für Kinder:

  • Wenn schon Ganztags-Betreuung dann mit großem Schulhof und viel Grün.
  • Im Garten verwunschene Ecken lassen, Büsche zum Verstecken sind wichtig und Bäume zum Klettern. Den englischen Garten kann man anlegen, wenn die Kinder in die Pubertät kommen.
  • Wer keinen Garten hat, könnte vielleicht einen Schrebergarten pachten.
  • Im Urlaub sind Campingplätze ideal. Meine Schwester Nummer 3 wohnt mit ihrem Sohn mitten in der Großstadt, aber seit Jahren fahren sie jedes Jahr im Sommer für drei Wochen auf einen Camping-Platz mit vielen Kindern. Dort kann mein Neffe von morgens bis nachts herumstromern, ohne dass sich meine Schwester Sorgen machen muss. Wenn die beiden zurück kommen, ist mein Neffe jedes Mal wie ausgewechselt: braun gebrannt, strohblond und hat jede Menge neuer Freunde.
  • So ein kesseldruck-imprägniertes Klettergerüst mit TÜV-Plakette aus dem Gartencenter ist gut und schön, aber warum nicht eine Kiste mit Brettern, Seilen, alten Tüchern, Nägeln und Werkzeug in den Garten stellen und gucken, was passiert. (Das wäre auch eine Idee für die Nachmittagsbetreuung in der Schule, ich will mir aber nicht ausmalen, ob nicht wieder versicherungstechnische Gründe dagegen sprechen oder der Hausmeister ausrastet.)
  • Sich fragen, ob volle Berufstätigkeit beider Eltern in der Phase Null bis 10 Jahre unabdingbar ist, ob wir wirklich einem Herzenswunsch folgen oder uns nur einer immer größer werdenden gesellschaftlichen Erwartung beugen. Wir werden doch sowieso immer länger arbeiten müssen. Warum dann dieser Stress? Die Jobs werden bleiben, aber die Kinder gehen garantiert aus dem Haus.

Habt ihr zu Hause noch ein Vorstadtkrokodil? Ich würde mich freuen, wenn ihr mir von verwunschenen Ecken in eurem Garten oder selbst gezimmerten Baumhäusern und Buden in der Nachbarschaft berichtet oder Fotos schickt.

Immer fröhlich Freiräume für Kinder schaffen.

Eure Uta

  • Haha, eigentlich erzählst Du da von unserer Schule. Genauso ist es da. Menschen, die sich kümmern, aber auch die Verstecke im Grünen, viel Platz zum Toben, aber auch zum Alleine sein.
    Camping ist klasse, machen wir auch seit Jahren. Allerdings warum eigentlich nicht genauso entspannt zuhause sein. Auf dem Campingplatz kann genauso viel passieren, wie daheim. Zuhause kann man doch Absprachen treffen, wie weit sie dürfen, oder wohin eben nicht. Und dann laufen lassen.

  • Liebe Uta,

    sosehr ich Deinem Post in vielen Punkten zustimme – Freiräume für die Kinder – so denke ich doch, dass viele Kinder in der „Betreuung“ mehr Freiräume hätten/haben als sie sie zu Hause mit den Eltern haben. Denn die Kinder, die ich zu Hause erlebe (privilegiertes Umfeld) werden meist von einer pädagogischen Freizeitaktivität zur nächsten gebracht, immer schön durchgetaktet ohne den Freiraum den sie im freien Spielen nachmittags in der Schule oder im Kindergarten haben. Wer auch schon nur Grundschulkinder alleine zum Spielplatz (direkt um die Ecke) ziehen lässt, wird komisch angeschaut.
    JA, mehr Freiräume für Kinder. Aber das die Zuhause automatisch eher da sind, glaube ich nicht. Ich war im Schulhort und auch da gab es genügend Freiheiten. Denn überall können die Betreuer gar nicht sein.
    Und ja, ich möchte! arbeiten, genauso wie mein Mann. Wozu habe ich studiert, wozu promoviere ich in der Technik? In einem Umfeld welches mir sehr viel Freude macht. Ich liebe meine Kinder, doch in einiger Hinsicht bietet ihnen der Kindergarten/Kinderkrippe wesentlich mehr Freiräume und Anregungen. So liebevoll und mit so viel Zeit kann ich mich den Kindern gar nicht widmen, wenn ich nebenbei Haushalt und alles andere schmeißen muss. Da bin ich gereizt und nicht immer eine gute Mutter. Mit dem Ausgleich der Arbeit bin ich wesentlich entspannter mit den Kindern. Mal sehen, noch teilen wir uns beide 50/50 die Betreuung des Babys (warum wird das meistens nur von der Mutter verlangt?) danach sind für beide 100% zeitlich versetzt gedacht. Wenn’s zuviel wird, wird bei beiden reduziert. Denn auf lange Sicht werde ich wohl den größeren Beitrag zum Familieneinkommen beitragen (wollen/können 🙂 ). Und leider bleiben nicht in allen Branchen die Jobs, wenn man aussteigt – und da würde ich die Technik durchaus dazu zählen. Da ändert sich auch schon in sehr kurzer Zeit sehr viel, wo man/frau den Anschluss verliert wenn man aussteigt.
    So genug geschwafelt. Ich glaube es kommt sehr auf das Konzept an, aber die Nachmittagsbetreuung in der Schule kann auch große Freiheiten bieten – mehr als die durchgetaktete Freizeit vieler Kinder zu Hause (von der Du ja aber auch kein großer Fan bist) und bis zum Schlafengehen ist danach auch immer noch Zeit für weitere Aktivitäten ganz ohne Aufsicht und mit all Deinen schöne Tipps.

    Schöne Grüße, das ApfelPhi

    Hecken im Garten zum Buden-Bauen. Das ist doch eh das beste!

