Eben hat mich Prinzessin (15) per WhatsApp gefragt, ob sie am Sonntag zwei Freundinnen auf deren Abschlussball vom Tanzkurs begleiten dürfe. Ich habe geantwortet: „Spontan habe ich nichts dagegen, aber lass uns in Ruhe heute Abend darüber sprechen.“ Dann habe ich noch eine Nachricht hinterher geschickt: „Stell dich nur darauf ein, dass du nicht so lange bleiben kannst wie bei deinem eigenen Ball. Am anderen Tag ist Schule.“ Die Zeit werden wir dann gemeinsam festlegen.
Für viele Eltern ist solch eine Vorgabe eine Selbstverständlichkeit, andere geben ihren Kindern in dem Alter alle Freiheiten, wieder andere würden gerne Regeln aufstellen, haben aber – ausgebrannt von ständigem Streit – den Draht zu ihren Teenagern verloren.

Darf ich mein Kind so „dominieren“, dass ich ihm mit 15 vorgebe, wann es nach einer Party zu Hause zu sein hat?
Darf ich als Mama oder Papa bei kleinen Kindern verlangen, dass sie sich die Zähne putzen?
Darf ich festlegen, in welches Museum wir heute einen Ausflug machen?
Darf ich sagen, dass wir jetzt den Spielplatz verlassen müssen?
Ja, unbedingt.
Trotzdem haben immer wieder Eltern daran Zweifel. Und auch ich war in den ersten Jahren mit unseren Kindern innerlich sehr zerrissen, weil ich ihnen möglichst nichts aufzwingen wollte, aber unseren Alltag trotzdem auf die Reihe kriegen musste.
Eltern sind Kindern gegenüber in einer Machtposition. Und das macht Sinn. Ein Kind braucht Erwachsene, denen es folgen kann. Es braucht Eltern, von denen es weiß: „Bei denen bin ich sicher und geschützt und ich muss nicht mehr Verantwortung übernehmen, als ich in meinem Alter schultern kann.“
Wenn ich mich als Mama oder Papa runterziehe, weil ich diese Macht habe und Macht eigentlich ablehne, weil das was für die Donald Trumps dieser Welt und irgendwie böse ist, empfängt auch das Kind diese Signale und verweigert mir – im schlimmsten Falle – jedwede Kooperation.
Es gibt nicht nur ein Aggressions-Tabu, wie ich es im Beitrag davor beschrieben habe, wir haben schon länger auch ein Macht-Tabu. Immer wieder begegne ich Müttern oder Vätern, die Macht ablehnen und deshalb nicht einmal wagen zu sagen: „Du musst jetzt deine Hände waschen.“
Oder sie sagen es, schicken aber – in der Hoffnung auf Folgen durch Einsicht – so viele Erklärungen hinterher, dass das Kind nach all dem Text gar nicht mehr weiß, ob das jetzt eine Ansage oder ein Pro-Seminar über Hygiene war.
Oder sie sagen es, meinen diese Machtausübung aber ausgleichen zu müssen durch längeres Fernsehen, mehr Süßigkeiten oder welcher Handel ihnen sonst noch einfällt.
Oder die Eltern fühlen sich so schlecht als elterliche Führungskraft, dass das Kind sehr zwiespältige Signale empfängt und Mama oder Papa lieber nicht folgt. Der Grund liegt darin, dass vor allem kleine Kinder sehr feinsinnig auf die Stimmungslage ihrer Eltern reagieren (Spiegelneuronen). „Guck mal“, denkt sich das Kind, „Mama, fühlt sich sichtlich schlecht, wenn ich Anweisungen befolge. Dann mache ich das mal lieber nicht. Sonst sieht sie sich ja darin bestätigt, dass sie Macht über mich hat, und das ist ja bäh.“
Natürlich ist sich kein Kind dessen bewusst, noch könnte es das so zum Ausdruck bringen. Ihm entgeht aber nicht, wenn Mama sich für eine schlechte Mama hält, wenn sie klare Ansagen macht oder etwas verbietet, wenn ihr ganz elend ist, weil sie doch mal autoritär sein musste.
Mir ging es damals ähnlich. Erst als der Kronprinz immer häufiger nach mir trat und ich vor der totalen Erschöpfung stand, weil ich meine eigenen Grenzen nicht mehr schützen konnte, machte ich mich auf den Weg, meine Einstellungen zu hinterfragen und weiter zu entwickeln.
Heißt das, dass Uta vom Katzenklo-Blog plötzlich auf die alte Schule einschwenkt?
Nein!
Ich bin aber davon überzeugt, dass Eltern, die ihre Kinder „bedürfnisorientiert“ aufwachsen lassen wollen, das Bedürfnis nach Führung beachten sollten.
Das bedeutet:

