Lieber Fels in der Brandung als Küstenwache 

 30/08/2018

11 Erkenntnisse, die helfen, dass Kinder mehr in sich ruhen.

Ich habe das Buch „Der kleine Homo sapiens kann’s!“ der Schweizer Therapeutin und Pädagogin Rita Messmer zur Besprechung zugeschickt bekommen. Nicht alles, was sie schreibt, konnte ich nachvollziehen. Trotzdem habe ich viele Einsichten aus ihrem Werk mitgenommen und möchte sie hier mit euch teilen.

  • Urvertrauen: In den ersten drei Monaten braucht der Säugling eine verlässliche Versorgung. Er ist neu auf der Welt. Da ist der erste Eindruck wichtig. Er benötigt Menschen, die auf seine Signale reagieren, bei Bedarf eine warme Brust voller Nahrung oder mindestens eine Flasche, gemütlich genuckelt in einem weichen Arm, Mamas Duft in Riechweite, Kuscheln ohne Ende und vertraute Menschen, die sich zeitnah kümmern, wenn der Magen drückt, die Windel voll ist oder irgendeine Unsicherheit die kleine Seele plagt. Dies ist die Zeit, in der die Bedürfnisse des Babys komplett gestillt werden sollten. Der „Tragling“ – denn das ist der Mensch, ein Wesen, das anfangs darauf angewiesen ist, getragen zu werden, – fühlt sich wohl auf dem Arm, im Tuch am Körper, möglichst hautnah bei den Menschen, die seine Sippe bilden. Und je feinfühliger die Eltern oder andere Bezugspersonen die Signale des Säuglings deuten und darauf reagieren können, umso besser für die Bindung. Das Kind merkt: „Dies ist ein guter Ort, prima Leute um mich rum, hier kann ich bleiben. Offenbar bin ich richtig, so wie ich bin.“

 

  • Die Signale achten. Wenn das Baby dann etwas älter ist und beim Füttern den Mund zukneift oder sogar auf den Löffel schlägt, dann höre ich auf, es zu füttern. Über seine Grundbedürfnisse weiß es besser Bescheid als ich. Offensichtlich ist es satt. Ich dränge kein Essen auf. Meine Aufgabe ist es, Angebote zu machen. Zum Beispiel mit dem Schnuller sanft über seinen Mund zu streichen, um herauszufinden, ob es daran saugen möchte („Der kleine Homo sapiens kann’s“, Seite 94). Aber meine Aufgabe ist es nicht, ihn ihn den Mund zu pressen. Spuckt es den Schnuller im hohen Bogen aus, weiß ich Bescheid. Und wenn ich das weinende Baby mit einer Rassel ablenken will, es aber weiter weint und den Rücken durchdrückt, kann ich sicher sein: Ich bin auf dem Holzweg mit meinem Rasselgefuchtel. Häufig ist weniger zu tun, als wir denken. Manchmal reicht es, das Baby mit den immer gleichen Lauten zu beruhigen oder mit sanfter Stimme zu sagen: „Alles ist gut. Du kannst dich entspannen.“ Manchmal weint es, um wieder in seine Balance zu kommen. Und das darf dann auch sein.

 

