Leichtigkeit und Liebe nähren 

 18/06/2014

Heute morgen 7:30 Uhr in Hamburg. Ich wecke Prinzessin (13) und sehe im Augenwinkel meine geliebten Ohrstecker, die ich ihr am Wochenende geliehen hatte, zwischen Nagellackfläschchen, „Best-friend-for-ever“-Briefchen und Kopfhörerkabeln auf der Fensterbank liegen.
Ich lege die Stecker zurück in ihr Kästchen und in meinem Kopf den Ärger-Schalter um.

Ich stürme mit einem Schlachtruf zurück in ihr Zimmer. „Wer hat meine Ohrstecker vergammelt? Wer gehört mal so richtig durchgekitzelt?“
Ich reiße die Bettdecke weg, rufe, dass meine Finger die Beine sind von riesigen, haarigen Spinnen und lasse sie überall hinkrabbeln: in den Nacken, unter die Arme, in die Kniekehlen … Prinzessin quiekt, ich quieke. Wir haben Spaß.

Leben darf leicht sein.

Leben ist keine Pisa-Studie, kein Wettkampf, kein Gipfeltreffen für Moralapostel.

Leben ist ein Spiel.

„Das Spiel kann man nicht gewinnen, nur spielen.“ (aus dem Film „Die Legende von Bagger Vance“) 


Kronprinz und Prinzessin auf dänischer Wanderdüne.

Ben, der Sohn einer Freundin, ist einer der Besten seiner Klasse in Englisch. Seine Mutter hat mir erzählt, woran das liegt.
Bens Oma hat viel im Bett gelegen, weil sie Multiple-Sklerose hatte. Ben durfte sich dazu kuscheln, und seine Oma hat ihm Reime und Lieder vorgetragen. Alles auf Englisch, weil sie in der Nähe von London geboren und aufgewachsen war.
Die Oma ist gestorben, als Ben noch klein war, aber ihre Reime und Lieder sind wie ein belebendes Erbe für sein Sprachzentrum.

Lernen geht fast nur in guter Beziehung und mit guten Gefühlen. Dann verbinden sich Gehirnzellen in Rekordtempo, Synapsen entwickeln sich vom Trampelpfad zur Autobahn, sechsspurig.

Ist das nicht genial von der Natur? Sie ist so angelegt, dass sie uns mit Erfolg belohnt, wenn wir gute Gefühle haben und in liebevoller Gemeinschaft leben.

Vergesst den Englisch-Kurs für Klein-Kinder, pfeift auf jedes sogenannte „Bildungsprogramm“ in der Vorschule. Guckt nach Menschen, die eure Kinder mögen und das Leben lieben. Was die ihnen beibringen, ist viel wirksamer als all das Zeug aus den Bildungsplänen.

Beschwert euch in der Schule nicht über den unfähigen Geo-Lehrer oder den Stundenausfall. Meldet euch im Festkomitee und hängt die Girlanden auf! So wie wir das machen bei dem Fest von Kronprinz (16) zum Abschied aus dem Klassenverband der 10. Klasse. Wir bauen am Elbstrand eine festliche lange Tafel auf für 80 Leute und werden feiern, bis uns die Kinder heimschicken.

Immer fröhlich Leichtigkeit und Liebe nähren.

Eure Uta

  • Ach, es wäre so schön, wenn das so wäre & alle das beherzigen würden! Habe gerade so Zeugniskonferenzen & Gespräche hinter mir, die dem zuwiderlaufen. Und in mir bleibt ein schwarzer Fleck auf Herz oder Seele zurück…
    Eine unglückliche Grundschullehrerin, die mal unter ganz anderen Prämissen angetreten ist….

    • Hach…ich ahne, was du meinst 🙁

      In der Grundschulklasse unseres Sohne mussten in den ersten zwei Schuljahren alle Kinderchen kleine Soldaten sein und tadellos funktionieren. Die Direktorin hat gewechselt, es ist zur dritten Klasse ein bisschen besser geworden- aber die Leichtigkeit und Liebe (zum Beruf?) lässt die Klassenchefin dennoch vermissen.

      Viele liebe Grüße!

  • Wenn es doch so einfach wäre, die Sache mit der Leichtigkeit. Es gibt Tage und Situationen in der Familie, und gerade mit dem Nachwuchs,da freue ich mich, nicht laut zu werden.

    Ja, auch wir arbeiten daran, vieles leichter zunehmen. Und du hast Recht, mit lautem Ärger wird es ja auch nicht besser. Aber manchmal…

    Danke auch für diesen Post!

    Liebe Grüße!

    • Wobei ich nicht damit meine, man solle ständig Kreide fressen, klar wird man mal laut und ist wütend. Mir ist es nur wichtig, nicht verbiestert zu werden. Lebensfreude kann man richtig kultivieren. Und das – nämlich Lebensfreude – ist das, was ich meinen Kindern vor allem mitgeben möchte. Danke, dass du geschrieben hast. Liebe Grüße, Uta

    • Ja, natürlich. Das ist toll, wenn man so eine Englisch-Lehrerin habt. Genießt es! Ich merke nur immer wieder, dass Eltern und viele Erzieher bei kleinen Kindern den gleichen Bildungsbegriff anwenden wie bei Erwachsenen. Und das ist grundfalsch. Um sich wohl zu fühlen und lernen zu können, brauchen Kinder (und jeder Mensch) die Botschaft: „Schön, dass du da bist.“ Und das ist leider nicht immer zu spüren. Danke für deinen Kommentar, liebe Grüße, Uta

  • Lernen in guter Beziehung und mit guten Gefühlen … da hast Du absolut recht, Uta.
    Englischkurs für Kleinkinder ist so gar nicht mein Ding, dennoch lernt unsere Tochter (4) spielerisch Englisch. Ich singe wahnsinnig gern Lieder im Radio mit (zum Leidwesen manch anderer…) und unsere Tochter auch. Es ist verblüffend, was sie sich alles merken und mitsingen kann. Das macht der Spaß an der Sache, das gute Gefühl.
    Unser Sohn (7) hat großen Gefallen am Alphabet. Buchstaben schreiben ist für ihn eine schwierige Sache. Sie erfordert viel Konzentation, Kopfarbeit – das mag er nicht so. Aber er liebt es sie zu lesen. Das kommt daher, weil jeder Buchstabe für etwas Positives in seinem Leben steht, das er sehr mag. Und da ist es schon wieder, das gute Gefühl ; )
    „Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, die Arbeit einzuteilen und Aufgaben zu vergeben, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem endlosen weiten Meer!“
    Antoine de Saint-Exupéry (dieses Zitat hab ich aus dem Buch „Hochsensitiv: Einfach anders und trotzdem ganz normal“ S. 75)
    Liebe Grüße an Dich. Angela

    Hab mich sehr über Deine Antwort zu meinem letzten Kommentar gefreut.
    Alle Kommentare zu diesem Thema waren sehr bewegend.

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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