  • Tja, ich mußte leider auch feststellen, Kinder spielen heute anders. Zu oft vergleich ich meine Kindheit mit der meiner Kinder (wir wohnen dörflich mit sehr großem Garten und etlichen „Ecken“) und stellte dies traurig fest. Der Kleine (11) wird/wurde von mit immer mal motiviert. „Geht doch mal zum Bach, Spielplatz, Maisfeld oder baut euch mal eine Butze, Versteck ….“ Weil diese Idee und und das selbsterdachte Spiel daraus scheinbar der Fantasie meiner Kinder nicht entspringt. Ich bin eigentlich auch sehr traurig darüber, habe es aber mittlerweile akzeptiert. Die heutigen kinder spielen einfach anders, aber wer will behaupten, dass sie nicht als Erwachsene ebensolche unwiederbringlich schönen Erinnerungen an ihre Kindheit haben wie wir? Aber den link werde ich mir auf jeden Fall noch einmal anschauen. LG Rike

  • Über Für und Wider der Ganztagsbetreuung und die Gründe, warum ich nicht 10 Jahre mit meinen Kindern zu Hause bleibe, will ich nicht diskutieren.

    Ich möchte erzählen von unserer Grundschule, in der unsere Tochter mit ihren Freundinnen und Freunden durch Büsche strolcht, Vögel beobachtet, Sandburgen baut usw. ohne ständige Anwesenheit von Erwachsenen.

    Und in der Schließzeit wirft sie Kusshände Richtung Schule ❤

  • Du sprichst mir aus der Seele. Wo will unsere Gesellschaft eigentlich hin?!
    LG,
    Kathrin
    PS: … oder mit dem Hund auf dem Rasen liegen und sich freuen, dass er an den Pfoten kitzelig ist 🙂

  • Ich kann dir da nur recht geben, das hast du sehr gut geschrieben!
    Für manche Kinder ist es sicher gut, in so einer Betreuung zu sein, nämlich solche, um die sich sonst auch keiner kümmert und die sonst vor dem TV oder PC hängen.
    Aber inzwischen sind es ja auch die Kinder aus den Wohlstandsvierteln oder am Stadtrand (wo ich wohne)…
    Ich selbst bin alleinerziehend, arbeite. Allerdings nur halbtags. An sich müsste ich mehr arbeiten (etwas mehr Geld und „Luxus“ und eben auch die Rente nicht zu vergessen…), aber dafür habe ich doch mehr Freiheit und auch mein jüngster Sohn hatte das. Er ging (in der Grundschulzeit) nach der Schule noch bis 14 Uhr in den Hort, dann holte ich ihn ab. Ich benötigte den Hort eigentlich mehr nur für die Ferienzeit, das andere hätte ich so hinkriegen können.
    Aber ich finde auch, dass Kinder viel mehr Freiheiten haben sollten… durch die Natur und „Wildnis“ stromern… mir tun auch die Stadtkinder leid… Bei uns gibt es Wiesen und Felder und Wald, wo Kinder viele Freiheiten haben (könnten). Aber viele sind doch wirklich „wegorganisiert“.
    Mein Sohn (jetzt 13) jedenfalls hatte noch Freiheiten, durch die Wiesen, Felder und Wald zu stromern… Blumen zu pflücken und zu verkaufen oder daraus „Parfüm“ hergestellt mit einer Freundin und verkauft…
    Und ganz ehrlich, diese Schulbetreuung kann mir auch keiner schön reden. Erstmal, wie du schon sagst, für MICH wäre das ein Horror gewesen nach der Schule noch in der Schule bleiben zu müssen… zumal die meisten Schulen eben wirklich langweilig sind, gepflastere Schulhöfe, mit Glück ein paar Spielgeräte, das war`s. Und das mit dem Betreuungsschlüssel ist wirklich nicht so doll, wie ich aus dem eigenen Familienkreis weiß.
    Mal abgesehen von dem Essen, das es dort gibt… auch nicht so dolle…
    Ähnlich empfinde ich es mit dem Anspruch auf einen Krippenplatz… ich habe jemandem im Familienkreis, der dort arbeitet… 15 Kinder für 2 Erzieher… wenn du als Mutter mit 7-8 Kindern allein wärst, hättest du unter Garantie das Jugendamt an der Backe… weil du es doch gar nicht leisten kannst mit so vielen Kindern… aber so wenig Erzieher für so viel Kinder? Die kommen unter Garantie zu kurz – und wenn man sich mal wirklich mit dem Thema Bindung beschäftigt… na ja.
    Nicht, dass ich falsch verstanden werde, ich bin keine Glucken-Mutter, die ihre Kinder immer und ewig bei sich haben will, nein, gar nicht – mein Sohn kam auch mit 2 in den KiGa und ich kann auch gut loslassen.

    Viele Grüße von Ann

  • Du sprichst mir absolut aus dem Herzen!! Der Zeitungsartikel hat bei mir eben solche Gefühle ausgelöst. Ob Hamburg sich damit wirklich rühmen kann?? Und dass die Kinder tatsächlich wenigstens pädagogisch betreut werden, kann ich an unserer Schule auch noch nicht so richtig sehen. Wir halten uns deshalb auch noch aus dem System heraus. Wobei ich mir manchmal mit meinen Ansichten schon etwas altmodisch vorkomme und es in der Klasse meines „großen“ Sohnes (9) tatsächlich auch schon schwierig wird, Verabredungen zu treffen.

    So richtige Vorstadtkrokodile sind meine drei Jungs deswegen aber trotzdem auch nicht unbedingt. Das Losziehenlassen finde ich in der heutigen Zeit auch gar nicht mehr so einfach. Und Computer und Co. nehmen bei den Kids auch immer mehr Raum ein, so dass die Kreativität manchmal etwas schwer herauszukitzeln ist.

