Rettet das freie Spiel! 

 08/07/2020

Immer mehr Kita, immer weniger Selbstentfaltung?

Dass die Kindertagesstätten wieder geöffnet sind, wird für euch eine Erlösung sein. Gar keine Betreuung und unendlich viel Zeit im trauten Heim zu haben, war vielleicht manchmal idyllisch. Die meisten Familien aber haben die vergangenen Monate der Corona-Beschränkungen an die Grenze ihrer Belastbarkeit geführt und die Dankbarkeit dafür vergrößert, dass es inzwischen so viele Möglichkeiten der Kinderbetreuung in unserem Land gibt. Gerade in diesen Zeiten wird aber auch die Frage immer dringlicher, wie eine gute Betreuung aussieht. 

Während der Recherchen für einen Magazin-Artikel bin ich auf die Doktorarbeit von Tilmann Wahne gestoßen. Sie befasst sich damit, wie das Verständnis und der Umgang mit Zeit schon in der Kita und der Grundschule geprägt wird. Anders gesagt: Zwingen wir schon die Kleinsten in unser erwachsenes Termin-Korsett? Müssen sie „funktionieren“ in Institutionen, die vermeintlich der frühen „Bildung“ dienen, oder haben sie genügend Möglichkeit zum freien Spiel, zur Selbstentfaltung und zum Entdecken dieser Welt? Zum einfach ICH-SELBST-SEIN?

Foto von Tatiana Syrikova von Pexels

Seit 1996 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für die Dreijährigen (und älter) und seit 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für die Ein- und Zweijährigen. Seither ist der Ausbau der Kindertagesstätten in Deutschland nahezu explodiert. Wir haben in den vergangenen Jahren die bisher größte Kraft- und Ressourcenanstrengung für eine flächen- und familiendeckende Kleinkinderbetreuung in der Geschichte der Bundesrepublik erlebt. Innerhalb von elf Jahren wurde die Zahl der Plätze allein für die unter 3-Jährigen in der Kindertagesbetreuung um das mehr als zweieinhalbfache aufgestockt. (Autorengruppe, Seite 68, siehe Quellen) Und der Ausbau geht mit Hochdruck weiter. 

Inzwischen ist die Zeit, die Kinder in der Kita verbringen, genauso lang oder noch länger als ihre Grundschulzeit, nämlich vier oder sogar fünf Jahre. Bis zu fünf Jahre verbringen sie vor ihrer Schulzeit in einer Institution außerhalb ihrer Familie. 

Und zwar nicht nur ein paar Wochenstunden zur Entlastung ihrer Eltern. Nein! Und jetzt ein Zitat aus dem aktuellen Bildungsbericht im Auftrag der Kultusministerkonferenz der Länder und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: „Für unter 3-Jährige wurden im Jahr 2017 im Schnitt 37,1 und für Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schuleintritt 37,5 Wochenstunden gebucht.“ (Autorengruppe, Seite 73) In Ostdeutschland aufgrund der Sozialisation durch staatliche Krippen zu DDR-Zeiten noch extremer: Dort werden aktuell für Kinder unter drei Jahren Betreuungsumfänge von mehr als 40 Stunden vereinbart (2017 durchschnittlich 42,7 Wochenstunden, Autorengruppe, Seite 73). 

 Bundesministerium für Bildung und Forschung


„Im Mittel sind die vereinbarten Betreuungsumfänge (für Kinder von 1 Jahr bis zum Schuleintritt, meine Einfügung) damit länger als die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeiterwerbstätigen.“ (Seite 73)


Ich habe wieder und wieder in der Doktorarbeit von Tilmann Wahne gelesen, ich habe einzelne Quellen aufgerufen, ich habe mir den Bildungsbericht runtergeladen und - weil ich es schwarz und weiß auf Papier haben musste - ausgedruckt, bis die Tinte leer war. Es stimmt: Eltern in Deutschland buchen 30-, 35-, 40-Stunden-Wochen für unter 3-Jährige!

