Habe ich als Kind aufgeräumt? 

 01/05/2015

Von der Konfirmation morgen und vom Kraft-Schöpfen durch Aufräumen.

Gerade lese ich „Magic Cleaning“, den Bestseller der Japanerin Marie Kondo, in dem es darum geht, wie man am besten aufräumt. Auch wenn ich finde, dass man in dem Buch viele Sätze ausmisten und Wörter entsorgen könnte, weil es mir in jedem Kapitel zu lange dauert, bis sie auf den Punkt kommt, bin ich sehr inspiriert von dem Buch. Schon die Vorstellung, dass ich bald nur noch von Sachen umgeben sein werde, die ich wirklich mag und mich glücklich machen, gibt mir Kraft. Ich lese ein Kapitel und bin dann ausgerichtet wie ein Pfeil im Flitzebogen. Das ist Uta, das sind die Dinge, die sie mag, und die ausdrücken, wer sie sind. Weg da! Hier komme ich!
Nun sieht es bei uns schon länger so aus, als wäre Marie Kondo mit ihrer Armada aus Müllsäcken da gewesen. Aber es gibt noch Schwachpunkte im Keller, auf dem Dachboden, beim Papierkram und den Weihnachtssachen. Vielleicht liegt es an diesen letzten Schmuddelecken, dass mein strahlendes Vorbild noch nicht richtig wirkt bei den Kindern. In Wahrheit zeigen sie sich davon sogar völlig unbeeindruckt. Jeden Tag gehen sie durch ein  aufgeräumtes Wohnzimmer, einen Flur mit parallel ausgerichteten Schuhen, steigen eine Treppe hinauf, auf der nichts liegt außer dem Glöckchen, das zum Essen ruft, und treten in ihre Zimmer. Wenn ich sie wäre, würde mich jeden Tag der Schlag treffen.
Wenn sie dank der Hinweise auf meinen Türschildern aufräumen, was zwar selten ist, aber durchaus vorkommt, trete ich immer freudig neben ihr Bett und kann es nicht lassen zu sagen: „Na, ist das nicht herrlich? Fühlt sich das nicht viel besser an?“ Mit ausgebreiteten Armen drehe ich mich auf dem leeren Teppich. „Diese Klarheit! Merkst du nicht, wie sich auch innerlich alles neu sortiert?“
Inzwischen nervt Kronprinz und Prinzessin wohl weniger das Aufräumen als ihre Mutter, die dabei auf Erweckungserlebnisse hofft. Das Merkwürdige ist, dass ich mich überhaupt nicht daran erinnern kann, als Kind je aufgeräumt zu haben. Was war mit meinen ganzen Kleidern? Was war mit dem roten Pullunder, den ich in der fünften Klasse zu der blauen Bluse trug? Habe ich ihn zusammengelegt und die Bluse auf einen Bügel gehängt? Blackout. Die Sporthose und die Knieschoner für das Volleyball-Training: Habe ich sie zum Lüften ausgebreitet und dann in die Wäsche getan? Keine weiteren Fragen. Ich kann sie nicht beantworten.
Das Mädchen mit dem Fetzenkleid, das man sah, wenn man auf dem Klo im unteren Bad hockte und lange genug auf die marmorierten Bodenfliesen starrte, könnte ich nachzeichnen, den Himmel aus Clematis-Blüten, wenn ich in der Pergola schaukelte und fast in die Ranke flog, ein Parfüm könnte ich kreieren aus dem Geruch in der Heißmangel meiner Großtante. Aber irgendein Aufräumen oder Ausmisten fand in meiner Kindheit nicht statt. Zumindest nicht von meiner Seite.
Jetzt wollte ich mich nur noch mal melden, bevor wir morgen die Konfirmation von Prinzessin feiern und ich gleich die Türschilder für den Endspurt schreibe (Kronprinz: Rasenmähen, Kleider aufräumen; Prinzessin: Schneise schlagen bis zum Bett, Haarbürsten säubern, bevor die Nachbarin kommt zum Konfer-Frisur-Bauen). Aber jetzt frage ich mich, was wohl in Erinnerung bleiben soll von dem großen Tag der Konfirmation?


Freude, Liebe und der Anblick von Himbeertorte auf meiner neuen Etagère. Die Pumps abstreifen und Tischtennisrundlauf spielen. Genießen, dass sie alle kommen, die Großeltern, die Tanten, die schönen Cousinen. Die Aufregung, was man heute noch schafft (oder auch nicht) und an den Torteletts schnuppern, die auf dem Schrank stehen und auf Erdbeeren warten.
Liebe Prinzessin, ich weiß, dass es dir schnurzpiepegal ist, dass die Vorhänge nicht gewaschen sind und der Sack mit dem Grünmüll es nicht mehr bis zum Recyclinghof geschafft hat. Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag heute und morgen und vielleicht kannst du noch einmal dein Bettzeug zum Fenster raushängen und wie einst als kleines Mädchen sagen, dass du deine Decke „erkälten“ willst.
Ich wünsche dir (Gott-)Vertrauen in das Leben und dass du immer mehr du selber wirst, ob mit oder ohne Aufräum-Klarheit! Alles Liebe zur Konfirmation,
deine Mum
Ps: Ein großes Dankeschön an die Schwiegereltern! Weil ihr uns so unterstützt, haben wir keinen Stress und können alles schön machen.

