Achtsamkeit für das Kind 

 01/08/2018

Erkenntnisse und eine Verlosung für Eltern.

Die jüngsten Beiträge, besonders die Interviews, waren sehr lang. Deshalb habe ich mir überlegt, für euch heute kurz und knapp zusammen zu fassen, welche Erkenntnisse ich aus den Gesprächen und Begegnungen der vergangenen Wochen gezogen habe und wie wertvoll Achtsamkeit für das Kind ist.

  • Ich muss als Eltern nicht konsequent an Regeln festhalten. Aber konsequent gucken, dass „ich in meinen eigenen Schuhen stehe“, wie Jesper-Juul-Familientherapeutin Claudia Hillmer das ausdrückt. Wenn ich selbst klar darin bin, was heute meine Bedürfnisse und Grenzen sind, empfangen Kinder echte und eindeutige Botschaften. Solchen Botschaften folgen sie gerne. Und dann kann es am Donnerstag erlaubt sein, auf dem Sofa zu hüpfen, aber Freitag aber nicht, weil Gäste kommen oder weil es mir gerade zu laut ist.
  • Wenn Regeln aufgestellt werden, dann klappt es besser, wenn sie gemeinsam von Eltern und Kindern vereinbart werden. Zum Beispiel zur Mediennutzung. Wird zusammen etwas ausgehandelt, an das sich alle halten müssen (auch die Erwachsenen) und zu dem jeder etwas beitragen durfte, ist die Wahrscheinlichkeit sehr viel höher, dass sich alle daran halten. Kinder lieben Regeln.
  • Wenn Kinder die Wahl haben, wie sie das von den Erwachsenen vorgegebene Ziel erreichen, funktioniert es besser, als ständige Ansagen. „Ich möchte, dass du dir die Zähne putzt. Ob von Hand oder elektrisch, ist mir egal.“ – „Ich möchte, dass du den Gartendreck abwäscht. Du kannst dir aussuchen, ob du lieber baden oder duschen möchtest.“ – „Ich brauche Hilfe im Haushalt. Wer deckt den Tisch? Wer schneidet die Tomaten?“ – „Ich möchte, dass heute der Kaninchenstall sauber gemacht wird. Du kannst entscheiden, ob du es jetzt machst oder lieber am Abend.“
  • Kindern schadet es, wenn es rund um die Uhr nur um ihre Wünsche geht. Beziehungs-Coach Eva-Maria Zurhorst findet es wichtig, dass Kinder Mama oder Papa als Menschen erfahren, die ehrlich einstehen für ihre eigenen Bedürfnisse und Leidenschaften. Dann – so sagt sie – bekommen die Kinder etwas Substantielles mit auf ihren Weg.
  • Lieber Achtsamkeit als Multi-Tasking. Präsent sein, wenn ich etwas mit dem Kind mache, und präsent sein, wenn ich etwas für mich mache. Davon haben alle mehr, als wenn Eltern und Kinder den ganzen Tag genervt aneinander kleben und jeder halb am Smartphone oder Tablet hängt. Bekommt ein Kind eine Zeitlang meine volle Aufmerksamkeit, dann füllt sich sein Nähe-Speicher und es ist eher bereit, sich auch eine Zeit lang allein zu beschäftigen.

