Glückliche Familie Nr. 146: Fluch oder Segen 

 24/05/2013

In dem Buch „Der Geschichtenerzähler oder das Geheimnis des Glücks“ von Joel ben Izzy gibt es eine Geschichte über einen weisen Mann.
Als dieser ein besonders schönes Pferd erwarb, gratulierten alle Nachbarn und waren sich darin einig, dass der Mann gesegnet sei.

„Mag sein“, erwiderte er. „Aber was wie ein Segen aussieht, könnte auch ein Fluch sein.“

Wenig später ritt sein Sohn auf dem Prachthengst, fiel herunter und brach sich ein Bein. Diesmal kamen die Nachbarn und bedauerten den Mann.

 „Mag sein“, erwiderte er. „Aber was wie ein Fluch aussieht, könnte auch ein Segen sein.“

Kurz darauf brach ein Krieg aus. Alle jungen Männer des Dorfes wurden für den Wehrdienst eingezogen. Allein der Sohn des weisen Mannes durfte wegen seines gebrochenen Beines zu Hause bleiben. Er war schließlich der einzige, der überlebte. (stark verkürzt aus „Der Geschichtenerzähler ….“, S. 16)

Was wie ein Fluch aussieht, könnte auch ein Segen sein. 

Dieser Satz fällt mir immer ein, wenn ich mich in einer misslichen Lage befinde.

Misslich ist ja auch dieser Regen da draußen.

Die Perlhyazinthen ersaufen in ihrem Topf ohne Abfluss. Die verwelkten Blüten des Apfelbaums liegen wie nasser Schnee auf dem Rasen.

Wollen wir alle dieses Frühjahr Reis anbauen und mit riesigen Hüten durch unsere terrassenartig angelegten Gärten waten?

Dieses Dauer-Tief ist aber auch ein Segen. Und jetzt kommen wir über Rasse-Pferde und Reis-Terrassen zu dem, was ich eigentlich sagen wollte:

Wegen der Wetterlage gab es bisher kein Schulschwimmen. Und das ist ein Segen.

Zu der Schule unserer Kinder gehört ein altes Freischwimmbecken, in dessen kaltes Wasser kernige Sportlehrer die Kinder schicken, kaum hat das Quecksilber die 10-Grad-Marke überwunden. Auch für Prinzessin (12) rückte dieser Tag bedrohlich nahe. Bedrohlich deshalb, weil die einzige Schwimmbekleidung, die sie mag, ein putziger Bikini ist. Bei seiner Herstellung wurde Millimeterware verwendet. Das meiste davon für die Rüschen, die an Po und Oberteil noch stärker zur Geltung bringen, was pubertierende Jungen um den Schlaf bringt.

Ich habe mich dieser Tage nicht nur mit Geschichtenerzählern befasst, sondern auch mit den Fakten aus dem Buch „Das männliche Gehirn“ der Neuropsychiaterin Louann Brizendine. In dem Kapitel „Das Gehirn des Teenagers“ schreibt sie, „dass das Testosteron im … Hypothalamus die Schaltkreise für sexuelles Verlangen (bei Jungen, Anmerk. der Bloggerin) ungefähr doppelt so groß werden lässt wie im Gehirn eines Mädchens. Von nun an ist das männliche Gehirn so strukturiert, dass sexuelle Bestrebungen an vorderster Front stehen. … Diese intensive Beschäftigung mit Sexualität ähnelt dem Großbildfernseher in einer Sportbar: Sie läuft ständig im Hintergrund.“

Professor Brizendine meint, dass die meisten Mütter nicht das ganze Ausmaß der Veränderungen begreifen würden, die sich im Gehirn ihres heranwachsenden Sohnes abspielen würden.

Okay, ich habe begriffen. Und ich habe nicht nur einen Sohn, bei dem einschlägige Sendungen auf dem Hypothalamus laufen, sondern auch eine Tochter, die es vor Mitschülern zu schützen gilt.

Besonders seit sich Schüler als Sportassistenten ausbilden lassen können und bei Turnfesten Hilfestellung am Reck oder Barren geben. Eigentlich geht es diesen Jungs aber um die Bay-Watch-Nummer am schulischen Freischwimmbecken.