  • Ich überlege mir, welches Mindestmaß an Regeln wir im Alltag brauchen.
  • Klar können Kinder altersangemessen vieles Mitentscheiden, aber die große Richtung geben die Eltern vor.
  • Bei Entscheidungen, die unmittelbar mit den körperlichen Bedürfnissen des Kindes zu tun haben (Essen, Trinken, Mütze auf oder nicht …), mache ich möglichst wenig Vorgaben.
  • Wenn ich aber den Tag über Zeit mit den Kindern verbracht habe und ihr Bedürfnis nach Nähe gesättigt ist, kann ich abends guten Gewissens sagen: „Jetzt wollen Papa und Mama Zeit füreinander haben. Ihr könnt das kleine Licht anlassen oder die Tür noch offen lassen, damit ihr uns hört, aber jetzt ist Schicht im Schacht.“
  • Habt Geduld! Es kann einige Zeit dauern, bis eure neue Klarheit bei den Kindern ankommt.
  • Und das Wichtigste: Hört auf euch schlecht zu fühlen, wenn ihr eure Kinder führt!

Immer fröhlich sich nicht scheuen, in der Familie ein liebevoller Machthaber zu sein!
Eure Uta

  • Heute morgen diesen Artikel gelesen und nun sitze ich hier und bin noch nachdenklicher als ich es zuvor eh schon war. Manchmal würde ich mir wünschen, so jemand wie Du steht unsichtbar im Alltag neben mir und sagt mir leise ins Ohr : versuch es doch jetzt lieber mal so … oder so …
    Nun bin ich in diesen Situationen tagsüber aber alleine und muß die Entscheidungen treffen … minütlich , stündlich – gefühlt irgendwie sekündlich ! Alles mögliche schon ausprobiert und doch habe ich das Gefühl, dass von seiten meiner Kinder alles immer wieder und wieder neu verhandelt werden muß. Leider bin ich gerade an einem Punkt angelangt, an dem ich mich selber frage, ob das jemals besser wird. „Erziehung muß man aushalten können“ sagte bereits Jan-Uwe Rogge ! Eine Auszeit vom Erziehen nehmen, ohne dass es mich hinterher wieder einholt wäre aber mal schön. Nun muß ich wieder nachdenken …

    • Liebe Martina, das tut mir leid, wenn ich so viel Kopfzerbrechen ausgelöst habe. Ich überlege mal, wie ich es meinen Lesern wieder leichter machen kann. Mach dir nicht so viele Gedanken, was „richtig“ oder „falsch“ ist. Vertraue in deine Kinder, vertraue in dich, genießt das Leben. … Ups, klingt ein bisschen wie das Wort zum Sonntag. Danke fürs Schreiben und liebe Grüße, Uta

      • Liebe Uta,
        danke für Deine Antwort. Du mußt es Deinen Lesern nicht leichter machen. Ich möchte schließlich auf Deinem Blog Artikel lesen, die mich zum Nachdenken anregen. Alles andere gibt es in der Masse genug. Du hast eine ganz wunderbare Mischung, paßt doch !
        Was Du mir als „Wort zum Sonntag“ mitgegeben hast, praktizieren wir hier seit Jahren, momentan habe ich lediglich das Gefühl, wir treten so ein bißchen auf der Stelle, die Erziehung scheint mir eher von den Kindern auszugehen, als von uns Eltern. Hier müssen wir ganz schnell als Familie gemeinsam eine für alle tragbare Lösung finden, und das ist eben die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wird schon werden …