  • Als Mama und Papa die Führung übernehmen: Wenn das Kind beginnt, sich selbst fortzubewegen, verschieben sich die Akzente. Hat Mama* ihr Leben bisher komplett nach ihm ausgerichtet, kann nun das Kind langsam lernen, sich umgekehrt auch auf die Bedürfnisse der Menschen auszurichten, in deren Gemeinschaft es hineingeboren wurde. Die Schweizer Therapeutin Rita Messmer spricht in ihrem Buch vom „Nachfolgewillen“ (ebenda, Seite 79). Wie das Entenküken seiner Mutter, folgt auch das Menschenkind im übertragenen Sinne seinen Eltern. Nicht ganz so stringent. Aber die Tendenz ist ähnlich. Das Kind ist durch die Evolution so geprägt, dass es sich an die Bedürfnisse seiner Eltern und seiner Sippe anpassen kann und will. Es folgt ihnen auch im wörtlichen Sinne. Wenn es auf Entdeckungstour geht, hat es seine Hauptversorger meistens im Blick hat und kehrt nach kleinen Abenteuern immer wieder zu ihnen zurück. Bin ich dem Einjährigen aber aus lauter Schutzbedürfnis immer auf den Fersen, bekommt er nicht die Möglichkeit, zu lernen, auch selbst für sich zu sorgen. Laut Messmer ist hier – etwa mit einem Jahr – der Punkt, wo viele Eltern auf einen Weg geraten, der für die Familien auf lange Sicht schlecht funktioniert. Sie bleiben in dem Modus der totalen Bedürfnisbefriedigung aus den ersten Wochen nach der Geburt, reagieren auf jeden Mucks und kreisen um das Baby und Kleinkind, als wäre es die Sonne in ihrem System. (Hier schreibt eine, die genau das mit dem Kronprinzen gemacht hat und dann mit tiefen Ringen unter den Augen und einem Körpergewicht von 46 Kilogramm total ausgebrannt auf seiner Einschulungsfeier stand.) Aber weiter im Text: Seht ihr was passiert? Wenn ich nicht in die Führung gehe und dem Kleinkind das Signal gebe: „Auch meine und anderer Leute Bedürfnisse zählen.“ kommt sein angeborener Nachfolgewillen nicht zum Einsatz und verkümmert. Es erfährt die Welt als einen Ort, an dem es ständig jemanden gibt, der es bei Laune hält. Das Kind kommt nicht in seine eigene Kraft.

 

  • Was heißt das konkret? Ich schaffe z.B. zu Hause einen sicheren Ort für das Kleinkind, einen Ort, an dem es ungestört die Welt erkunden kann und immer wieder zu einem Erwachsenen zurückkehren kann, wenn es Schutz braucht. Mama* hat es mit einem Auge im Blick und kann in gewissem Maße ihren Beschäftigungen nachgehen. Sie ist der sichere Hafen, den das Kind aufsuchen kann, aber nicht die Küstenwache, die ständig über dem Kind kreist. Und auch nicht der Animateur, der immerzu für Unterhaltung sorgt. Hier liegen die zarten Anfänge von Selbstverantwortung. Das Kind lernt im ganz kleinen Stil, für sich zu sorgen. Die Natur hat es so eingerichtet, dass sich das gut anfühlt. Das Kind spürt seine eigene Stärke. Und Mama hat ihm den Raum dafür gelassen. So wird Liebe zur Ermächtigung. Hier ist der Anfang dafür, dass das Kind in „seine eigenen Schuhe kommt“.

 

  • Bitte versteht den vorherigen Punkt nicht falsch. Klar muss ich auf ein Baby, das krabbelt oder gerade laufen kann, sehr achten und ihm häufig auch folgen. Im Einkaufszentrum oder an der viel befahrenen Straße kann ich mich nicht verhalten wie eine Indianermama auf der idyllischen Urwaldlichtung. Aber auf meine innere Haltung kommt es an: Ich führe. Nicht das Kind. Ich fange an, immer mehr nach Gelegenheiten Ausschau zu halten, wo ich das Hinterher-Rennen sein lassen kann. Ich kann im Supermarkt langsam um die nächste Ecke gehen. So kann das Kind seinen Nachfolgewillen ausleben. Es lernt, dass es auch nach mir schauen muss, und nicht nur ich nach ihm. Ich achte seine Bedürfnisse, kann ihm aber immer häufiger zumuten, auch auf meine zu achten. Jetzt ist es vielleicht acht oder neun Monate alt und kann es aushalten, dass ich zum Beispiel dusche und es davor in Sichtweite in der Wippe liegt. Und ich weiß, dass es ihm nicht schadet, auch wenn es mal kurz weint. Es erlebt, auch mit Frust zurecht zu kommen.

 

  • Zu der inneren Haltung gehört auch, dass ich Sicherheit und Klarheit ausstrahle. Für kleine Kinder ist es der pure Stress, wenn sie spüren, dass die Eltern unsicher sind. Da schrillen in ihnen alle Alarmglocken. „Wenn Eltern immer wieder zweifeln, ob etwas gut oder schlecht für das Kind ist, ist das der weitaus größere Risikofaktor, als ob man es so oder anders macht,“ schreibt Rita Messmer (Seite 128). Worum es inhaltlich geht, ob es Süßigkeiten essen darf oder nicht, ob es diese Kindergruppe besucht oder lieber jene, ob es schon bei Oma übernachten darf oder man lieber noch damit wartet … Wie die Entscheidungen ausfallen, ist weniger wichtig, als dass die Eltern sie selbstbewusst treffen. Wir wissen, dass wir auch mal Entscheidungen treffen, die sich im Nachhinein als nicht so günstig erwiesen haben. So what! Wir geben nicht nur den Fels in der Brandung. Wir sind der Fels.