    Deine Tipps klingen jedenfalls gut! Vielleicht muss ich da mal aktiver werden.

    Herzliche Grüße,
    Maike

  • Liebe Uta,
    danke für diesen wunderbaren Post! Auf Helgoland konnte ich genau diese tollen Dinge machen, die Du beschreibst. Meiner Tochter geht es da anders … und ich denke, dass ist auch „normal“ mitten in einer Großstadt. Da lasse ich sie auf keinen Fall allein umherziehen. Gut, mit zehn sieht das anders aus. Aber vorher? Da hätte ich echt Angst. Trotzdem sieht unser Plan so aus, dass sie (später) nicht an allen fünf Tagen in der Woche bis Nachmittags in der Schule sein soll. Unser Kiga ist ein Halbtags-Kiga. Obwohl, die haben auch bis 15 Uhr Betreuung … Ich hole die Lütte mittags. Mein Mann und ich haben uns bewusst dafür entschieden, dass ich halbtags arbeite. Auch, wenn ich kaum Geld verdiene …
    Nun bin ich es allerdings, die der Lütten nachmittags den Stress macht – mit div. Dingen. Woran wir ja mit deiner Hilfe arbeiten. Trotzdem ist das gar nicht so leicht, und das macht mich echt traurig. Denn, ich bin es ja, die es ändern könnte.
    Die Lütte ist in einem „viel-draußen-Kiga“. Für uns ein Muss. Jetzt erwische ich mich oft dabei, wie ich mich über die dreckige, selbstgenähte Hose aufrege, oder denke: wann basteln die mal wieder … Wieder mein Problem.
    Ich hatte (wegen der vielen Dinge nachmittags) auch darüber nachgedacht, unseren Schrebergarten zu verkaufen. Eine Verpflichtung weniger … Aber nein! Genau das ist es ja, was die Lütte braucht. Das möchte ich hinbekommen … Bilder gibt’s übrigens aufm Blog (werbemodus off ;-))
    Mir hat auch mal jemand gesagt: wenn ein Kind sofort bei jedem aufn Arm will, dann fehlt ihm das wohl zu Hause.
    Das Buch für faule Eltern brauch ich unbedingt 🙂
    So, und nun höre ich mal auf und schreibe lieber an meinem Projekt weiter, bevor das hier ein Roman wird 🙂
    Ganz liebe Grüße,
    Dorthe

  • Also, ich bin begeistert von der kita und Schule meiner Kinder, da sie ihnen genug Freiraum bieten um etwas zu entdecken und doch immer jemand da ist, falls was ist.
    Und auch wen wir hier in Berlin genau an einer Hauptstraße wohnen, der Wald, Parks und Spielplätze sind alle gleich in der nähe. Und es gibt hier auch zwei tolle Kinder und Jugend Clubs, die zwar einigesfür Kinder anbieten, aber sie auch wieder Platz zum selbst probieren gibt. Ich finde daher das wir es hier gut erwischt haben, da unsere Kinder hier noch Kind sein können und genug Möglichkeiten haben sicher zu spielen und trotzdem auch die Möglichkeit haben sich auszuprobieren und das gern auch mal allein.

  • Ich finde, es kommt sehr darauf an, wie Ganztagsunterricht gestaltet ist. Unsere Mittlere war in der dritten und vierten Klasse in der Ganztagsklasse. Die geht bei uns allerdings nur bis 15:45 Uhr, was bedeutet, sie war um vier zuhause und hatte keine Hausaufgaben mehr. Vormittags war normaler Unterricht und nachmittags nur noch die Sachen die Spaß machen, Sport, Workshops, Englisch und einen Nachmittag für Projekte wie z.B. Waldwochen… nichts mit Noten. Es war alles einfach entzerrter und das war für uns sehr gut. In anderen Schulen gibt es ja nur Hausaufgabenbetreuung, das ist meiner Meinung nach nicht zu vergleichen. Wir hatten zwei supertolle Lehrerinnen, besser hätte es nicht sein können und ich finde, unsere Grundschule hat das wirklich optimal umgesetzt (einziger Mangel: das Mittagessen war schrecklich). In der ersten und zweiten Klasse war sie in einer „normalen“ Klasse und hatte eine ganz furchtbare Lehrerin, die bei unserer Tochter, trotz vieler Gespräche, sehr viel kaputt gemacht hat. Ich finde also, man darf nichts pauschalisieren weil es in jeder Variante sehr darauf ankommt, was man daraus macht und das ist vor allem personenabhängig. Aber natürlich ist es auch ein großer Unterschied, ob man um vier oder um sieben nach Hause kommt!

    • In unserem Hort werden keine Hausaufgaben gemacht. Manche Kinder bleiben aber dort bis um 18 Uhr. Das Mittagessen soll auch nicht lecker sein und am Nachmittag gibt es keine Mahlzeit mehr. Ich bin nur froh, dass ich nicht auf dieses Angebot angewiesen bin.

  • Ich bin sprachlos!
    Der Post war mir jetzt zu schwarz/weis. Es kamen mir zu viele Klischees vor.
    Dazu sind die Lebenssituationen, die beteiligten Personen und Betreuungseinrichtungen so unterschiedlich in ihren Angeboten bzw. Bedürfnissen.

    Liebe Grüße
    Alex
    Es muss jeder für sich beurteilen, was für ihn richtig ist und ich persönlich fühle mich gerade in eine Schublade gezwängt.
    Ganztagsbetreuung heißt nicht, daß ein Kind nur noch zum Schlafen zu Hause ist.