Dass die über 3-Jährigen bis zur Einschulung einen Kindergarten besuchen, ist klar. Wenn wir uns aber fragen „Zwingen wir Kinder durch Institutionalisierung zu früh in ein strenges Zeitkorsett?“, ist eines noch wichtig zu wissen: vor allem Mädchen, aber auch Jungen werden immer früher eingeschult. Zwischen 2003 und 2012 haben acht Bundesländer den Stichtag nach hinten verlegt, so dass dort auch Kinder, die im Sommer und Herbst noch fünf Jahre alt sind, der Schulpflicht unterliegen. (Autorengruppe, Seite 82) 

Aber zurück zu den ganz Kleinen: Das Ganze geschieht mit dem Argument der Bildung („Neuakzentuierung der ersten Lebensjahre als Bildungszeit“, ebenda Seite 61) und mit dem Argument, „herkunftsbedingte Ungleichheit“ würde abgemildert, wenn Kinder möglichst früh und lang in der Kita sind. Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund und Kinder mit bildungsfernen Eltern - so die Idee - würden durch möglichst frühe Betreuung außerhalb der Familie den Anschluss nicht verlieren. 

Müssen wir aber deshalb komplett die frühe Kindheit institutionalisieren? Wäre es nicht sinnvoller, gezielt den Familien zu helfen, deren Kinder tatsächlich von klein auf Förderung von außen brauchen?

„Frühe Bildung“ und „Ausgleich sozialer Unterschiede“ sind zwei Gründe für den Kita-Ausbau. Der dritte Grund ist die Absicht, Eltern die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ zu ermöglichen. Waren 2006 noch 34 Prozent der Mütter von Kinder zwischen 1 und 3 Jahren teilweise oder voll berufstätig, lag der Prozentsatz 2016 bei 53 Prozent. Folglich sind inzwischen mehr als die Hälfte aller Mütter der Kinder zwischen 1 und 3 Jahren wieder im Job. Und die Männer sind sowieso überwiegend voll berufstätig, egal ob sie Kinder haben oder nicht.

Ich will hier nicht über Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen schreiben, ich will mir nicht darüber den Kopf zerbrechen, wie Erwachsene sich berufliche und familiäre Arbeit untereinander aufteilen. Dafür gibt es andere Blogs.

Als ich in meinen frühen Dreißigern Zeitschriftenredakteurin war und in einem Bürohochhaus mitten in Hamburg am Schreibtisch saß, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als mit mindestens zwei Kindern Laternen zu basteln, Pfannkuchen zu backen und aufgeschlagene Knie zu verarzten. Ich bin von Herzen dankbar, dass es so gekommen ist, dass ich diese Phase mit meinen Kindern intensiv erleben durfte. Ich bin dankbar, im Laufe der 90er Jahre zu 80 Prozent meiner Zeit (ich schrieb zwischendurch Artikel) Kleinkind-Mama gewesen zu sein. Denn der Druck, der heute auf den Müttern lastet, schnell wieder arbeiten zu gehen, ist enorm hoch. Ist ja klar. Wenn alle anderen in meinem Umfeld das machen, ist der Sog übermächtig, ebenso zu handeln. Außerdem sitze ich plötzlich allein am Spielplatz, während die anderen wieder in ihr Business-Kostüm schlüpfen.

Zurück zu den Kindern in Betreuungsinstitutionen und zurück zur der Doktorarbeit, die ich anfangs erwähnte. In diesem Beitrag geht es um die Frage, ob Kinder in Kindertagesstätten genug Zeit und Raum bekommen, um in ihr eigenes Spiel zu finden. Wie wir wissen, sind Kinder Meister darin, im Hier und Jetzt zu leben. Bis zum Ende der Grundschulzeit haben sie nur eine vage Vorstellung von Zeit. Sie leben im Moment, hadern mit keiner Vergangenheit, machen sie kaum Sorgen um die Zukunft. Im „Flow“ zu sein, wurde ihnen in die Wiege gelegt, und wird ihnen nach und nach von uns Erwachsenen ausgetrieben.

Aber wie furchtbar, dass wir Erwachsene, geplagt von der Termin-Verdichtung des digitalen Zeitalters, Kleinkindern unseren Umgang mit Zeit aufdrängen, oder? 