 

  • Noch einmal zum Thema „Führung“ und „Nachfolgewille“: Rita Messmer behandelt als Craniosacral-Therapeutin Erwachsene und Kinder. Mit ihren Händen erfühlt sie Spannungen im Körper und behandelt diese mit Berührungen und sanftem Druck. In ihrem Buch beschriebt sie mehrere Situationen aus der Behandlung von Kindern. Wenn zum Beispiel ein Dreijähriger auf ihrem Behandlungstisch sitze, würde sie ihm und seiner Mama genau beschreiben, was nun passiert. Zudem bietet sie ihm an, ein Spielzeug und ein Buch zum Angucken mit auf den Tisch zu nehmen. Das ist der Rahmen für das Kind. Die Eltern und die Therapeutin haben entschieden, diese Behandlung durchzuführen. Das „ob“ steht nicht zur Diskussion. Aber innerhalb dieses Rahmens kann das Kind entscheiden, was es mit auf den Tisch nimmt. Schmeißt es ein Spielzeug runter, hebt Rita Messmer es nicht auf. Verlangt es nach weiteren Büchern, besteht sie auf den Vorhandenen auf dem Tisch. Wenn das Kind dann weint, darf es weinen. In Messmers Augen ist Weinen in vielen Situationen ein Mittel zur Selbstregulation und Beruhigung. Sie bleibt liebevoll oder eher neutral. Weinen darf sein. Sie bleibt gelassen. Und sie bleibt ohne Wertung bei dem von ihr vorgebenen Rahmen: das vom Kind ausgewählte Buch und Spielzeug auf dem Tisch. Viele Kinder, so schreibt sie, blättern die Bücher hastig durch, verlangen schnell die nächsten. Die Eltern sagen dann gerne Sachen wie: „Du hast es ja noch gar nicht richtig angeschaut, mach jetzt mal dieses oder jenes.“ Rita Messmer aber gibt Kindern keinerlei Anweisungen und korrigiert sie auch nicht. Sie reagiert auch nicht, wenn sie mehr Bücher verlangen. „Ich bin auch nie aggressiv. Für mich ist wichtig, ruhig, gelassen und klar zu sein. Schon bald können die Kinder eine ganze Stunde mit einem einzigen Buch verweilen. Sie fangen an zu singen oder zu plaudern oder sind in sich selbst versunken. Diese Kinder haben in ihre Mitte zurückgefunden.“ (Seite 110/111) Auch wenn mich manche Beispiele von Rita Messmer irritiert haben, bin ich doch sehr fasziniert von den meisten ihrer Schilderungen. Viele Kleinkinder sind überfordert von dem ungeheuren Entscheidungsspielraum, den die Eltern ihnen in bester Absicht überlassen. Gefällt dir diese Therapeutin oder nicht? Möchtest du mit zu Oma oder nicht? Magst du lieber Karate oder lieber Fußball? All das sind Fragen, mit denen sich schon Kinder im Vorschulalter herumschlagen müssen. Was für eine Bürde! Und sie haben gelernt, dass ihre Eltern sofort auf kleinste Zeichen des Unwohlseins und Unglücklichseins reagieren. So sind sie bald nicht mehr in der Lage, mit dem kleinsten Frust allein zurecht zu kommen. Sofort gibt es Gespräche, noch mehr Aufmerksamkeit, noch mehr Spielzeug, noch eine Runde „Memory“, noch längere Erklärungen, Verhandlungen, Kompromisse … Unglaublich viel Reden und eine unglaublich große Erschöpfung. Dass die immense innere Spannung von solchen Kindern abfällt, wenn sie bei Rita Messmer einen klaren Rahmen vorfinden, kann ich gut nachvollziehen und es hat mich beim Lesen sehr beeindruckt.

