Prinzessin (12) wollte wieder mit dem Reiten anfangen. Deshalb waren wir gestern zu einer Probe-Reitstunde in einem großen Stall, den wir nur vom Hören-Sagen kannten.

In der Halle vier Reitschülerinnen zwischen zehn und 13 Jahren, in der Mitte Herr Hohlbein*, der Leiter der Reitschule.

Es wurden Steigbügel nachgezogen, es wurde angetrabt, es wurde geschnaubt und gepupst (die Pferde), es wurde geschimpft (Herr Hohlbein).

Prinzessin musste mit Luna aus der Formation ausscheren und neben dem Reitlehrer halten.

Wie sie denn die Gerte halte und warum sie keine vernünftigen Reithandschuhe hätte und ob sie kein T-Shirt tragen könne, das nicht rutscht. Ein anderes Mädchen musste durchparieren, weil der Gurt unter ihrem Helm zu locker war.

Gut, dachte ich, der Mann legt Wert auf Sicherheit. Das ist wichtig in einem Reitstall.

„Ich habe gesagt ‚angaloppieren‘. Warum gibst du dem Pferd keine Hilfen? Du sollst hinten reinsitzen. Zügel lockerer.“ -„Zügel zu stramm.“ -„Fersen nach unten.“ – „Was machst du mit der Gerte?“ – „Ach“, Hohlbein lachte höhnisch, „heute setzten wir die Gerte mal ganz  e-m-o-t-i-o-n-a-l  ein.“

In den ersten Runden warf Prinzessin mir ein Lächeln zu. Aber dann war es verloren gegangen in dem Gebrüll, dem braunen Staub, dem Klackern der nass gesabberten Trensen.

Gut, dachte ich, man soll die Kinder nicht in Watte packen, ein bisschen Disziplin und Ordnung kann nicht schaden.

„Soll das ein Zirkel sein, Annabell? Ich habe gesagt, du sollst den Zirkel ausreiten“, brüllte Hohlbein, zog seine ärmellose Weste straff über die geschwollene Brust und räusperte sich: „Ich stehe in dem Ruf, dass ich meine, was ich sage…“

Hohlbeins Gebrüll in der ganzen Halle, nur ab und an ein Hufschlag gegen die Bande. Ein Kater schlich sich durch die Tür.

Viele Tiere hier, dachte ich, Pferde, Hunde, Katzen und ein Gockel.

„Der Herr Hohlbein“, fragte ich eine Mutter, die neben mir auf der Tribüne saß, „ist der immer so oder hat er einen schlechten Tag?“ –

„Das ist ein Reitlehrer der alten Schule. Aber die Kinder lernen viel.“ –

„Ach, und wie lange reitet ihre Tochter schon bei ihm?“-

„Zwei Jahre.“ –

„Und wie verträgt sie das so?“ –

„Manchmal gibt es Tränen. Aber wir gehen immer zu ihm, weil bei ihm die Pferde so gut parieren.“

 

Ja, „abäppeln“ und die Reitlehrer alter Schule aus der Halle räumen!

Jetzt hatte Hohlbein wieder Prinzessin im Visier. „Du sollst beim Leichttraben nur umsitzen, wenn der Rhythmus nicht stimmt. Nicht, weil ich dich anspreche.“ – „Okay, mach ich.“ – „Du sollst auch nicht ‚okay‘ sagen, du sollst machen, was ich sage.“ – „Okay, … äh, tschuldigung“. „Du sollst mich auch nicht angucken, wenn ich mit dir spreche, sondern gucken, wo du hinreitest.“

Mutter litt auf der Tribüne. Ich merkte, wie ich dem alten Gartenstuhl aus Plastik, in dem ich saß Galoppierhilfen gab, ich presste meinen Hintern tief in das schmuddelige Kissen, schlang meine Beine außen um die Stuhlbeine und drückte die Waden entschieden gegen das Plastik. Ich presste die Lippen zusammen, richtete meinen Blick starr auf die Bande. Der Stuhl parierte, aber das Gebrüll ging weiter.

Schließlich trottete ich erschöpft hinter Luna und Prinzessin in die Luna-Box. Prinzessin zerrte den Sattel vom Pferd. „Soll ich eine weitere Probestunde buchen?“ fragte ich flüsternd. – „Bist du des Wahnsinns“, zischte sie. „Hier komme ich nie wieder hin. Du kannst froh sein, dass ich dem Typen keine gelangt habe.“

Mein Mund stand so weit offen, dass ein Strohballen hineingepasst hätte.

