Seit vergangenen Sonntag läuft in diesem Haus ein Experiment:
Wir, der Soßenkönig und ich, geben Prinzessin (12) (fast) völlige Freiheit.

  • Sie darf jederzeit an den Computer oder das iPad (es sei denn, jemand anderes möchte daran).
  • Wir fragen sie nicht danach, ob sie die Hausaufgaben fertig hat.
  • Wir lassen sie ins Bett gehen, wann sie möchte.
Vergangenen Sonntag haben wir ihr dieses Experiment vorgeschlagen.
Ich habe ihr gesagt, dass ich keine Lust habe, noch länger die Polizistin zu spielen und zu kontrollieren, wie lange sie am Computer ist, ob das iPad unter der Bettdecke liegt, die Vokabeln gelernt, die Schulsachen gepackt sind.
Wir haben gesagt, dass wir von klein auf bei ihr beobachtet haben, dass sie alles, was sie wirklich will, erreichen kann (selber Schleifebinden und Fahrradfahren beigebracht).
Wir haben gesagt, dass sie uns fragen kann, wenn sie bei Schulaufgaben Hilfe braucht. Dann helfen wir. Allerdings nur bis 21 Uhr abends.
Prinzessin war erleichtert. Ist ja auch ein Schock, wenn plötzlich beide Erziehungsberechtigten im Zimmer stehen und ein Gespräch wollen. Sie willigte freudig ein.
Ihr fragt euch, was das wieder für ein Projekt ist?
Immer wieder schreibe ich von Vertrauen und dass das die Kinder stärkt. Trotzdem wurde ich immer wieder rückfällig. Ich habe befürchtet, als zu weich zu gelten, als jemand, der verantwortungslos ist oder – für mich das Schlimmste – als jemand, der es sich zu leicht macht.

Schluss damit!

Magnet-Schild von Julia

Nach vier Tagen neuer Freiheit ziehe ich eine erste Bilanz:

  • Die Stimmung ist deutlich besser.
  • Ich freue mich jetzt, wenn sie aus der Schule kommt.
  • Sie geht für meinen Geschmack zu spät ins Bett (22.30 Uhr), steht aber ohne zu meckern um 6.30 Uhr auf.
  • Sie gibt mehr eigenes Geld für online-Spiele aus (das sehe ich, weil die Abrechnung bei mir landet).
  • Sie hat gestern mit Hausaufgaben begonnen, die nicht für den anderen Tag waren.
  • Ich höre sie den halben Tag singen.
  • Sie bleibt nach den Mahlzeiten länger am Familientisch sitzen.
Am Montag hat sie mir beim Mittagessen erzählt, wie sie sich die Zeit einteilen möchte und hat so viel aus der Schule berichtet, dass ich fast Fieber gemessen hätte. Auf dem Weg in ihr Zimmer machte sie auf der Treppe noch einmal kehrt und umarmte mich stürmisch.

Als ich die Brille gerade gerückt und die Haare gerichtet hatte, stand ich noch eine Weile in der Küche und spürte das Glück in meinem Körper kribbeln.
Ob es von Dauer ist, werde ich berichten.
Immer fröhlich den Mut haben, sich zu verändern
Uta

    • Ups . Ich hoffe, ich werde nicht missverstanden. Grundschulkinder brauchen schon eine gewisse Struktur. Zum Beispiel: Schule – Mittagessen – Ausruhen – Hausaufgaben – Draußen spielen/Freunde treffen – und dann vielleicht ca. 30 – 45 Minuten Nintendo. Das ist stark vom Alter abhängig.
      Und Kinder unter 10 Jahren würde ich nicht alleine im Internet surfen lassen.

      Herzliche Grüße und danke für den Kommentar!

      Uta

  • Liebe Uta,

    deine „Vertrauen-Themen“ finde ich immer wieder großartig.
    Dass du dich so auf dich und die Kinder verlassen kannst ist super. Sie entwickeln ihren Rhythmus, tragen die Konsequenzen und Eigenverantwortung und kommen fröhlicher ins Familienleben, was will man mehr. Sie haben das beste Rüstzeug.
    Ich hoffe, du schreibst weiter über diese Dinge. Ich habe nämlich die Hoffnung, dass ich das durch das Lesen das sooo sehr verinnerliche und meinen Herzbuben auch dieses Vertrauen zeigen kann. Insgeheim bin ich nämlich bestimmt eine verpuppte Kontroll-Freak-Mutter („Hast du den Turnbeutel/die Hausaufgaben/dein Pausenbrot/an die Verabredung gedacht?“). Könnte ich mir vorstellen. Seufz. Noch sind wir allerdings in dem Stadium (Kita-Alter), in dem ich an alles denken muss. Außer an die Stofftiere oder Bücher, die unbedingt mit in die Kita und anschließend wieder mit nach Hause müssen.
    Wo ich allderings, im Gegensatz zum Buben-Papa, ganz entspannt bin, sind scharfe Messer, Klettertürme etc. Immerhin. 🙂

    Danke übrigens auch für den Buchtipp (Steve Biddulph), ich bin den Herzbuben etwas auf die Schliche gekommen.