 

  • Immer wieder führt die Autorin auch Beispiele an von ihren vielen Reisen um die Welt, wo sie einige Zeit bei naturnahen Volksgruppen verbracht hat. Die Kinder dort hat sie als sehr viel ausgeglichener erlebt als Kinder in unseren westlichen Gesellschaften. Die Eltern würden dort von Anfang an das Kind führen. „Sie kommen erst gar nicht auf die Idee, das Kind zu fragen: ‚Du, ich muss jetzt Holz holen, ist das okay für dich oder soll ich lieber hier bleiben?‘ Für den Nachwuchs ist das auch kein Problem. Es ist biologisch gar nicht anders vorgesehen. Er wird auf den Rücken gepackt, und ab geht es an die Arbeit. So habe ich das bei den Mongolen, den Indianern, in Afrika, Südamerika beobachten könne, und selbst im heutigen Thailand sah ich nie quengelnde kleine Kinder.“ (Seite 38/39)

 

  • Überhaupt, das viele Reden. Wir Erwachsene verarbeiten fast alles mit dem Verstand. Und so setzen wir auch bei den Kindern auf ihre Einsicht, wenn wir unsere Grenzen ziehen. Wir glauben, wenn sie es nur verstehen würden, warum wir so handeln, würden sie uns für weniger lieblos halten. So ergießen sich über viele kleine Kinder langatmige Erklärungen und Vorträge. In den ersten Jahren lernt ein Kind aber hauptsächlich nach dem Verhalten, das ihm vorgelebt wird, nicht nach Worten, mögen sie noch so logisch sein. Dem Kleinkind auf dem Schoß kann ich erklären, dass die Brille, nach der es greift, sehr teuer war und es deshalb die Finger davon lassen soll. Es wird es nicht verstehen, sondern fasziniert davon sein, dass es mit einem Handgriff einen solchen Redeschwall auslösen kann. Wow! Also nochmal! Und wieder zerrt es an dem Bügel. Ich kann ihm auch ein scharfes „Nein“ entgegen schleudern, wenn es auf die Gleichtsichtgläser patscht. Fasziniert wird es registrieren, dass große Menschen auch ganz andere Tonlagen können und dass es mit einem so simplen Brillen-Runter-Zieh-Spiel so eine große Aufregung erzielt. „Das ist ja spannend!“, sagt es sich innerlich. „Ob ich das wohl noch einmal auslösen kann?“ Schließlich wird der Erwachsene böse, weil er fälschlicherweise annimmt, das Kind wolle ihn ärgern. Dabei spult sich im Inneren des kleinen Homo Sapiens nur das angeborene Abenteuer- und-Lern-Programm ab. Wenn ich nicht will, dass das Kind nach meiner Brille greift, setze ich es auf den Boden. Fertig. Keine großen Erklärungen. Kein Ärger. Kein Verstimmt-Sein. Kein Schimpfen. Das ist seine einzige Möglichkeit zu lernen, dass das Verhalten unerwünscht ist. Folglich brauchen wir Sprache wohl, um ihm Geschichten zu erzählen und einen großen Wortschatz anzuhäufen. Um aber Verhaltensänderungen beim Kleinkind zu erreichen, eignet sich unser ganzes Gerede wenig.

 

  • Autonomie: Möglichst alles, was das Kind alleine machen will, alleine machen lassen! Rita Messmer schreibt, dass sie das Kind nach der Behandlung allein vom Tisch steigen lässt. Sie macht keine Vorschläge. Sie reicht keine Hand. Sie ist sich sicher, das Kind wird von selbst den Weg vom Tisch auf den Stuhl und wieder auf den Boden finden. Ihr wißt, dass ich finde, man sollte das nicht zu verbissen sehen. Wenn meine Vierjährige nach einem langen Kita-Tag sich nicht allein die Schuhe zubinden mag, weil sie es genießt, ein wenig von Mama betüdelt zu werden, mache ich das und wir beide genießen die Nähe. Warum sich in einen Machtkampf verstricken? Aber immer wenn mein Kind alleine etwas machen will, etwas ausprobiert, irgendwo hoch klettern will, etwas zusammensetzen oder waschen will, greife ich nicht ein, ich korrigiere nicht und lasse es einfach gewähren. Die Schweizer Therapeutin nennt als Klassiker, dass Erwachsene dazu neigen, das Bilderbuch umzudrehen, wenn ein Kind es falsch herum in der Hand hält. Ich fühlte mich ertappt. Aber sie hat Recht. Woher wissen wir, dass der kleine Mensch nicht gerade aus der Auf-dem-Kopf-Betrachtung etwas lernt? Eingreifen also nur, wenn ernste Gefahr droht (ein aufgeschlagenes Knie zähle ich nicht dazu).
  • Das Kind führen und seine Autonomie achten – das scheint sich zu widersprechen. Rita Messmer unterscheidet hier den „Raum“ des Kindes und den „Raum“ der Mutter oder des Vaters. Bewegt das Kind sich in seinem „Raum“, geht es um seine ureigensten Angelegenheiten wie zum Beispiel, ob es jemandem Fremden die Hand geben möchte oder nicht, ob es den Stift in der linken oder rechten Hand hält, ob es das Buch auf dem Kopf anschauen möchte, ob es die Sonne gelb oder grünkariert malt, ob es lieber Frischkäse oder Salami essen möchte … , greife ich nicht ein. Ich gebe wohl den Rahmen vor: ich bestimme die Zeit, wann wir Abendbrot essen und wo wir es tun, ich bestimme das Angebot auf dem Tisch. Das ist mein „Raum“ als Mama oder Papa. Ob sich das Kind dann für Knäckebrot oder die Vollkornschnitte entscheidet, ist seine Sache. Es sollten je nach Alter nur nicht zu viele Entscheidungen sein, die das Kind treffen muss. Das kennen wir ja von uns selbst. Nicht umsonst tragen manche Führungskräfte jeden Tag grauen Pulli und die gleiche Hose dazu, weil sie diese Entscheidung nicht auch noch fällen wollen.