Das Blickfeld eines männlichen Teenagers in den Zeiten des „Testosteron-Tsunamis“.

Als Prinzessin mir im vergangenen Sommer erzählte, ein Junge aus den höheren Jahrgängen habe sie am Rande des Schwimmbeckens gefragt, in welche Klasse sie ginge, gab es für mich kein Halten mehr.  Ich tippte „Sportbadeanzug mit Rollkragen“ in die Google-Leiste ein. Die Suchmaschine brauchte ungewöhnlich lange. Schließlich spuckte sie Hersteller aus, die sowohl Badeanzüge als auch Rollkragenpullover führen. Aber keiner hatte den modischen Mut, beides zu kombinieren.
Ob Prinzessin bereit wäre, einen Neopren-Anzug zu tragen?

Ich klapperte Sportgeschäfte und Kaufhäuser ab, aber kein Modell fand die Gunst von Madame Meerjungfrau. Es wurde Herbst, Winter und noch mal Winter. Kaum war es ein bisschen wärmer, eröffnete die Klasse von Kronprinz (15) die Freibadsaison. Es wurde immer enger. Im Rüschen-Bikini und auch zeitlich.

Aber dann kam der Regen. Tagelang. Und endlich entdeckte ich in einem örtlichen Sportgeschäft einen Badanzug, der Gnade vor Prinzessin fand.

Jetzt kann der Sommer und das Schulschwimmen kommen.

Immer fröhlich im Fluch auch den Segen sehen

Uta

  • So entgeht meine Tochter (knapp 12) dem Schulschwimmen unbeabsichtigt für drei Wochen: sie hat sich beim Ohrenarzt endlich die lang ersehnten Ohrlöcher stechen lassen – und darf jetzt drei Wochen lang nicht am Schwimmen teilnehmen! Wusste ich vorher allerdings nicht, sonst hätte ich die Aktion in die Sommerferien verlegt.
    Liebe Grüße
    Jorin

  • Sehr schön geschrieben 😉
    Tritt doch mal mit Sportfirmen in Kontakt. Mit diesem Post dürfte denen doch klar werden, wie beliebt das Rollkragen-Modell bei den Müttern sein wird! Und du wirst bestimmt am Gewinn beteiligt!
    Liebe Grüße! Sonja

  • zum schulschwimmen kann ich nicht viel beitragen 😉

    die geschichte mit dem mann und dem pferd finde ich allerdings spannend… ich bekam sie vom tibetischen reiseleiter in tibet erzählt… sozusagen als die denkweise des buddismus. nichts ist nur gut oder nur schlecht… alles ist irgendwie ausgewogen. musste daher gerade ziemlich schmunzeln, am anderen ende der welt noch einmal davon zu hören.

    liebe grüße
    julia

  • „Sportbadeanzug mit Rollkragen“ – ich lach mich schlapp!
    SUPER!

    Na, das kann ja noch heiter werden, mit den Pupertieren!

    Danke für den beruhigenden Ausblick,
    Papagena

  • Liebe Uta,
    meine Mama sagt immer „wer weiß, wozu das gut ist“, wenn ich mich mal wieder über irgendwas ärgere. Ich fand diesen Satz soooo doof, denn schließlich wollte ich doch unbedingt diese eine Wohnung, schließlich wollte ich doch unbedingt diesen einen Kurs besuchen …
    Jetzt lese ich Deinen Beitrag und den Kommentar von Julia und ihrer Tibet-Reise, und denke: stimmt! Wie schön diese Einstellung doch ist! Und ab heute darf meine Mama ihren Satz wieder aufsagen ;-))))
    Liebe Grüße,
    die Geschichtenerzählerin Dorthe ;-)))

  • LÄchel, ich habe hier einen Pubertierenden 15 Jährigen, und kann dir nur recht geben !
    der hat auch nur Mädchen im Kopf und jede Woche ist eine Neue die Schönste.
    Aber anhimmeln ist doch okay. Nach seiner ersten Beziehung , hsat er von festen Freundin ist er erstmal kuriert und sagt er betrachtet sie lieber von der Ferne. Beziehung ist nur nervend. Hoffentlich bleibt das noch etwas länger so! schmunzel.
    Tschüss
    Doris

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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