    • Das muss es nicht heißen, kann es aber. Unser Hort öffnet morgens um 6 Uhr und schließt abends um 18 Uhr. Wann soll da ein Kind noch zuhause spielen und die Beziehung zu Eltern und Geschwistern pflegen? Zumal in unserem Hort keine Hausaufgaben gemacht werden…

  • hallo,
    also ich arbeite ja im Hort an einer Grundschule- zumindest tat ich das, bis ich in Elternzeit ging… ^^
    Bei uns in der Einrichtung gab es diese Ecken, die die Kinder lieben, wo sie sich zurückziehen können- aber natürlich schaut man da vorbei, guckt ob alles ok ist und lässt die Kinder dann weitermachen… Wenn die Eltern berufstätig sind, finde ich es besser die Kinder in der Betreuung zu haben, als stundenlang alleine zu Hause- denn die Kumpels sitzen ja alle in der Betreeung… und immer alleine Abenteuer bestreiten müssen erscheint mir da schon langweilig….Die Kinder können Angebote wahrnehmen, können aber auch einfach „nur“ spielen- je nachdem was sie möchten…(ujnd je nachdem was versicherungstechnisch möglich ist *seufz*)
    Das ist die eine Seite….
    Die andere Seite sehe ich als Mutter von 2 Kindern… Wir haben glücklicherweise ein Häusle am Stadtrand, mit kleinem Garten, Feldern und einem kleinen Wäldchen in der Nähe…
    Meine Tochter liebt typisch Mädchen Kleider und Röcke und eine befreundete andere Mutter fragte mich letztens wie ich das nur aushalte, da doch immer mal wieder kaputte Strumpfhosen etc. hier nach Hause kommen- ich finde es herrlich. Ich habe nämlich ein Räubermädchen, das es liebt auf Bäume zu klettern und ich finde es super, dass ich ihr das auch bieten kann, nix mit Achtung: Autos auf den Straßen, sie kann sich hier im Gebiet bewegen ohne dass ich in ständiger Angst lebe, dass etwas passiert…
    Und in unserem Garten ist bei den Kindern die Ecke am beliebtesten, die quasi um die Ecke der Terrasse liegt- weil nicht ständig einsehbar von uns Erwachsenen… ist doch herrlich- auch wenn da die größten und merkwürdigsten Ideen ausgetüftelt werden ^^
    Und natürlich haben wir auch das obligatorische Klettergerüst mit Schaukeln im Garten stehen- von dem ist mein Sohn gestern runtergefallen… da nützt auch das Siegel nichts… wichtig ist, dass er wieder aufsteht und sich traut nochmal draufloszuklettern…
    Und wir planen in ein oder 2 Jahren mit den Kindern gemeinsam ein Baumhaus in unseren Kirschbaum zu bauen- mal sehen wie das so werden wird…

    Aber wieviel Möglichkeiten haben die Kinder heutzutage noch fernab vom eigenen Garten, eingezäunten vorgefertigten Spielplätzen, sich wirklich frei zu bewegen? Ohne dass wir Eltern Angst haben müssen, weil ja soviele autos, motorräder, straßenbahnen etc. in unserer direkten Umgebung langdüsen?

    Außerdem hat es noch einen Nachteil, wenn Kinder so frei aufwachsen:
    Meine Tochter hinterfragt vieles, weiß vieles besser etc. Da meinte doch tatsächlich mein Vater, dass wir selber Schuld wären- das kommt nämlich davon, wenn man seinen Kindern die Wahl lässt und sie so frei aufwachsen lässt- dann bekommt man keine Kinder die ohne zu hinterfragen hören… nein, dann bekommt man anstrengende, herrlich lebendige Kinder- wir sind da also selber Schuld und das findet er herrlich- denn aus Sicht des Großvaters, kann er sich ja ganz entspannt zurücklehnen und muss sich mit Erziehungsfragen nicht auseinandersetzen…. ^^
    Also ich finde es auch herrlich, dass meine Kinder so frei aufwachsen können, achte aber auch darauf, dass sie gewisse Regeln kennen, wie beispielsweise auf Autos achten etc- trotzdem mache ich mir Sorgen, wnen sie alleine mit Freunden durch die Gegend ziehen…

    Und trotzdem geht meine Tochter stundenweise in die Betreuung, weil dort von 24 Klassenkameraden außer ihr noch 22 andere sind und sie den Anschluss haben soll… und dann nehmen wir ab und zu einen Freund oder eine Freundin zum spielen mit zu uns:)

  • Ich geb Dir sooo recht! Unsere Tochter war zusammen mit einem anderen Kind das Einzige, das nicht vorher schon in der Kita war – mit 3! Klar müssen manche Eltern arbeiten gehen, aber viele haben es hier gemacht um selber mehr Freizeit zu haben. Dafür hätt ich meine zweijährige nie abgegeben! Mein Sohn (8) hat Gott sei Dank noch einen Freund, der mittags auch heimgeht, zwei Kinder gehen auch noch nach Hause. Alle anderen sind auch irgendwie betreut. Mir kommt das immer vor wie das Haus in das die grauen Männer Momo bei Michael Ende stecken. Ich bin total gegens abgeben, lieber arbeite ich weniger und verzichte dafür auf Geld und Altersvorsorge. Das ist mein Beitrag für meine kids. Im Übrigen bin ich selber ein Kind von arbeitenden Eltern gewesen, oft von Oma betreut – ich habe Kinder deren Mutter zu Hause war sooo oft beneidet, wenn ich wieder im anderen Ort bei meiner Oma aufs Abgeholt werden gewartet habe oder alleine zu Hause war.

    • Ich habe meine Kinder mit 2,5 Jahren in die Halbtagskita (8 bis 13 Uhr) gegeben, weil sie dort mehr Anregung bekommen konnten als zuhause und weil sie dort Freunde finden konnten. Wir sind nämlich damals umgezogen und kannten in der neuen Gegend niemanden, und die einzigen Kinder, die wir mal in der Nachbarschaft gesehen haben, wurden immer gerade ins Auto gestopft (morgens) oder vom Auto ins Haus geschickt (abends). Auf dem Spielplatz sind wir meist allein. Da kann man keine Kontakte knüpfen.
      Außerdem erspart man sich so den ewigen Kampf ums Mittagessen, in der Kita haben die Kinder oft Sachen gegessen oder wenigstens probiert, die sie zuhause nicht einmal auf dem Tellerrand ertragen konnten.