  • Geduld! Es braucht Zeit, bis mein Kind sich auf meine neue Klarheit einstellt. Aber wenn ich übe, immer mehr in diese Klarheit zu kommen, erreiche ich auch mein Kind. Es merkt: „Oh, Mama steht aber fest in ihren Schuhen.“ Und das Schönste ist: Es wächst auch immer mehr in seine „Schuhe“ hinein und findet eigenen Halt. Diese Kinder sind dann später in der Lage Freunden gegenüber zu sagen. „Ich mag dich gerne, aber und ich möchte mich heute nicht verabreden.“ Kein „aber“, sondern „und“, weil die Sympathie für den Freund nicht im Gegensatz zu dem Bedürfnis steht, auch mal für sich allein sein zu wollen.
  • Wenn wir uns nicht permanent abverlangen, was wir eigentlich nicht wollen, entsteht echte Freude am Zusammensein. Eine Mama, die ich am Telefon gecoacht habe, erzählte mir, dass sie die ersten zwei Jahre rund um die Uhr für ihre kleine Tochter da war. (Beim Säugling hat das auch seine Berechtigung.) Als sie wegen einer medizinischen Behandlung gezwungen war, das Kind stundenweise zu einer Tagesmutter zu geben, konnte sie neue Kraft schöpfen. Auch als sie keine Arzttermine mehr hatte, gab sie die Kleine weiter an ausgesuchten Tagen in die Betreuung. So gewann sie Zeit für sich allein. „Plötzlich merkte ich, dass ich mich auf eine ganz neue und tiefere Art freute, wieder mit meinem Kind zusammen zu sein“, erzählte sie. Diese Freude erreicht das Kind auf einer tiefen Ebene, weil es etwas Echtes ist. Und das meint Eva-Maria Zurhorst mit „dann geben Sie dem Kind etwas Substantielles“.
  • Wenn Eltern kleiner Kinder aber beide Vollzeit arbeiten und das Substantielle in eine halbe Stunde täglich pressen wollen, wird es schwierig. (Uta)
  • Eine Familie ist wie ein Uhrwerk, ganz viele Räder greifen ineinander. Wenn das Uhrwerk nicht mehr gut läuft, bringt es nichts, die kleinsten Rädchen aus dem Kasten zu lösen und einzeln zur Reparatur zu bringen (nach Claudia Hillmer). Im Gegenteil. Die kleine Rädchen bekommen dann das Gefühl, mit ihnen stimme etwas nicht. Deshalb bin ich immer skeptisch, wenn Kinder in Therapie geschickt werden und die Eltern im Wartezimmer bleiben.
  • Lieber Verantwortung übernehmen als Schuldgefühle zu pflegen. Schuldgefühle sind wenig hilfreich. Schuld ist in die Vergangenheit gerichtet. Verantwortung zu übernehmen dagegen bringt uns in die Gegenwart und Zukunft und sie bringt uns ins Handeln. Ich kann sagen: Ich möchte etwas verändern in meiner Familie, dafür übernehme ich die Verantwortung und verbringe mehr Zeit mit x, sage y die Wahrheit, suche das Gespräch mit z …. (Claudia/Uta).
  • Mit jemandem eine verbindliche Partnerschaft einzugehen, ist eine große Herausforderung. Gleichzeitig ist Partnerschaft die größte Möglichkeit für persönliche Weiterentwicklung. (frei nach Neale Donald Walsch)

  • Wenn es in einer Partnerschaft knirscht, hilft es am meisten, wenn jeder von beiden zunächst bei sich guckt: „Was brauche ich, um wieder in meine eigene Kraft zu kommen?“ und dann zu schauen, ob es wieder oder sogar besser zusammen geht. (Eva-Maria Zurhorst) Viele meinen, sie müssten sich in einer Partnerschaft selbst aufgeben, damit sie gelingt. Das Gegenteil ist der Fall. Bei sich bleiben und immer wieder die Nähe zum anderen suchen. Das klingt paradox, ist aber der Schlüssel für erfüllende Partnerschaft.
  • Ein Kind ist wie ein Baum mit zwei Wurzeln. Die eine Wurzel ist die Mama, die andere der Papa. Wenn Mama an der Wurzel von Papa sägt, kippt der Baum um. Genauso wie umgekehrt (Bild von Eva-Maria Zurhorst). Deshalb ist es so wichtig, auch bei einer Trennung den Respekt füreinander zu bewahren und das Anderssein des anderen willkommen zu heißen.
  • Bei der Liebe zu sich selbst, geht es nicht um das Ego, sondern um das Selbst. Meine Mum war irritiert von Eva-Maria Zurhorsts Buchtitel „Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest“ und sie fragte, ob das nicht in den Egoismus führe. Mir hilft immer, zwischen Ego und dem Selbst (oder der Seele) zu unterscheiden. Mein Ego erkenne ich daran, dass es im Recht sein will und immerzu Aufmerksamkeit und Bestätigung braucht. Wenn ich darauf bestehe, dass zum Beispiel die Spülmaschine nur auf meine Art eingeräumt werden darf, ist mein Ego am Werk. Oder wenn ich in einer Diskussion etwas sage, nur um als originell oder intelligent angesehen zu werden, hat das auch mit meinem Ego zu tun. Wenn ich aber den Mund auf mache, weil mein Herz brennt und ich andere für etwas begeistern möchte, was ich als wahr erkannt habe, dann meldet sich mein Selbst. In einem Podcast-Interview mit Laura Malina Seiler hat die Ärztin Mareike Awe erzählt, dass sie sich jeden Morgen still hinsetze, um sich das Licht zu vergegenwärtigen, das in ihr scheine. Dieses Licht sei  ihre Essenz, das, was sie zum einem einzigartigen Menschen auf dieser Welt mache. Das hat mir gut gefallen. Das mache ich nun auch jeden Morgen. Liebe Mum, vielleicht kommen wir so der Selbstliebe auf die Spur.