Immer fröhlich die Kinder machen lassen und dabei ihr Fels in der Brandung bleiben,
eure Uta

*Ich spreche meist der Einfachheit halber von der Mama, es kann aber natürlich auch der Papa sein oder eine andere erwachsene Hauptbezugsperson.
PS: Ich danke dem Beltz-Verlag für das Rezensionsexemplar!

  • Sehr schön geschrieben!! Ich versuche das wirklich umzusetzen und werde daher von vielen als recht entspannte Mama wahrgenommen. Nur im Supermarkt ernte ich in letzter Zeit mehr schräge Blicke, wenn ich es einfach hinnehme, dass sich meine 1,5 jährige Tochter lautstark beschwert, dass sie die Gummibärchen nicht haben kann…

  • Mein Lieblingssatz: „Ich achte seine Bedürfnisse, kann ihm aber immer häufiger zumuten, auch auf meine zu achten.“ Das Zumuten würde ich gerne noch mit einem Zutrauen ergänzen. Diese ganz wesentliche Haltung habe ich von unserer Hebamme mitgenommen, die klar formuliert, dass es bei allem Umgang mit dem Kind im Wesentlichen auch darum geht, dass wir unserem Kind auch zutrauen, dass er / sie meinen Raum respektieren und mein Regeln einhalten KANN. Diese Perspektive prägt unseren Alltag und tut mir gut, sie macht mir vieles leichter.
    Liebe Grüße Theresa

  • Was mich bei den Vergleichen mit Naturvölkern immer stört, ist, dass wir doch ganz anders Leben. Mein Kind ist nicht den ganzen Tag an meiner Seite und reibt Maniok. Wir haben beide einen stressigen Tag getrennt voneinander und dann ist es klar, dass abends gequengelt wird. Oft kann er auch nicht alleine spielen, sondern kommt ständig angetobt und will bei mir sein. Es gibt da kein „so ist es richtig, so ist es falsch“

  • Ich glaube, du hattest schon einmal etwas zum Thema Das Kind führen o.ä. geschrieben. Hatte ich jedenfalls positiv in Erinnerung. Aber das mit dem Erklären… ich denke da vielleicht ein bisschen anders. Einfach aus Erfahrung. Als meine Älteste (jetzt vor einem Monat 3 Jahre alt geworden) ein Baby war, hab ich mich mit einer Freundin, die von Beruf Logopädin ist, unterhalten über das sprechen lernen der Kinder. Sie hatte mir nahe gelegt mit meinem Kind ganz normal zu reden, denn sie lernen genau das zu verstehen, was man ihnen sagt. Quasi: „hier kommt dein leckerer Apfelbrei“ verstehen sie genauso früh wie „Guck ma, happa happa“.
    Das beherzige ich bei allen drei Kindern. Genauso den Rat einer Hebamme, die mir sagte:rede mit deinem Baby und erzähle ihm alles, was du gerade tust. Ich denke, dass man einem Kleinkind sehr wohl erklären kann, dass es die Brille nicht runterreißen darf. Bei unserer Großen ist es sogar fast immer so, dass sie Dinge erst tut und akzeptiert, wenn man ihr einen plausiblen Grund dafür liefert und wenn es nur die Erklärung ist: „ich möchte nicht, dass du das nimmst, weil es gefährlich ist.“ (Gefahr ist zum Glück ein plausibler Grund) oder „ich könnte die Colaflasche aufmachen, aber ich tu es nicht, weil du dir sonst selbst was eingießt und Cola nichts für Kinder ist“.
    Das funktioniert bei uns super.
    Ich meine damit nicht, dass alles in eine endlose Diskussion ausarten muss. Dafür habe ich bei drei kleinen Kindern nicht die Zeit, geschweige denn die Nerven 😀
    Und manchmal müssen sie auch hören, ohne es zu verstehen. Aber meiner Erfahrung nach hilft das Erklären schon eine Menge.
    Aber sonst finde ich die Anregungen gut. 🙂
    Viele Grüße
    Nelli