In einem Interview sagte der Religionspädagoge Martin Steinhäuser: „Kinder kommen durch das Spielen auf eine ganzheitliche Weise zu Erkenntnissen und Erfahrungen, ohne dass sie mit Erwachsenen darüber reden. Wenn sie sich mit einem Tisch und einer Decke eine Bude bauen mit Teddy und Kissen drin, entsteht darin eine eigene Welt. Wenn sie dann ganz vertieft in ihr Spiel sind, reden sie in einer Sprache, die Erwachsene oft nicht verstehen. In diesen Momenten der Vertiefung hört für sie die Zeit auf, dann tut sich ein Raum auf - und eine innere Unendlichkeit dehnt sich aus.“ 

Von innerer Unendlichkeit findet sich nichts im Bericht „Bildung in Deutschland 2018“ im Auftrag der Bundesregierung, aus dem ich die ganzen Zahlen vom Anfang dieses Beitrags hatte. Deshalb stellt sich die Frage: Wenn unsere Kinder sich früher und länger in die notwendigen Strukturen und Abläufe von Betreuungsinstitutionen einfügen müssen, bleibt da Raum für die innere Unendlichkeit? 

Foto von Ksenia Chernaya von Pexels

Jüngst ist Tilmann Wahnes Doktorarbeit über „Kindliche Zeitpraktiken im Kontext von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungszeiten“ veröffentlicht worden. Dazu beobachtete er Kinder in verschiedenen Betreuungseinrichtungen in der „Freispielzeit“. Lisa, zum Beispiel, die mehrfach von einer Erzieherin aufgefordert wird, das gestrige Laternenfest in einem Bild darzustellen, obwohl Lisa mehrfach deutlich macht, dass sie gerade gar nicht malen möchte. Tom ist sogar bereit, sich auf Bitten der Erzieherin künstlerisch zu betätigen, möchte aber ein Weltraumbild malen. „Dieser Wunsch wird von der Erzieherin mit dem Hinweis abgewiesen, dass für ein derartiges Motiv aktuell kein leeres Blatt vorhanden sei“, schreibt Wahne in seiner wissenschaftlichen Arbeit (Wahne, Seite 161). An anderer Stelle ist von der dreijährigen Merle die Rede, die 43 Mal von einer Erzieherin in ihrem Spiel gestört wurde und beharrlich genug war, sich immer wieder ihrem ureigenen Forschungsinteresse zuzuwenden. 

Die Befunde Wahnes zeigen, dass die Kinder einer „eigenen Sinngebung“ folgen würden, aber durch „Tendenzen zur Beschleunigung und Verdichtung“ immer wieder daran gehindert werden. Weil Erwachsene und Kinder ein so unterschiedliches Verständnis von Zeit hätten, entstünden regelmäßig Zeitkonflikte, „die sich zulasten der kindlichen Persönlichkeitsentwicklung … auswirken können“. (Wahne in der Zusammenfassung seiner Dissertation)

Ich kann mir vorstellen, dass die Laternenfest-getriebene Erzieherin unter Druck steht, den Eltern zu beweisen, dass in ihrer Kita viel an Programm und Bildung geboten wird. Da macht es sich gut, wenn im Foyer aufgehängte Bilder von den zahlreichen Angeboten der Kita Zeugnis geben. 

Und in der Familie? Da haben wir ja auch Zeitkonflikte. Muss es zu Hause unbedingt kind-gerechter laufen oder ist das nur meine Sicht, geprägt von den eigenen Bullerbü-Erfahrungen mit Kronprinz und Prinzessin?