    Ein herrliches Wochenende,
    Frieda

  • Coole Idee….bei uns startet Montag die Schule und ich mache es dir mal nach.
    Denn ich habe festgestellt, dass ich den Ferien nachmittags total entspannt war.
    Das lag eindeutig daran, dass er Hausaufgaben-Ermahndienst mich nicht so geschlaucht hat. Ich probier´s aus!
    Vielleicht umarmt mich mein Großer dann auch mal wieder stürmisch (allein dann wäre das Experiment schon geglückt).

    Eleonore

  • Auch bei uns geht die Schule am Montag wieder los. Unsere Tochter geht gerne und auch die Aufgaben und das Lernen klappt bisher von selbst (kommt in die 6. Klasse Gym.)
    Und was soll ich sagen, auch ich kontrolliere eher mal und das mit den Bettgehzeiten ist ein großes Problem. Bisher war 21:30 Uhr Ende, aber meist wird noch heimlich bis sehr spät gelesen. Nicht, daß ich Lesen schlecht finde, aber bis spät in die Nacht während der Schulzeit? Aufstehen ist ja nicht so ihre Stärke.
    Vielleicht sollte ich auch mal dieses Experiment starten und sehen, was dabei herauskommt.
    Auf Deine weiteren Erfahrungsberichte bin auch ich gespannt.
    LG Bärbel

  • Ich mache das auch schon eine Weile so,die Kinder gehen von allein ins Bett und Hausaufgaben kontrolliere und ermahne ich nichtAusser die 3 Jährige..Bei Computer und Co haben wir uns mal auf Zeiten geeinigt und die halten sie einigermaßen ein.Da erwische ich mich leider noch,wenn ich sage,Du hast die Uhr im Blick,ja???
    Ich lass da jetzt auch mal locker.
    Bei mir ist mein Mann dann aber der der nicht so vertraut und plötzlich nach Hausaufgaben fragt und ermahnt.
    Das mit dem Angebot finde ich gut,das muss ich von Zeit zu Zeit wieder in den Raum werfen,denn meine Tochter ist eher der Vermeider,wenn es unbequem wird .Hat schon so doofe Erfahrungen gemacht.
    Liebe Grüße und ein sehr entspanntes Wochenende wünscht Silke Schmidt!

  • 😉 Klingt gut!
    Hast du übrigens gelesen, dass ich dein Experiment aufgegriffen und die große Tochter nicht mehr an meine Seite pfeife? Klappt meist super und ich bin ganz begeistert!
    Liebe Grüße! Sonja

  • Liebe Uta,
    ich bin schon gespannt auf weitere Berichte.
    Ich kenne auch das Gefühl, als jemand zu gelten, der es sich zu einfach macht. Aber eigentlich finde ich, dass es sich die meisten unnütz zu schwer machen 🙂 Und es gibt sie tatsächlich die Kinder, die von Geburt an das durchsetzen und schaffen, was sie wirklich wollen, aber auch ganz genau wissen, was sie nicht wollen. Es ist Zeit- und Energieverschwendung, sie ständig eines Besseren belehren zu wollen.
    Ich lese gerade die Berichte, die mit deiner Tochter zu tun haben, besonders gerne, weil ich darin mein derzeit 3jähriges Töchterchen sehe, wie sie in 9 Jahren sein wird 😉 Vieles, was du schreibst, erkenne ich jetzt schon (z.B. eigenwillige Kleiderordnung).
    Also danke, dass du die Ergebnisse deiner Experimente mit anderen teilst!
    Viele liebe Grüße!
    Jenny

  • Liebe Uta,

    ich hätte da einen Langzeitbericht – bei meiner Großen habe ich dieses Experiment mit 13 gestartet (auf ihr Verlangen hin) und es ist gut gegangen! Nächstes Jahr maturiert sie … Beim Kleineren wäre es theoretisch schon so weit, aber da funktioniert das noch nicht. Außerdem beginnt er heuer in einer neuen Schule – da warte ich lieber noch ein Jährchen 🙂

    Fazit: wenn das Kind bereit dazu ist: loslegen mit loslassen!

    Liebe Grüße,
    Claudia

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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