  • Liebe Uta,
    ich kann Deine Ausfuehrungen in Deinem Blog dazu, dass eine klare innere Haltung hilfreich ist, viel abgewinnen. Auch an den Inhalten des Buchs spricht mich einiges an. Einige Passagen klingen fuer mich nach Deiner Beschreibung aber als nicht so ueberzeugende Pseudobegruendungen dafuer, warum es okay ist, den Kindern mehr Anpassung abzuverlangen, die es den Eltern leichter macht. Brauchen Saeuglinge wirklich nur « in den ersten drei Monaten » eine verlaessliche Versorgung, bei der ihre Beduerfnisse im Vordergrund stehen? Und sind Kinder wirklich schon so frueh wie beschrieben in der Lage, die Beduerfnisse anderer zu achten und sie vor die eigenen zu stellen? Wenn man ihnen das kognitiv und emotional schon zutraut, warum sollten sie dann gleichzeitig so ueberfordert von Kompromissen und Erklaerungen sein? Das ist fuer mich nicht ganz stimmig.
    Es ist sicher richtig, dass man Kindern nach dem Saeuflingsater schrittweise
    mehr Frustration zumuten kann, und es gibt auch genug Situationen im Alltag, in denen sich solche Frustrationen auf natuerliche Weise ergeben. Ein von Eltern gesetzter « fester Rahmen » ohne Spielraum fuer Beduerfnisse des Kindes ist aber nicht die Art von familiaerem Zusammenleben, die ich meinem Kind beibringen will. Warum nicht eine Viertelstunde spaeter Abendessen, wenn das Kind gerade noch hochkonzentriert ein Bild fertigmalt und ich es nicht eilig habe? Ruecksicht, wo es mir nicht schadet, und das Bemuehen um Kompromisse und Erklaerungen (in altersangemessenem Stil) gehoeren fuer mich zum Ernstnehmen von Kindern dazu, und Kindern einen solchen Umgang miteinander zu lehren, scheint mir auch ein wichtiges Erziehungsziel. Warum sagt man nicht einfach klar, dass es in Familien sich wiedersprechende Beduernisse gibt und man einen gesunden Ausgleich finden muss (statt zu konstruieren, dass wir eine fruehe Anpassung « dem Kind zuliebe » einfordern muessen?). Dass Eltern auf ihre Grenzen und ihre Kraft achten, ist wichtig und legitim – aus Gruenden der Selbstfuersorge und ohne dass man dafuer Konstrukte wie den « Nachfolgewillen » des Kindes bemuehen muesste.

  • Liebe Uta,
    das klingt alles sehr spannend und scheint so eine Art „Schweizer Modell“ zu sein. Ich habe ein Buch des Schweizer Pädagogen Heinz Etter, es heißt „Erziehen im Vertrauen – Das Join-up-Konzept“. Inhaltlich ähnelt das Buch sehr dem von Frau Messmer.
    Ich finde den Ansatz gut nachvollziehbar und sehr interessant.
    Danke für diese ausführliche Buchvorstellung.
    Christina

  • Well written review. We are raising our child along the lines of Ritas book and it is helping her to be herself, confident, open and honest. Ritas book will strengthen your intuition, a lot of the content feels right. We can give our children the tools they need for this life if we are willing to take the time to see what they need. I would recomend this book to all parents and people working with children.

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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