      Ich war als Schulkind selbst auch im Hort, jeden Tag bis 17 Uhr, mit Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung. Meist war ich die letzte, die abgeholt wurde und einmal hat man mich sogar vergessen und eingeschlossen. 😮
      Ich war nicht gern dort, weil ich von einigen anderen Kindern gemobbt wurde und keine Möglichkeit hatte, mich wirklich zurück zu ziehen. Die Erzieherinnen sagten nur: „Macht das unter euch aus.“
      Später – so mit 10 Jahren – durfte ich nach dem Mittagessen nach Hause gehen und habe das jeden Tag so gemacht. Dort konnte ich mir auf der Straße meine Freunde selbst aussuchen oder halt zuhause bleiben und lesen. Klar hätte mir da etwas passieren können. Aber mir war und ist die Freiheit viel wichtiger als die Sicherheit. Und meine (alleinerziehende, ganztags berufstätige) Mutter war auch entspannter, wenn sie nach der Arbeit gleich nach Hause kommen konnte, statt pünktlich im Hort sein zu müssen.

  • Liebe Uta,
    du schreibst mir aus der Seele, ganz aktuell nach dem Wechsel aufs Gymnasium und dem damit verbundenen G8. Aber ich fürchte, das habe ich für MICH festgestellt, der Ansatz ist romantisch verklärt. Die Zeiten ändern sich und die Menschen auch. Vielleicht hat sich gar nicht so viel verschlechtert, sondern nur verändert? Vielleicht verlaufen Kindheiten heute einfach anders, als vor 30 Jahren? Und es bleiben unseren Kindern trotzdem glückliche Erinnerungen? Wir werden’s wissen, vielleicht in 30 Jahren … Ganz liebe Grüße von Sabine
    ?

  • Oh, du sprichst mir aus der Seele! Wobei, dein Text kann so oder anders gewichtet werden. Denn es ist nicht nur die Ganztagsbetreuung, welche die wilden Kindheiten verschwinden lässt. Neulich gesehen: zwei neugebaute Einfamilienhäuser. Beim einen ein „professionelles“ (von den Eltern oder vom Schreiner gebautes) Baumhaus. Kurz darauf auch eines beim Nachbarhaus. Aber: In beiden habe ich noch NIE ein spielendes Kind gesehen. Die Eltern haben gar nichts verstanden…
    Tom Hodgkinsons Manifest hängt bei uns auf dem Klo. So kann man es immer wieder in aller Ruhe studieren. 😉

  • Liebe Uta, als sonst stille und sehr angetane Mitleserin, habe ich mich etwas über diesen Text geärgert. Denn es war doch klar, dass alleinerziehende Mütter wie ich sich hier zutiefst getroffen fühlen? Ich habe keiner Alternative, als bis 16 Uhr zu arbeiten und mein Noch-Grundschulkind erst danach abzuholen!! Und dabei arbeite ich dann zuhause weiter am Rechner, sobald mein Kind im Bett ist – kein schöner Zustand. Und alleine in meinem engsten Freundeskreis geht es schon 3 Müttern ebenso – gänzlich ohne Familie und nur mit wechselhafter Unterstützung durch die Väter und in der teuren Stadt lebend.
    Bitte keine pauschalen Happy-Family Idealbilder fordern, wenn die Realität dies so oft nicht zulässt. Oder zumindest einen Hinweis auf uns geben. Ich selbst bin zum Fan der „Quality Time“ geworden – unsere gemeinsame Zeit ist heilig und wir sind sehr innig. Urlaub verbringen wir aber meist im großen Freundeskreis, mit vielen Erwachsenen und Kindern und somit mit Seelenfrieden für alle.
    Außerdem: Die These, der Job bleibt aber die Kinder gehen irgendwann – das ist äußerst naiv. So tickt die Wirtschaft leider nicht…
    Ich würde mir hier eine differenziertere Sicht wünschen, zumal doch so viele Post sonst so wunderbaren Überlegungen folgen und in meinen Augen in die richtige Richtung appellieren!
    Ach, und zur Betreuung: Mein Kind bekommt ein leckeres warmes Mittagessen, wird während der Hausaufgaben betreut und kann danach mit seinen besten Freunden spielen, auch in einem riesengroßen Garten mit viel Holz und Werkzeug und Bäumen, Sand und Matsch etc etc. Letzteres kann ich ihm nicht in der Nähe bieten und seine Freunde sind einem fast Zehnjährigen immer häufiger wichtiger als die Mama ;-). Auch hier: Bitte keine Pauschalaussagen.
    Und ich würde zu gerne auch weiterhin still mitlesen, dabei zustimmend nicken, den ein oder anderen Juul zum Nachlesen rauskramen und mich bestätigt fühlen :-).

    Viele beste Grüße von einer hart arbeitenden Mutter, die dennoch Elternbeirätin ist und sich demnächst Urlaub nimmt, um die Kinder mit während der Klassenfahrt zu begleiten…weil sich leider keine der der derzeit nicht berufstätigen Mütter dazu aufraffen konnte!