Meine Erfahrung aus den Coachings ist, dass junge, bildungsnahe Eltern sich heute verstärkt unter Druck setzen, weil sie meinen, ihr Kind permanent beschäftigen, fördern und belehren zu müssen, wenn es denn mal zu Hause ist. Schließlich soll es bald in die Vorschule, Schule und schließlich auf das Gymnasium kommen. Der Druck ist groß. Genauso groß ist das Missverständnis über das kindliche Lernen. Viele erliegen dem Irrtum, es bräuchte ständig erwachsener Anleitung. Das Gegenteil ist der Fall: Das kindliche Lernen geschieht größtenteils aus sich heraus. Wir Erwachsenen sind zwar als sein Gegenüber wichtig, als Schutz- und Anlaufstelle und als jemand, der für eine spannende Umgebung sorgt. Aber das Belehren, Fördern und Drängen, etwas Sinnvolles oder Lehrreiches zu tun, können wir lassen. „Nach dem aktuellen Stand kindheitspädagogischer Forschung“, schreibt Tilmann Wahne, „ist Bildung Selbstbildung.“  Manche Eltern allerdings ersticken mit ihrem Förderwahn und ihrem Termindruck (um 15 Uhr Flötenkurs, 17 Uhr Ballett ….) jede Eigenmotivation im Keim und es kommt nie zu diesen unschätzbar wert vollen Kauderwelsch-Gesprächen mit dem Teddy in der Küchentischhöhle.

Was können Eltern tun, um ihren Kindern genug Raum für selbstversunkenes Spiel zu geben?

Kurz & knackig

  • Den Familienkalender checken und jeden Kinder-Termin nach seiner Notwendigkeit überprüfen.
  • Öfter mal zu Hause bleiben und sich treiben lassen. (Ich weiß, dieser Tipp klingt in Corona-Zeiten wie ein schlechter Scherz, aber da jetzt wieder alles lockerer ist, können wir vielleicht manche Errungenschaft aus der Lockdown-Phase beibehalten.)
  • Decken, Matratzen, große Kissen bereit halten zum Höhlenbau.
  • Dort Freizeit oder den Urlaub verbringen, wo Kinder ungestört durch die Natur streifen können. Lieber im Ferienhaus oder auf dem Campingplatz als in einer Hotelanlage mit einem durch-getakteten Betreuungsprogramm.
  • Im Gespräch mit der Erzieherin weniger Wert auf Programm als auf Freispiel legen.
  • Ich habe Hinweise entdeckt, wonach in Montessori-Kindergärten mehr Rücksicht auf das Zeitempfinden von Kindern genommen wird. Vielleicht habt ihr eine solche Einrichtung in eurer Nähe.
  • Geduld haben: Kinder, die permanente Anleitung und Bespielung gewöhnt sind, brauchen Zeit, um ihre inneren Quellen wieder zu entdecken.
  • Es einfach Kind sein lassen, mit Langeweile, Leerlauf und Zweckfreiheit.

Wie entkommt ihr dem täglichen Zeitdruck? Welche Möglichkeiten schafft ihr, um euren Kindern freies, in sich selbst versunkenes Spiel zu ermöglichen? Auf Kommentare und Ideen zu dem Thema bin ich sehr gespannt.

Immer fröhlich Kindern Zeit und Raum geben, sich selbst zu entfalten,

eure Uta 

PS: Das Buch "Liebe deinen Körper" hat Claudia gewonnen. Ich gratuliere dir sehr herzlich. Bitte sende mir deine Anschrift, damit ich es dir schicken kann.

Quellen:

* Autorengruppe Bildungsberichterstattung: Bildung in Deutschland 2018. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Wirkungen und Erträgen von Bildung. Gefördert mit Mitteln der Kultusministerkonferenz und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. Bielfeld 2018. 

* Tilmann Wahne: Kindliche Zeitpraktiken im Kontext von Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungszeiten. Eine qualitative Fallstudie in Institutionen des Elementar- und Primarbereichs. Leuphana Universität Lüneburg zur Erlangung des Grades: Doktor der Philosophie, eingereicht am 12.12.2019.

* "Warum Spielen so wichtig ist.", Interview mit Martin Steinhäuser in der Zeitschrift Familien-Sonntag, Frühling 2020. Vielen Dank an meine Blog-Leserin Anke für diesen Hinweis!

In meinem neuen Buch "Der Erziehungskompass" gibt es auch ein Kapitel darüber, wie viel oder wenig Anregung und Beschäftigung Kinder brauchen, dass sie sich ein Gegenüber wünschen, keinen Animateur und dass wir Eltern uns nicht von Angst, sondern von Freude lassen sollten. Am 1. September kommt es in den Buchhandel und hier kann man es vorbestellen. 