Benommen nahm ich den Reithelm, wir verabschiedeten uns.

„Ach, sieh mal einer an: Madame lässt Mama alles tragen und läuft unbeschwert nach Hause.“ –

In der Stallgasse drehte ich mich um. „Herr Hohlbein“, sagte ich, „keine Sorge, diese Dinge regeln wir unter uns.“

Dann war endlich Ruhe.

Jeden Tag lerne ich ein bisschen mehr Wehrhaftigkeit von meiner Tochter.

Immer fröhlich sich von den Kindern „eine Scheibe abschneiden“ und sich nie abfinden mit dem Drill der „alten Schule“, denn Lernen durch Erniedrigung hat noch nie funktioniert, auch wenn es immer noch Menschen gibt, die daran festhalten

Uta

*Name von der Bloggerin geändert

  • 🙂
    Jo!
    Von solchen „Reitlehrern“ gibt es mehr als man ahnt. Die meißten nimmt ihr Stil aber selber so mit, dass sie es nur unter viel Alkohol schaffen dem treu zu bleiben!

    Irgendetwas in mir hat mich dazu gebracht meine Jugend dennoch im Reitstall zu verbringen- auf einige Erfahrungen hätte ich aber gerne verzichtet!

    Viele Grüße
    Anke

    p.s.: den Anfängern haben wir, damals Jugendlichen, Unterricht erteilt- das war besser für die Mitgliederzahlen des Vereins…

  • Wirklich cool das ihr dieser Reitschule den Rücken gekehrt habt. Grosses Lob an deine Tochter:o)
    Wir suchen schon soooo lange nach einer tollen Reitschule.
    Ich habe ein tolles Konzept im Kopf, leider im Moment die Möglichkeit nicht dazu! Aber vielleicht bald!
    Viele Grüsse von Marion

  • Wie gut das tut,so etwas zu lesen,sonst denke ich noch ,ich bin vom anderen Stern.Ich danke dir! Liebe Grüße von Silke Schmidt!

  • Waah! Dabei wohnt ihr so weit weg, aber ich schwöre, so einen hatte ich auch in zwei verschiedenen Reitställen zwei solcher Typen!!! Das ist einmal 18 Jahre her und der dananch habe ich auch versucht anders anzufassen, ich wollte erwachsener auftreten und so. In der ersten Stunde bin ich mit 16 heulend vom Pferd gestiegen. Als ich 18 war hat er mich endlich ernster genommen. Der meinte er müsse jeden, der von einem anderen Stall käme erstmal fertig machen. Komisch, dass diese Leute auch noch zulauf haben. Mit 16 habe ich das wenigstens selber entschieden und nur wegen der Islandpferde ausgehalten. Im ersten Stall hatte ich einen üblen Sturz, weil die Pferde draußen auf dem Platz durchdrehten, weil sie nie aus der Box und der Halle raus kamen.
    Tss, ich wünsche Euch einen gutes Händchen für den nächsten Stall, es soll ja auch noch nette geben. Ich gehe zur Zeit bei einer Freundinn, die zwei Pferde hat entspannt reiten mit den Kindern. Noch habe ich eine begeisterte fast dreijährige, die immer traben will.*lach

    Liebe Grüße und Daumen hoch an deine Tochter! Sowas muss man sich definitiv nicht antun!
    LOLO

  • Nicht nur in Reitställen, sondern auch auf Fußballplätzen gibt es solche Choleriker, die die Kinder beschimpfen, wenn sie nicht die erwartete Leistung gebracht, sprich das Spiel gewonnen haben. Und leider benehmen sich einige Väter und Mütter (ja, leider auch die) am Spielfeldrand kaum besser…

  • Ich fand es ja fast beruhigend, als ich bei den ganzen Ponyhoferinnerungsartikel feststellen durfte, dass diese unfreundliche Art so eine Reitlehrerkrankheit zu sein scheint, und meiner kein Einzelfall war und es vor allem aber auch nicht an mir lag.

    Was es irgendwie ansonsten nicht besser macht.

  • Musste trotzdem lachen…. Reitlehrer alter Schule, bitte entsorgen! Gerne auch Reitfrauen mit Haaren auf den Zähnen und Gerte am Schenkel… Vielleicht findet ihr ja was netteres….gibts bestimmt!
    Wir haben ja einen ganz tollen Reitlehrer, auch etwas speziell, aber sicher ohne Profilierungsproblem.
    Liebe Grüsse!

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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