  • Wir wohnen zweifach, einmal auf dem Land einmal in der Stadt. Auf dem Land gibt es bei uns die Freiheit: “ Ich bin dann mal weg, Mama“ und dann hat man selbst bei 5-jährigen keine Ahnung, was sie die nächsten 3 Stunden machen und irgendwann kommen dann ein dreckverschmiertes Kind nach Hause, das einem nicht verrät was es gemacht hat, das aber zufrieden ist. Weniger zufrieden ist man selbst, wenn einem das Kind auf dem alten Kirschbaum freundlich zuwinkt und man befindet sich im zweiten Stock des Hauses und weiß ganz genau wie morsch der alte Kirschbaum ist. Das ist das Wochenende oder die Ferien bei uns. Unter der Woche war meine Tochter bisher in einer Kita (Ganztag) und da die Kita alt war, gab es auch hier Nischen, Verstecke, und ganz viel Schlupfwinkel, so dass man auch mal was machen konnte ohne dass es gleich entdeckt wurde und v.a. es gab wenig Spielzeug. Einfach prima. Abholen vor dem Ende der Kita, ne das ging ganz selten, das wollte sie nicht. Auch hier unter der Woche beim Abholen ein zufriedenes Kind.
    Jetzt wechselt sie in eine Ganztagesschule. 4 x die Woche 8-16 Uhr. Jeder von uns großen arbeitet „nur“ 4 Tage die Woche. 3 x die Woche 8-16 Uhr hätte von uns als Familie auch gereicht. Aber es gibt Alleinerziehende, die kein Gehalt haben bei der nur ein bißchen Reduzierung geht und man mit 100% kaum über die Runden kommt. Da ist die Ganztagesschule zwingend und alle Romantik hilft nicht. Der Staat kann nicht für jeden das Wunschsystem bereitstellen. Ich wünsche mir auch eine Schule, in der es viel Freiraum gibt, große Außenflächen und vor allem eine eigene Küche. Die Realität ist anders. Und den Freiraum den Schulranzen nach dem Mittagessen in die Ecke zu pfeffern und zu sagen ich gehe raus und zum Abendessen zurückzukommen gibt es nicht. In der Stadt ist das aber auch in einem Halbtagesschule kaum mehr Realität. Hier fahren die Eltern dann nachmittags die Kinder durch die Stadt zu Karate, Englisch, Akrobatik, Geige und Co. und das wenigste machen die Kinder selbständig. Nicht alles hängt am Schulsystem, der Stadt-Land-Faktor scheint mir aus meiner Perspektive auch sehr gravierend. Ich bin daher ganz froh, dass wir ein bisschen von beiden haben und gehe jetzt erstmal ganz positiv an das Thema Ganztageschule heran.

  • Ohne Ganztagsbetreuung auszukommen wär gut und schön, wenn man nicht arbeiten müsste, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Grundschulkinder ab 13 Uhr zuhause, das mag ein nettes Modell sein, wenn das Geld für Miete, Versicherungen und Essen aus anderen Quellen sprudelt, oder man Großeltern hat, die sich nachmittags kümmern. Ohne das ist man für die Ganztagsschule dankbar, denn als arbeitenmüssende Mutter weiß man dann zumindest, dass das Kind beaufsichtigt ist – auch wenn es nicht so anregend seine Nachmittage verbringen kann, wie das in Dorffreiheit möglich wäre.
    Ich hatte diese Freiheit als KInd, weil ich nicht in der Innenstadt aufgewachsen bin, weil es viele Kinder in meinem Alter gab, die nachmittags alle draußen unterwegs waren – zusammen. Wo sollen die Kinder denn in der Innenstadt einer Großstadt zusammen hingehen und freie Abenteuer erleben mit 7 – 12 Jahren, wenn niemand einen Garten hat? Zumal sich – zumindest hier – keine Zehnjährigen mehr finden, die den Nachmittag ohne Computer verbringen möchten.
    Was hier bleibt ist nur der Kompromiss – faul hin oder her – aus Ganztagsschule und Wochenend- und Urlaubsabenteuer in der Natur. Wobei ich für letzteres Campingplätze wirklich unbedingt empfehlen kann. Das ist heute noch Kinderfreiheit pur.

    Herzlich, Katja

  • Was habe ich für ein Glück, dass ich meine Kinder frei wählen lassen kann, ob sie lieber
    Mittags nach Hause kommen wollen (und ich auch Zuhause sein kann) oder in die Ganztagsschule gehen wollen.
    Und meine Kinder haben sich für Nachhausekommen entschieden. Meine Kinder sind 13,11 und 8 Jahre alt und sind solche Wald-und Wiesenkinder.
    Ich finde es auch traurig, wenn manche Kinder eben nicht dieses freie Leben in der Kindheit kennen lernen können. Aber ich sehe es ein, dass es in vielen Familien aus den verschiedensten Gründen nicht geht.
    Aber wenn Ganztagsschule oder Nachmittagsbetreuung, dann bin ich auch für freies Spiel und Möglichkeiten wie du im Post aufgezeigt hast, das ist unglaublich wichtig. Finde ich auch!
    Fröhliche Grüße,
    Eleonore