  • Liebe Uta,
    wie erschreckend, 40 Stunden in der Woche sind ganz schön viel. Unsere Kinder gingen damals ( sind jetzt schon 23, 20 und 15) nur bis 13.30 Uhr in den Kindergarten und auch alle drei erst ab drei Jahren. Die Zeit davor hatte ich mit ihnen zuhause und ich hatte viele Freundinnen, denen es ähnlich ging. Wir haben oft Ausflüge zusammen gemacht und uns am Spielplatz oder zuhause getroffen. Unsere Kinder waren immer erst spät im Kindergarten, meist wurde es 9 bis wir dort waren. Wir haben aber auch immer in Ruhe gefrühstückt und weil ich zuhause war, hab ich auch kein Kind für den Kindergarten geweckt. Wir hatten Langschläfer im Haus, die gerne bis 8 Uhr morgens schliefen, und dann hab ich sie auch gelassen (bin wohl selbst auch einer) denn spätestens in der Schule ist das alles vorbei.
    Der Bus für die weiterführenden Schulen fährt hier schon immer um Viertel vor 7 morgens, mit anschließend über einer halben Stunde warten vorm Unterricht denn die Fahrt dauert nur 20 Min.
    Meinen Kindern hat das nicht geschadet, als es sein musste, sind sie auch um 6 aufgestanden.
    Ich hab die Zeit mit den Kindern sehr genossen, mein Mann war beruflich sehr eingespannt und ich fand, einer muss verlässlich zuhause sein. Das gefiel mir bei meiner Mutter auch immer gut, dass sie da war und meine Kinder sagen das heute auch, es war immer jemand da, dem man alles erzählen konnte.
    Tränen bei der Eingewöhnung im Kindergarten oder auch in der Schule gab es nie, mit drei Jahren freuten sie sich auf ihr neues Leben als Kindergartenkind und ihre Zeit mit den anderen Kindern.
    Mir tun die jungen Mütter heute wirklich leid, dass sie so unter Zwang stehen, arbeiten zu müssen.
    Die Zeit geht so schnell vorbei und man kann sie nie wieder zurückholen.
    Wir haben uns letztens noch in unserer Stammtischgruppe, die aus der Krabbelgruppe vor 20 Jahren entstanden ist, darüber unterhalten. Bei uns war es kein Problem sich ehrenamtlich zu engagieren, in der Schule zu helfen, bei den Bundesjugendspielenoder beim Kuchenverkauf usw. Heute findet man dafür kaum noch Helfer. Keine Zeit einen Kuchen oder Muffins zu backen, oder gar mitzuhelfen. Es ist nur eine Phase im Leben und ich glaube man sollte sich die Zeit einfach nehmen und selbstbewusst dazu stehen, allerdings hatten wir auch noch die Sicherheit, dass die Männer länger für Hausfrauen haben zahlen müssen, falls die Beziehung scheiterte. Heute hat man keinen Anspruch mehr darauf und muss sehen wo man bleibt, da muss man doch arbeiten gehen wenn die finanzielle Sicherheit fehlt.
    Wie oft hab ich mir anhören müssen, wie du arbeitest nicht??? Als wenn Kindererziehung keine Arbeit wäre, heute im Nachhinein sehe ich ja, dass es genau der richtige Weg für uns war und es meinen Kindern gut getan hat. Meine Tochter z.B. sagt, sie würde es gern auch so machen und die ersten drei Jahre zuhause bei den Kindern sein.
    Es geht einfach um die Wertschätzung, wenn ich „arbeite“ wird das viel mehr geschätzt, als wenn ich mit meinen Kindern koche, backe oder spiele. Im Endeffekt liegt es an der Politik, wenn es Herdprämie heißt, wenn man sich um seine Kinder kümmert, dann läuft da schon etwas falsch.
    Erzieherinnen werden überall gesucht, aber Müttern wird fast abgesprochen, sich vernünftig um ihre Kinder kümmern zu können. Ich finde das einfach falsch.
    Kennst du den Film „Babies“? Er zeigt das erste Jahr im Leben von 4 Kindern, in der Mongolei, in Namibia, in Japan und in den USA. Der ist wunderschön und zeigt, das Kinder nicht viel brauchen außer Liebe und Zuwendung.
    Liebe Grüße
    Christina

