Die Patentante und das Happiness-Prinzip 

 13/07/2022

Das Wichtigste aus der Positiven Psychologie für Paul

Als mein Neffe Paul (22) das  "Das Happiness-Prinzip" von Shawn Achor auf unserem Klavier liegen sah, nahm er es in die Hand und fragte: "Lohnt sich das Buch?" Ich winkte ab. "So viel Neues steht da nicht drin." Nun habe ich es zu Ende gelesen und merke, dass einige Prinzipien und Ideen daraus sehr wertvoll sind und es mir wohl getan hat, daran erinnert zu werden. Deshalb, lieber Paul, kommt hier eine Zusammenfassung für dich und für alle meine Leserinnen und Leser.

Stress erschwert das Lernen massiv. Der US-Amerikaner Shawn Achor war Mitbegründer und Dozent der berühmten Glücks-Kurse an der Harvard-Universität. Dass er an dieser beliebten Vorlesungsreihe mitwirkte, hat auch mit der Überraschung zu tun, die er erlebte, als er als Student nach Boston kam. Er selbst war überglücklich, es an diese weltbekannte Universität geschafft zu haben. Bei seinen Kommilitonen war die erste Begeisterung darüber aber schnell verflogen. Überarbeitet, gestresst, niedergeschlagen, ja sogar depressiv erlebte er die anderen Auserwählten. Sie hatten in ihren ersten zwanzig Lebensjahren schon viele wichtige Hürden genommen. Nun rackerten sie sich ab, die nächsten Herausforderungen zu bewältigen. Und so wird das bei den meisten weitergehen bis an ihr Lebensende. Shawn erkannte, dass sie fast alle der Überzeugung folgten "Wenn du hart arbeitest, wirst du Erfolg haben. Und wenn du Erfolg hast, wirst du irgendwann glücklich sein." Viele Studenten zeigten ein typisches Verhalten: je mehr Stress sie hatten, desto mehr zogen sie sich zurück, saßen Stunden und Tage allein in der Bibliothek, trafen ihre Freunde nicht mehr, gingen nicht mehr zum Sport. Verbissen kämpften sie sich durch ihre Bücher und vernachlässigten alles, was ihnen geholfen hätte, kreativer zu sein und leichter zu lernen: soziale Kontakte und Bewegung. Shwan stieß auf die Arbeiten von Martin Seligman und anderer Vertreter der Positiven Psychologie und irgendwann wurde ihm klar: Nicht die Erfolgreichen sind glücklich, sondern die Glücklichen erreichen bessere Ergebnisse.

* Glück fördert Erfolg, nicht umgekehrtIn seinem Buch berichtet Achor von einem Versuch, in dem die Teilnehmer zählen sollten, wie viele Fotos in einer Zeitung gedruckt waren. Vorher waren sie in zwei Gruppen aufgeteilt worden. In der einen Gruppe versammelten sich die, die sich selbst als glücklich bezeichneten, in der anderen, die sich selbst als eher unglücklich einstuften. Das Ergebnis: Bei den Unglücklichen übersahen die meisten den entscheidenden Hinweis auf der zweiten Seite der Zeitung. Dort war zu lesen: "Hören Sie auf zu zählen, es befinden sich 43 Fotos in dieser Zeitung." Diejenigenmit der Selbsteinschätzung "glücklich" entdeckten in weit größerer Zahl die Auflösung. 

Es spielt folglich eine entscheidende Rolle, ob wir uns gönnen, glücklich zu sein, und auch womit wir unser Gehirn "füttern". Lesen wir den ganzen Tag schlechte Nachrichten und versetzen uns selbst in Angst und Niedergeschlagenheit, werden wir Möglichkeiten und Lösungsansätze leicht übersehen und unsere Misere verschlimmern. 

* Das Gehirn ist formbar bis ins hohe Alter. Shawn Achor - so dachte ich am Anfang meiner Lektüre - ist einer dieser anstrengend gut gelaunten Amerikaner, die in Business-Hotels mit nach Städten benannten Veranstaltungssälen Happy-go-lucky-Seminare geben. Krampfhafter Optimismus mit der Botschaft, alles würde besser, wenn man es nur positiv sähe. Achor tourt tatsächlich um die Welt, aber nicht mit aufpeitschenden Trainings, sondern mit einer wissenschaftlich fundierten Botschaft: wir können unser Gehirn formen. Längst ist bekannt, dass zum Beispiel das Hirn-Areal für die Steuerung unserer Daumen verstärkte Synapsen aufweist, wenn wir regelmäßig damit auf unserem Smartphone tippen. Oder dass der Bereich für räumliches Denken im Gehirn von Londoner Taxi-Fahrern überdurchschnittlich weit entwickelt ist, weil sie sich tagtäglich im Gewirr der Millionen-Metropole zurechtfinden müssen. Und ich kann nicht nur durch Übung geschickter werden, sondern auch mein Gehirn "glücklich prägen". Zumindest erwähnt der Psychologe mehrere Studien, für die eine Gruppe auf "ängstlich und gestresst geprägt" wurde und die andere auf "glücklich". Ich nehme das Letztere. Definitiv! Denn den glücklich Geprägten geht es nicht nur besser, sie erweisen sich auch als die besseren Problem-Löser.