Nun habe ich noch eine Verlosung für euch. In der vergangenen Woche habe ich den Kinderbuch-Autor Helmut Spanner in München besucht und wir haben vier Stunden lang über kindliche Wahrnehmung-Psychologie gesprochen. Spanners typische Zeichnungen kennt ihr bestimmt. Seine Bücher sind seit 40 Jahren auf dem Markt. Sie wurden mehr als 12 Millionen mal verkauft. Nur den Erfinder von Minimaus und Minibär kennt kaum jemand. Aber das wird sich dank Katzenklo-Blog demnächst ändern ;-)))).
Helmut Spanner ist quasi der Erfinder des Papp-Bilderbuchs. Ich muss gestehen, dass ich diese Bilder-Bücher für Kinder bisher nicht ernst genommen habe. Ein großes Versäumnis! Denn es sind ihre ersten Bücher. Welche faszinierende Theorie hinter Spanners Büchern steckt und warum sie Kindern helfen, ihre Welt zu entdecken und Vertrauen in sie zu fassen, erfahrt ihr im nächsten Post. (Ha, ha, der Katzenklo-Blog arbeitet jetzt auch mit Cliff-Hanger!)

Das „Minimaus“-Buch ist gedacht für die Ein- bis Zweijährigen. Ich verlose es unter allen, die mir bis Sonntag, 5. August 2018, 24 Uhr, einen Kommentar schicken zu den 14 Erkenntnissen in diesem Beitrag.
Welche spricht euch am meisten an? Welche findet ihr hilfreich? In welchem Punkt seid ihr anderer Meinung? …
Immer fröhlich „in die eigenen Schuhe kommen“,
eure Uta

Das Titelbild habe ich in Kanada gemacht, das erste Beitragsbild ist von Ketut Subiyanto und das Zweite von Josh Willink, beide bei Pexels erschienen. Vielen Dank!

  • Liebe Uta,
    ein sehr informativer Blogpost!
    Mich spricht am meisten die Zeiteinteilung an: gemeinsam intensive Zeit verbringen, um dann auch wieder etwas für sich zu machen und das Kind spielt in der Zeit daneben für sich. Über das Buch würde ich mich sehr freuen!
    liebe Grüße
    Veronika

  • Liebe Uta,
    ich denke am meisten auf dem Punkt herum, dass es schwierig wird mit der achtsamen Aufmerksamkeit für seine Kinder, wenn beide Eltern Vollzeit arbeiten. Es stimmt. Es geht, es ist machbar, aber es ist so schwer und anstrengend (zumindest für mich / uns persönlich), dass es für uns nicht als Dauerzustand in Frage kommt.
    Für diese Einsicht habe ich sechs Jahre gebraucht. Jetzt habe ich meinen Frieden damit gemacht.

  • Bei der Überschrift über diesem Eintrag war ich erst etwas irritiert, aber tatsächlich ist der Punkt mit seiner Erklärung genau das, was mich am meisten anspricht. Wir haben gerade viele Baustellen, an einigen arbeiten wir, einige sind auf später vertragt. Mich nervt es, täglich einen Kampf um Grundlagen zu führen (aufstehen; anziehen; Zähne putzen; zum Essen kommen, wenn es fertig ist, nicht erst, wenn fast alle fertig sind; Grundordnung; Hilfe im Haushalt…) Dieser Kampf erschöpft mich häufig so, das ich einfach keine Kraft mehr habe, mich einem Kind vollkommen zuzuwenden. Aber genau das ist es wohl, was die Kinder brauchen. Ich werde mich bemühen, diese Erkenntnis umzusetzen. Unsere Kinder sind 11, 8 und 1.
    Und für die Einjährige würde ich gerne das Buch gewinnen.
    Vielen Dank für den Blog, ich lese meist nur still mit.
    LG von TAC