  • Wie in den Kommentaren nun schon oft angesprochen, entsprechen bereits viele Ganztagsbetreuungsangebot deinen Wunschvorstellungen. An unserer Schule gibt es sogar den Hund, den eine Leserin für den Nachmittag herbeisehnt. Es ist widersprüchlich zu beklagen, dass durch das überpräsente „Aufsichtspersonal“ kein Freiraum und kein Geheimnis unentdeckt bleibt und auf der anderen Seite zu befürchten, dass den Kindern zu wenig gewünschte Zuwendung, gar Trost zukommen könnte! Ich bin froh, dass meine Tochter eine Schule hat, in der sie bis 15:00 Uhr gut betreut und unter Freunden ist. Zeit für andere Freunde ist übrigens auch noch danach! Nur sehr selten bedeutet „Ganztag“ eine „Verwahrung“ bis 17:00 Uhr oder länger! Wie traurig wäre es überdies, wenn sich in den Betreuungsgruppen nur die Kinder alleinerziehender Eltern aufhalten würden (denn wenn ich das richtig verstanden habe, hattest du für solche und ihre Zwänge noch Verständnis…) Da kämen die Kinder aber schnell dahinter, dass das Schicksal sie hier vielleicht ein zweites Mal gekniffen hat. Nein, obwohl wir zwei Elternteile sind und nicht jeden Tag bis 15:00 Uhr arbeiten müssen (manchmal nur bis eins oder zwei, manchmal gar nicht, manchmal einer länger…) – finden wir es eine erstklassige Möglichkeit, dass unsere Tochter so sehr geregelte Tage und im Übrigen auch noch jeden Tag ein sehr gutes, abwechslungsreiches Mittagessen hat. Das kann ich von meiner manchmal sehr knapp bemessenen Mittagspause nicht immer behaupten!
    Vielleicht haben wir eine Superschule erwischt, vielleicht ist es aber auch längst nicht mehr alles so schwarz-weiß-böse-gut-einfach, wie du es teilweise darstellst. Vielleicht war es das aber auch noch nie, denn ich erinnere mich sehr gerne an meine DDR-Hort-Zeit und habe erstaunlicherweise trotzdem sehr viele Erinnerungen an freies Stromern am See – dafür muss also irgendwie auch noch Zeit gewesen sein – am Wochenende vielleicht?!?

  • Liebe Uta,

    die Herzbuben feilen im Garten stundenlang an Ytong-Steinen, schleppen aus dem angrenzenden Park Riesenäste in unseren Garten und streunern begeistert durch das Wildgehege in der Nähe. Mit Papa wird am Wochenende immer im Garten gewerkelt. Zusammen haben sie schon einen Holzunterstand gebaut und Teile des Kaninchenstalls gestrichen. Danach musste ich mit dem großen Herzbuben mal schnell zum Friseur, die Farbe rausschneiden lassen. Bei schlechtem Wetter werden Geräte auseinander geschraubt oder, wie heute, aus Pappmaché Astronautenhelme gezaubert. Leider sind sie nicht fertig geworden, der kleine Herzbube hatte eine Murmel verschluckt und musste geröngt werden. So etwas bringt schon mal den großen Plan durcheinander.
    So wie es aussieht, wird der große Herzbube auch in die Ganztagsbetreuung gehen, da die passende Schule für ihn eine Ganztagsschule ist. Das macht mich schon ganz traurig, aber wir haben ja noch ein Jahr. Und ich hoffe, dass die Kinder nicht einfach nur beaufsichtigt werden.
    Ich glaube, ich war als Kind fast nur draußen: Lagerfeuer machen (mit den Großen), sich mit Vogelbeeren gegenseitig „bemalen“, Fußball spielen, im Sommerregen auf dem Rasen herumtoben, im Winter Iglus bauen …
    Ach, irgendwie löst der Beitrag heute eine leichte Schwere (geht das eigentlich?) aus.
    Liebe Grüße,
    Frieda

  • Schön zu lesen, dass es anscheinend in Deutschland auch „gute Nachmittagsbetreuung in der Schule“ gibt. Wir haben hier in NRW an unserer Schule leider das komplette Gegenteil erlebt.
    Die sogenannte „Hausaufgabenbetreuung“ (Ziel, war, dass die Kinder um 16.00 Uhr mit allem was schulische Aufgaben betraf, fertig sein sollten) war total chaotisch. Die Kinder wurden gehetzt in einer viel zu knapp bemessenden Zeit die Hausaufgaben zu erledigen. Hilfestellung gab es gar nicht, es wurde nur von einer „Erzieherin“ bzw. „Honorarkraft“ beaufsichtigt.Somit wurden die Hausaufgaben nie vollständig erledigt, sondern das Kind durfte dann noch um 16.30 h nach kurzer Verschnaufpause die restlichen Hausaufgaben nachholen, während die Nachbarskinder schon alle draußen spielten! Da war der Frust schon vorprogrammiert.
    Desweiteren MUSSTEN in der Woche 3 Pflicht-AG’s besucht werden, nicht das die Kinder etwa beim freien Spielen noch auf dumme Gedanken kommen könnten. Ebenso wurde das Mittagessen im Eiltempo eingenommen, ständig wurden die Kinder zur Eile angetrieben….man müsse doch gleich schnellstens in „Hausaufgabenbetreuung“ sonst käme der Zeitplan für die anderen Klassen durcheinander. Nach 2 Jahren habe ich meinen Job gekündigt und meinen Sohn aus der „wunderbaren“ Ganztagsbetreuung rausgenommen.
    Jetzt arbeite ich nur noch stundenweise im Vormittagsbereich….und unserem Kind geht es deutlich besser! Also liebe Mütter, wie ihr seht in unserem Fall hat Uta’s Beitrag absolut seine Berechtigung. Es ist wirklich toll, dass es hier anscheinend auch sehr gute Erfahrungen mit dem Ganztag gibt, leider können wir diese aber nicht teilen.