  • Danke Uta für deinen Text. Eine Sache, die auch ich lernen musste. Das Ganze hat auch viel damit zu tun, dass wir in einer „Kultur der Höflichkeit“ leben, zumindest nach außen hin. Gerade uns Frauen wird vom Kindesalter beigebracht, nett und lieb zu sein. Deswegen tun sich viele von uns mit klaren, authentischen Ansagen so schwer. Sie helfen aber nicht nur in der Erziehung, sondern auch in der Partnerschaft und im Job. Viele Grüße, Christina

  • Liebe Uta,
    Macht?-macht was!
    Obwohl ich (noch für kurze Zeit) größer und stärker bin als mein Sohn und rechnerisch (für immer) mehr Lebenserfahrung habe, habe ich es so gut es geht vermieden diese „Macht“ einzusetzen.
    Hin- und wieder saß jedoch eine Stimme in meinem Hinterkopf die sagte „jetzt musst du aber mal ein Machtwort sprechen“. Aber meine Versuche mächtig zu sein waren für uns beide ungut und es fühlte sich für mich nicht richtig an.
    Wichtig finde ich Klarheit über das was ich möchte/will, über das was mein Sohn möchte/will und was situativ notwendig ist.
    Mit dieser Orientierung und diesem Wissen versuchen wir schon seit seinem Babyalter Lösungen zu finden, die für uns beide in Ordnung sind, so dass wir nach über 10 Jahren gut im Training sind.
    Es war/ist nicht notwendig (und wird vielleicht auch nicht notwendig sein), dass ich Machtworte spreche; ich sage meine Meinung und gebe Ratschläge, welche von meinem Sohn oft berücksichtigt werden. Manchmal muss er seine eigenen Erfahrungen machen, bisher war es nicht notwendig, dass ich das durch ein Machtwort verhindere.
    Wenn seine Entscheidungen mir nicht richtig erscheinen, sage ich ihm das und vertraue darauf, dass er das Richtige tun wird.
    Wenn seine Entscheidungen mein Leben in einer Weise beeinflussen, die mir nicht gefällt, suchen wir nach einer Lösung, dabei versuchen wir immer die Ursachen für Probleme zu berücksichtigen (wobei es uns nicht immer gelingt friedlich miteinander umzugehen, dies ist aber unser Ziel).
    Sehr oft sehe ich Kinder, die furchtbar unglücklich sind über die (oft unbewußte und gut gemeinte) Machtausübung ihrer Eltern oder die anderer Erwachsener. Obwohl das, so wie ich es verstehe, nichts mit dem zu tun hat, was du hier beschreibst und meinst, ist es mir deswegen trotzdem ein Anliegen aufzuschreiben, dass ich es bisher nicht sinnvoll finde auch nur ein bißchen mächtig zu sein.
    Nach meiner Erfahrung hinterlässt erlebte Macht ein schlechtes Gefühl, welches weitergegeben wird.
    Im Moment erlebe ich dies oft bei Mobbingfällen an Schulen, ich sehe Kinder, die sich als Opfer von Macht erleben und dies als Täter an anderen Kindern ausleben, dafür mächtig bestraft werden, noch unglücklicher werden und noch mehr Grund haben Täter zu werden.
    Dies ist ein Teufelskreis, der so wie ich es beobachte, viel mit Machtausübung zu tun hat und meiner Meinung nach nur durchbrochen werden kann, wenn keine weitere Macht ausgeübt wird.
    Danke, dass ich meine Meinung hier aufschreiben darf und dass ich hier so viel Dinge lesen kann, die mich zum Nachdenken oder -machen anregen.
    Herzliche Grüße
    Antje

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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