* Sich an Erfolge erinnern, nicht an Niederlagen. Vor Coachings, die ich als herausfordernd einschätze, konzentriere ich mich darauf, welche dankbaren Mails ich schon für meine Beratung bekommen habe. Vielleicht könnte ich das noch steigern und diese Mails kurz vorher lesen. Dann bin ich weniger ängstlich. Ja, tatsächlich bin ich trotz meiner langen Erfahrung und der vielen Coachings, die ich schon gegeben habe, immer ein wenig furchtsam. Die Angst vor dem Scheitern hört wohl nie auf. Die positive Einstimmung aber schenkt mir Gelassenheit, ein Zustand, in dem das Gehirn besser arbeitet, vor Ideen sprüht und ich mich mehr auf meine Intuition verlassen kann. Etwas Ähnliches meint Shawn Achor, wenn er von "glücklicher Prägung" spricht. 

Glücklich geprägt hat mich auch neulich eine alte Studienfreundin. Sie meinte, so wie ich früher schon über Tanzflächen gewirbelt sei, sei ich wohl zum Tanzen geboren. Seither macht mir die wöchentliche Stepptanz-Stunde noch mehr Freude, kann ich mir die Schrittfolgen besser merken, klappt endlich auch die komplizierte Armbewegung. Danke, Petra! 

Dieses kleine Erlebnis hat bewirkt, dass ich wieder verstärkt anderen zu glücklichen Prägungen verhelfe: hier ein Wort für das schöne Kleid der Obstverkäuferin, dort ein Kompliment für den aufwändigen Dutt der Frau an der Fleischtheke und begeisterte Anfeuerung der Läufer des Hamburger Halb-Marathons neulich. 

* Unser Geist formt die Realität. Nicht nur, dass die Realität, also das Gewirr Londoner Straßen oder die zigfach wiederholten Bewegungen unserer Daumen das Gehirn formen, unser Geist hat auch unmittelbare Auswirkungen auf unsere Realität. Dazu wieder das spannende Ergebnis einer Studie, von der im Happiness-Buch die Rede ist: Putzkräfte in Hotels, denen man sagte, dass sie bei ihrer Arbeit eine bestimmte Zahl von Kalorien verbrennen und auch ihre Cholesterinwerte verbessern würden, hatten am Ende des Versuchs deutlich bessere Gesundheitswerte als die Vergleichsgruppe, die die gleiche Arbeit tat und nicht vorher über den sportlichen Effekt ihrer Arbeit informiert worden war. Ebenso schnitten Asiatinnen, denen man vor einem Mathematik-Test gesagt hatte, dass Menschen ihrer Abstammung überdurchschnittliche Fähigkeiten in Mathematik hätten, deutlich besser in der Prüfung ab, als in einer ersten Testrunde mit dem gleichen Schwierigkeitsgrad.  

Der Einfluss des Geistes auf den Körper, den die Studie mit den Putzkräften belegen konnte, fasziniert mich besonders. Wie beeindruckend, dass Menschen bei gleicher Arbeit durch mentale Einstimmung deutlich bessere Gesundheitswerte erreichten. Allein die Überzeugung, mit der Bewegung ihrem Körper etwas Gutes zu tun, machte den Unterschied aus. 

Lieber Paul, in dem Buch "Das Happiness-Prinzip. Wie Sie mit 7 Bausteinen der Positiven Psychologie erfolgreicher und leistungsfähiger werden" sind viele wertvolle Anregungen enthalten. Der Beitrag würde zu lang werden, wenn ich alle beschreiben würde. Die wichtigste Empfehlung ist: Schau, dass beim Studieren der Stress nicht zu groß wird, schiebe immer mal wieder etwas ein, was dir Freude bereitet, treibe Sport und treffe dich auch gerade in der Klausurenphase mit Leuten. Klar - die Ablenkung kann auch zu viel werden. Da hilft mir die "Pomodoro-Technik", die auch im Buch erwähnt wird und mit deren Hilfe auch dieser Blog-Beitrag entstanden ist. Ich habe alle Ablenkungen ausgeschaltet, jeweils nach 20 Minuten konzentrierter Arbeit fünf Minuten Pause gemacht und dann wieder 20 Minuten weiter geschrieben. Wahrscheinlich sind auch für dich die meisten Tipps nicht neu. Wenn du aber einen Anschubser brauchst, um sie anzuwenden, leihe ich dir das Buch von Shawn Achor gerne aus. 

Immer fröhlich bleiben,

deine Uta 

Solltet ihr genauer über die erwähnten Studien nachlesen wollen, sind hier die Quellen:

* Die Studie mit den Glücklichen, die schneller als die Unglücklichen herausfanden, wie viele Fotos eine Zeitung enthielt, wird auf  Seite 129 zitiert. Achor nennt dazu folgende Quelle: Wiseman, R. (2003). The luck factor. The Skeptical Inquirer, 27, 1-5.

* Die Studie mit Reinigungskräften in sieben unterschiedlichen Hotels, die durch Mentaltraining ihre Körperwerte bei der Arbeit verbessern konnten, erwähnt Achor auf den Seiten 91 und 92. Hier die Ursprungsquelle: Cruz, A.J. & Langer, E.J. (2007). Mindset matters. Exercise and the placebo effect. Psychological Science, 18 (2), 165 - 171 

* Die Studie mit den Asiatinnen, die sich durch Ermunterung in Mathe verbesserten, findet sich im Buch auf Seite 97. Die Ursprungsquelle: Shih, M., Pittinsky, T. & Ambady, N. (1999). Stereotype susceptibility: Identity salience and shifts in quantitative performance. Psychological Science, 10, 80 - 83

Das Titelbild ist von Buro Millennial, das Beitragsbild von Andrea Piacquadio, beide von Pexels. Vielen Dank!

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Uta


Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

Deine, Uta

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