    • Liebe Christina, danke, dass du deine Erfahrung mit uns teilst! Es würde wirklich gut tun, das, was man heute „Care-Arbeit“ nennt, höher zu schätzen. Unsere Bewertungen stehen uns unglaublich im Weg.
      Sicherlich müssen wir auch berücksichtigen, dass es nicht jedem so viel gibt, sich um Kinder zu kümmern, wie offenbar dir und mir. Ich kenne einige Eltern, die dafür nicht die Geduld haben oder wenig Erfüllung darin finden. Dann sollten sie nicht dafür entwertet werden (was du nicht tust, ich meine nur so allgemein), ihre Kinder überwiegend fremd betreuen zu lassen. So oder so – es kommt auf die Qualität an. Herzliche Grüße, Uta

  • Danke Uta! Ich bin schon lange der Meinung, dass für Kinder immer weniger Raum und Zeit bleibt, einfach sie selbst zu sein… ohne Aufgaben, Erwartungen und Zeitplänen. Das ist auch für Eltern nicht einfach… Langeweile „aushalten“, bis eine kreative Idee im Kind gereift ist… das ist anstrengend. Aber ich finde es lohnt sich – und braucht Zeit ohne Programm!

  • Ich möchte mich zum Aspekt Betreuungszeit äußern. Die genannten 40h oder mehr in Kita irritieren mich gar nicht so sehr wie andere.
    Ich selbst wurde über 40h fremd betreut…damals, vor über 30 Jahren.
    Ich war früh um 6 Uhr mit das erste Kind in der Kita und wenn die Erzieherin, die aufschloss, Verspätung hatte, wurde meine Mama schon unruhig, da sie ihre Bahn bekommen musste, um rechtzeitig bei der Arbeit zu sein. Sie hatte einen Fahrweg von knapp 1h. Demnach musste die Fremdbetreuung nicht nur die Arbeitszeit, sondern auch den Fahrweg abdecken. Mein Papa hat in einer anderen Stadt gearbeitet und war nur am WE bei uns, demnach konnte da keine Verkürzung der Zeit vorgenommen werden.
    Ich glaube aber, dass früher das freie Spielen eher möglich war als heute (kann ich aber natürlich nicht belastbar sagen). In meiner Erinnerung an die Kita-Zeit habe ich zumindest viel freies Spiel, Höhlen bauen und einfach nur Bilderbuch angucken im Kopf.

    • Liebe Meli, puh, wie muss das stressig gewesen sein für deine Mutter! Wie schön, dass du die Zeit trotzdem in guter Erinnerung behalten hast. Danke fürs Schreiben, viele Grüße, Uta

  • Liebe Uta,
    Ich finde auch, dass Kinder mehr Zeit für sich und ohne den Blick der Erwachsenen brauchen. Das versuche ich auch im Kindergarten deutlich zu machen. Leider gibt es da aber viele Eltern, die für jede kleine Schramme einen ausführlichen Unfallbericht der Erzieherin möchten und beim Abholen genau wissen wollen, was der kleine Schatz denn heute gelernt hat. Die langen Betreuungsstunden finde ich erschreckend, aber gut verständlich. Ich habe keine Unterstützung durch Angehörige und ohne Kindergarten sähe es schwer für mich aus. Die Corona-Zeit hat uns hier echt an die Grenzen gebracht. Ich denke, dass es vielen Eltern so geht. Zudem die Sache mit dem Unterhalt. Das ist echt nicht zu unterschätzen. Die Sorge, dass man alleine da steht, wenn die Beziehung scheitert oder gleich von Beginn an alleine ist, ist eine sehr existenzielle. Besonders im Hinblick auf Kinder finde ich das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ einen wertvollen Ansatz.
    Liebe Grüße
    Tabea