  • Liebe Uta, was für ein schöner Beitrag. Übrigens auch ich frage mich des öfteren, ob es das Wort „aufräumen“ in meinem Wortschatz vor vielen vielen Jahren überhaupt gegeben hat.
    Doch heute benutze ich es vielleicht viel zu oft. Dabei kenne ich kein anderes Wort, das bei uns zu Hause noch weniger Wirkung zeigt.
    Ich wünsche Euch ein schönes festliches und langes Wochenende.
    Dita

  • Liebe Uta,
    oh, diesen Geruch von der Mangel meiner Oma habe ich auch noch so gut in der Nase. Die „Beziehung“ zu meiner Oma hat sich irgendwann leider „erkältet“, aber immer, wenn ich hier an einer Wäscherei vorbeikomme und es riecht nach gemangelter Wäsche, muss ich an die Zeit damals denken.
    Dein kleiner Text an Prinzessin rührt mich richtig…ich weiß auch nich…bei so was werde ich immer ganz sentimental…
    Für euch eine wunderschöne Zeit!
    Ganz liebe Grüße,
    Dorthe

  • Liebe Uta,
    einen wunderschönen und unvergesslichen Tag wünsche ich dir.
    Um den entsorgten Ballast beneide ich dich sehr. Ich schaffe es nur auf Millimetern, hier für mehr Ordnung und Luft für mich zu sorgen. Jeder Einkauf beim Möbel-Schweden zaubert Ordnungsboxen in mein Auto und doch lichtet es sich wenig.
    Mein großer Herzbube mit seiner Vorliebe für Kabel und Geräte, der Struktur so sehr braucht, lebt in einem wahren Kabelsalat. Immer mal wieder trennt er sich von einst geliebten Platinenträgern und im nächsten Moment schleicht er freudestrahlend mit einer neu ergatterten Kaffeemaschine die Treppe hinauf Richtung Kinderzimmer.
    Der kleine Herzbube malt, was die Minen hergeben und verteilt seine Werke und Utensilien, wo es geht.
    Und wir Erwachsenen träumen von einem großen Spielzimmer im Keller, aber ach! – es ist Frühling, da sind wir doch lieber im Garten statt im Keller.
    Und so bleibt mir vorerst nur, hier und da hin und her zu räumen und mich zu freuen, dass sie hier sind, die vielen Zeugen der Vorlieben meiner Herzbuben.
    Liebe Grüße von der Herzbuben-verliebten Frieda

  • Liebe Uta, ihr hattet bestimmt einen duften Tag!
    Ich mag deine Beiträge, weil sie in mir auch oft so Gedankenspaziergänge auslösen. Bei uns war es nicht das Mädchen in den Kacheln, sondern die Fratzenmonster in der Palisanderschrankwand (oja) oder der Pferdekopf, den die Zweige der Bäume vor meinem Kinderzimmerfenster bildeten. Der Geruch nach Mangelwäsche ist für mich verbunden mit Mutti, die mit uns die Laken und Tischdecken vorbereitet: ausbreiten, an allen Ecken feste ziehen und mit einer Plastikflsche mit orangefarbenem Deckel lauwarmes Wasser darauf sprengen (das durften wir aber nicht so oft, wie wir wollten und fanden es immer gemein, dass den spaßigeren Teil der Arbeit immer sie machte). Aber an Aufräumen erinnere ich mich auch deutlich. Vielmehr an die Warnung: „Wenn bis heute Abend nicht aufgeräumt ist, komme ich mit dem Müllsack!“ Und sie kamen!!
    Mit einem Mann voll des Sammeltriebs und drei nach ihm geratenen Sprösslingen befinde ich mich (leider) in einer nahezu ausweglosen Situation, was meine Neigung nach Klarheit und Ordnung angeht. Ich habe mal das Buch „Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“ gelesen – und danach ging es mir wie gerade dir, denke ich. Aber ich habe nicht mal die Ecke im Haus entrümpeln können, die für Finanzen „zuständig“ ist.
    Beim Keller starte ich jedes Jahr einen Versuch (meistens im Frühjahr: die Hormone, die Hormone…), der von meiner Familie in null komma nix ad absurdum geführt wird; unsere Anrichte im Wohnzimmer ist wöchentlich dran und dort hält die Ordnung immerhin 47 Minuten. Optimistisch geschätzt.
    Ich werde einfach warten, bis die Kinder aus dem Haus sind und mir dann eines ihrer Zimmer einrichten: Klar, minimalistisch, ordentlich. Dauert ja nur noch 10 bis 15 Jahre. Ich finde, das sind fantastische Aussichten. Was soll ich mich über Dinge aufregen, die ich doch nicht im Griff habe. DIE Energie spare ich lieber für … die Wäscheberge.
    Liebe Grüße
    SteffiFee

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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