    liebe Grüße
    Carina

    • Hallo Carina! Ähnliches wie du schilderst hab ich auch von einer Freundin in NRW gehört, die ihren Sohn schließlich abgemeldet und ihre Stundenzahl gekürzt hat.
      Bei uns ist es so ein Mittelding: Ich bin froh, überhaupt einen Ganztagsplatz zu haben, brauche ihn aber an drei Tagen nicht wirklich. Ich bin froh, das Thema Hausaufgaben an die Betreuung „delegieren“ zu können, weil das bei uns immer zu solchem Stress und Gemotze führt. Und trotzdem bin ich mit der Betreuung nicht richtig glücklich. Mein Sohn fühlt sich nicht richtig wohl, seine Kumpels sind in anderen Betreuungsgruppen, man geht erstaunlich wenig raus (trotz riesigem grünen Schulgelände), da man nach 15:00 Uhr die Aufsichtspflicht nicht gewährleisten kann (zu wenig Personal – nach 14:00 Uhr nur noch 1 Kraft für potenziell 30 Schüler). Ich hab es noch nicht erlebt, dass die Kinder am Nachmittag einfach so auf dem Gelände herumgestromert sind….wirklich happy macht mich das auch nicht, aber ich habe keine Alternative. Ich versuche immer, das Kind so früh wie möglich abzuholen. Aber wie schon andere sagten: Die Kinder aus der Nachbarschaft kommen erst am späten Nachmittag aus ihren jeweiligen Grundschulen (es gibt hier zwei, eine Regelgrundschule mit Betreuung durch einen Förderverein, eine Montessori-Ganztags-Schule) oder weiterführenden Schulen nach Hause, teilweise müssen noch Hausaufgaben fertig gemacht werden – mit wem sollte der Bursche da spielen?? Das Feld ist nicht weit, der Weg führt aber über eine „Raserstrecke“. Da dürfen viele der Kinder alleine nicht rüber… so ist der Radius eher begrenzt…Naja, ich glaub trotzdem nicht, dass er unglücklich ist. Und es ist auch so, wie andere sagten: Die Kinder spielen heute anders als wir. Die Bullerbü-Kindheit, die gibt es bei uns in der kleinen Großstadt eigentlich nicht mehr…

  • Liebe Uta!
    Ich arbeite in einer Mittagsbetreuung, die Grundschulkinder bis 14Uhr betreut.
    Wir tuen wirklich unser bestes, den Kindern eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie Kind sein können, sich ausruhen können, Geborgenheit, aber auch ein wenig „Freiheit“ erleben können.
    Die Rahmenbedingungen sind äußerst mies: Baumaterial, Hecken, alles verboten. Buddeln im Matschpfützen von der Schulleitung untersagt und selbst das Fußballspiel durfte im letzten Jahr nur an 2! Tagen der Woche stattfinden.
    Am meißten schockiert mich, was die Eltern ihren Erstklässlern zumuten. Die werden trotz anderer Absprachen gnadenlos bis 14 Uhr in der Betreuung geparkt, ohne dass dies aus beruflichen Gründen erforderlich ist. Die Kinder sind nach einer Woche total am Ende, weil die Eltern nicht bereit sind, auf irgendein „Privatvergnügen“ zu verzichten.
    Viele dieser Kinder bringen nicht ein Mindestmaß an Sozialverhalten mit, können nicht mehr spielen, aber kennen jede Star Wars Folge (mit 6!), da kann ich mir gut vorstellen, wie die Nachmittagsgestaltung aussieht.
    Es wird Zeit, endlich familiengerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen, obwohl ich vermehrt den Eindruck habe, dass Eltern gar keine Lust mehr haben, mit ihren Kindern zu LEBEN.
    Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung an die Pädagogen ins Unermessliche.
    Ich frage mich, wie diese Generation in 10-20 Jahren aussieht?! Ich bin mir sicher, dass dies keine gute Entwicklung ist und stimme Deinem Post voll zu.
    LG Michaela

  • Liebe Uta,

    ich finde das auch traurig.
    Vorhin habe ich meinen Großen zur Schule gebracht. Der Hort (Betreuung von 6 bis 18 Uhr) platzt aus allen Nähten, während in unserer Halbtagskita (8 bis 13 Uhr) noch zwei Plätze frei sind.

    Wir haben einen schönen, verwilderten Spielplatz gleich um die Ecke. Ich gehe zwar mit, weil mein Kleiner (3) noch zu klein ist, aber ich setze mich auf die Bank und lese oder stricke. Ich bin nur da für den Fall dass sich einer weh tut oder so. Die Kinder sind dort viel außerhalb meines Blickfeldes zugange und wir finden es prima.

    Mein Sohn geht mittags nach der Schule nach Hause, unter anderem um mit dem kleinen Bruder spielen zu können. Ich finde es wichtig, dass sie ein gutes Verhältnis miteinander haben. Und ich will auch Zeit mit meinen Kindern verbringen, erfahren, was sie bewegt. Kontakte zu Schulfreunden gibt es genug in der Schule und vorher in der Betreuung ab 7:30 Uhr, die wir nutzen, um eine gewisse Routine einhalten zu können, weil der Unterrichtsbeginn jeden Tag zu einer anderen Zeit ist. Das verwirrt die Kinder nur.

    Ich kann es verstehen, wenn Eltern auf zwei volle Gehälter angewiesen sind oder jemand allein erziehend ist und es wirklich nicht anders geht. Aber eigentlich ist es ein Fehler im System, denn früher ging es doch auch. Da hatten auch alle genug zu essen und ein Dach über dem Kopf. Aber die Ansprüche steigen ja immer weiter, jeder hat ein Smartphone und ein Auto, ständig neue Klamotten im Schrank, das muss ja alles bezahlt werden. Und damit alles schön billig ist, wird die Arbeit auch schlecht bezahlt, die Sachen gehen schnell kaputt und können nicht repariert werden. Früher saß man abends beisammen, einer stopfte Socken, einer reparierte das Radio. Die Kinder waren dabei, durften helfen und haben gleich etwas für’s Leben gelernt. Heute hat man Konsum-Hobbys.

    Es wäre doch schön, wenn Mama und Papa je 20 Stunden in der Woche arbeiten könnten, um die Kinder zu einem großen Teil selbst betreuen und erziehen zu können. Oder einer bleibt ganz zuhause, der andere arbeitet 40 Stunden. Warum nicht? Hausfrau zu sein, war jahrhundertelang ein angesehener Beruf. Warum darf man den heute nicht mehr wählen ohne von der Gesellschaft kritisiert zu werden? Warum gibt es keine Versicherung, die Hausfrauen und -männer sowohl im Falle einer Scheidung als auch im Todesfall absichert und für eine vernünftige Rente sorgt?

    Liebe Grüße,
    Henriette

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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