    • Liebe Tabea, ja, „was der kleine Schatz gelernt hat“, das scheint immer wichtiger zu werden.
      Du schreibst, dass du keine Unterstützung durch Angehörige hast. In dem in meinem Beitrag mehrfach zitierten Bericht „Bildung in Deutschland 2018“ habe ich die Zahl gefunden, dass mehr als 50 Prozent der Kinder in Deutschland in irgendeiner Form von den Großeltern mit betreut werden. Wenn man das nicht hat, ist es wirklich hart. Aber dieses Modell ist nun durch Corona stark gefährdet, was den institutionellen Ausbau der Kindertagesbetreuung noch dringlicher macht. Aber das nur am Rande.
      Ich sehe das neue Unterhaltsrecht sehr kritisch. Ist es nicht furchtbar, dass uns beim Eingehen einer Verbindung von Anfang an auf Schritt und Tritt der Zwang begleitet, auf jeden Fall für unsere Unabhängigkeit zu sorgen. So nach dem Motto: „Ich darf mich nicht zu sehr einlassen, das könnte gefährlich werden.“ Das tut der Partnerschaft überhaupt nicht gut.
      Ich danke dir für deinen Beitrag zum Thema! Herzliche Grüße, Uta

  • Liebe Uta,
    das sind schon eine Menge Stunden, die da gemessen wurden.
    Schräg an dem ganze Ausbau der Betreuungssituation in Deutschland ist, dass zwar mehr Plätze geschaffen wurden, die Qualität der Ausbildung aber nicht gehoben wurde. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe eine Erzieherausbildung und ein Frühpädagogik Studium abgeschlossen. Und leider liegt das Augenmerk sehr auf dem Ü3 Bereich, die U3 Kinder brauchen aber eine ganz andere Ansprache, als die älteren (Feinzeichen und Körperkontakt, Verlässlichkeit). Da aber gerade dieser Bereich ausgebaut wird/wurde, bräuchte es dort mehr Weiterbildung.
    Ich habe Dinge beobachtet und gehört, die wirklich gar nicht gehen, wenn man sich als professionell betrachtet, und mir die Tränen in die Augen getrieben haben.
    Außerdem darf nahezu jeder mit Kindern arbeiten. Es gibt keinen psychologischen Test, wie bei Polizisten. Und das habe ich in meiner täglichen Arbeit ständig gemerkt, was zur Folge hat, dass ich nicht mehr in dem Bereich arbeiten möchte.
    Ich will natürlich nicht alle Erzieher über einen Kamm scheren, das ist klar, ganz, ganz viele machen tolle Arbeit. Trotzdem würde ich sagen, dass der Gros sich erst einmal mit sich selber beschäftigen sollte, bevor er Kinder begleitet.
    Hach, zu dem Thema könnte ich noch viel mehr schreiben, vielleicht ein Punkt noch. Die meisten Eltern, die ich kenne, die ihre Kinder früh und lange in den Kindergarten schicken, sind eher aus der bildungsnahen Schicht, viele Kinder aus bildungsferneren Familien gehen gar nicht in den Kindergarten, schon gar nicht unter drei. Ich kenne die aktuellen Zahlen dazu nicht, aber so war es vor ein paar Jahren noch.
    Also liebe Mütter und Väter, wenn ihr glücklicherweise die Wahl habt, betreut eure Kinder möglichst lange zu Hause oder für nur eine kleine Stundenzahl in der Kita. Und schaut genau, wie sprechen die Erzieher mit den Kindern? Findet das auf Augenhöhe statt, ist der Umgang respektvoll? Lassen sie die Kinder aussprechen, dürfen die Kinder immer, immer, immer mit Wasser und Sand spielen, und ganz wichtig auch, wie läuft die Eingewöhnung? Ich habe in meiner Gruppe vier Wochen genannt, sonst nahmen wir die Kinder nicht auf. So lange hat es selten gedauert, aber die Eltern haben dadurch gespürt (und durch unsere Erklärungen), wie wichtig es ist, die Kinder möglichst schonend und entspannt an die neue Umgebung und die neue Bezugsperson zu gewöhnen.
    Liebste Grüße, Mechelke