  • „Wenn es in einer Partnerschaft knirscht, hilft es am meisten, wenn jeder von beiden zunächst bei sich guckt: „Was brauche ich, um wieder in meine eigene Kraft zu kommen?“ 
    Dieser Punkt ist für mich gerade sehr aktuell.
    Danke für den Beitrag.
    LG

  • Der erste Punkt.ich
    Habe meinen Weg gebraucht und beim dritten Kind, war es viel einfacher in meinen Schuhen zu stehen. Erst innerhalb dieser Beziehung und so hat sich auch mein Verhältnis zu den großen gewandelt. Es ist noch schöner geworden. Ich genieße meine Kinder und die Zeit mit ihnen und brauche sie nicht in Bilder pressen, die andere haben und manchmal halt auch ich (ego lässt grüßen)

  • Hallo, wieder mal ein spannender und hilfreicher Artikel auf diesem tollen Blog. Ich übe mich derzeit meinem Kind verschiedene Möglichkeiten anzubieten um das Ziel zu erreichen. Was mir tatsächlich schwer fällt, weil ich eher ein direkter Typ bin.
    Für unser gerade zwei gewordenen Sohn würde ich das Buch gerne gewinnen.

  • Also Punkt 1 gefällt mir sehr, sehr gut! Steht auch im Einklang mit dem Prinzip der gewaltfreien Kommunikation und den Bedürfnissen. Auch der Punkt, dass es schwer möglich sein wird, die „wertvolle Zeit“ miteinander in eine halbe Stunde zu pressen ist gut!!!
    Überhaupt ein toller, gelungener Blogpost!! Thumbs up!
    Liebe Grüße
    Katrin

  • Mich spricht am meisten <> an.
    So einfach aber wahr!
    Auch in der Kommunikation mit den Kindern!
    Allerdings bin ich kein Freund von zu viel Aufmerksamkeit und halte mich da lieber an Liedloffs Weisheiten, das Kind immer dabei zu haben, es aber nicht in den Mittelpunkt zu stellen.
    Liebe Grüße aus Jena!

  • „Kein „aber“, sondern „und“, weil die Sympathie für den Freund nicht im Gegensatz zu dem Bedürfnis steht ….“ hat mich am meisten berührt.

  • Liebe Uta,
    ich übe mit meinen Kindern, 1 und 5 Jahre alt, mehr Achtsamkeit als,Multitasking. Das habe ich selbst nicht erfahren, und deshalb ist es für mich auch so schwer. Ich denke aber, dass es sehr wichtig ist aufmerksam Zeit zu verbringen, und dann auch wieder was anderes zu machen.
    Das Buch würde ich sehr gerne mit meinem Kleinen anschauen.
    Danke für die vielen tollen Anregungen!
    Monika

  • Hallo liebe Uta,
    Für mich ist der Punkt „lieber Verantwortung übernehmen, als Schuldgefühle pflegen“ grad sehr passend. Und dazu auch der Punkt mit der Selbstliebe, der für mich irgendwie damit einher geht. Ich versuche gerade mich selbst zu Lieben wie ich bin, mich von schuldgefühlen zu befreien und in die Verantwortung zu gehen! Danke mal wieder für diesen tollen Artikel.
    Über das Buch würden ich & meine kleine Mausi (Grad 1) sich sehr freuen 😉 liebe Grüße Karina

  • Liebe Uta,
    ich will das Buch gar nicht, sondern möchte dir nur schreiben, wie wunderschön ich das Mutter-Kind-Foto finde, das du in Kanada gemacht hast und für diesen Blogbeitrag ausgewählt hast.
    Immer wenn ich es hier sehe, geht mir das Herz auf 🙂
    Bei deinen Zeilen natürlich auch, aber das weißt du ja.
    Wieder mal viele gute Tipps und Ideen sehr praxisnah zusammengefasst von dir.
    Alles Liebe,
    Christina

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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