    • Oh, liebe Mechi, danke für diesen wertvollen Zusatzbeitrag! Ja, das Thema Ausbildung der Erzieherinnen wäre einen eigenen Post wert. Durch den enormen Ausbaudruck der Kitas kann man sich vorstellen, dass gilt: je mehr Personal schnell gebraucht wird, desto niedriger hängt die Latte, was die Anforderungen an die Qualifikation und Persönlichkeit angeht. Und die hängt hierzulande sowieso sehr niedrig. Das ganze Gerede von der „frühen Bildung“ ist einfach ein Pressetext. Danke, dass du deine berufliche Innensicht mit uns teilst!
      Und ja! Wasser und Sand und alles, was gefühlt und ausprobiert werden kann, ist enorm wichtig für U3 und Ü3.
      Ganz liebe Grüße, Uta

  • Liebe Uta,
    35 oder 45 Stunden Betreungszeit klingt erst Mal erschreckend, aber oft ist es ja auch nur die gebuchte Zeit und nicht die Zeit, die die Kinder tatsächlich gehen. Meine Kinder hatten z.B. auch immer einen 45 Stunden- Vertrag, einfach weil wir ansonsten gar keinen Kitaplatz bekommen hätten. Einen anderen Vertrag konnten wir gar nicht abschließen. Das heißt aber nicht, dass die Kinder die Stunden auch immer genutzt haben – bei weitem nicht. 40 oder 45 Stunden waren sie in all den Jahren nicht einmal. Wir hätten es aber mal gekonnt, falls es beruflich nötig gewesen wäre und auch das war schon ein sehr beruhigendes Gefühl.
    Liebe Grüß,
    Claudia

    • Liebe Claudia, das ist ein wichtiger Aspekt, dass der gebuchte Betreuungsumfang vielleicht bei weitem nicht genutzt wird. Danke und liebe Grüße, Uta

  • Liebe Uta, ich finde diese Betreuungszeiten in der „Praxis“ nicht dramatisch. Meine Kleine (1 Jahr) ist ab halb neun im Kindergarten, dann freies Spiel, etwas nach 11 gibt es Mittagessen, dann zwei Stunden Mittagsschlaf, nach einer kleinen Vesper spielt sie u.a. mit dem grossen Bruder im wilden Kita-Garten, bis sie gegen halb vier abgeholt wird. Der „lange“ Tag ist also gut gegliedert. Dann haben wir zu Hause immer noch vier Stunden zum Buecherlesen, Kuscheln Höhlenbauen, Imgartensein oder was auch immer.

  • Liebe Uta,
    ich muss zugeben, ich bin über diesen Beitrag irritiert und verärgert. Du weißt, wie sehr ich deinen Blog sonst schätze.
    1. Bei uns haben alle einen 45 Stunden-Vertrag mit der Kita, das ist grundsätzlich immer bei einer Ganztagseinrichtung so geregelt. Unser Sohn (und die meisten anderen Kinder) bleibt max. 30 Stunden dort. Mehr haben wir noch nie genutzt.
    2. Die Arbeit hat lediglich in einem Gebiet 3 Einrichtungen (für die unter 3Jährigen) untersucht, von denen keine! eine spezielle Krippe ist. Alle sind altersübergreifend. In unserer Krippe ist die Alterstruktur bis 3. Zudem sind bei uns die Fachkräfte in der Regel zusätzlich auf U3-Kinder geschult. Es kommt also auf die Einrichtung an!
    3. Wir bekommen (wenn es das Wetter zulässt) häufig vor Dreck stehende Wechselkleidung mit. Bei uns wird regelmäßig draußen gematscht ohne Anleitung. Drinnen gibt es verschiedene Dinge wie Matratzen, Kissen, Decken, Bücher, … die zugänglich sind und die zum Freispiel genutzt werden… und bei uns gibt es viel Zeit zum Freispiel.
    4. Gibt es wohl genug Situationen, in den Eltern keine Wahl bleibt. Ich wäre wirklich gerne Zuhause, den Luxus habe ich aber nicht. Hier geht es nicht um Druck oder Karriere, hier geht es ums Überleben, um das tägliche Brot.
    5. Ob eine teilnehmende Beobachtung (wie objektiv ist das wirklich?) in einem konkreten Gebiet wirklich Aussage für alle Einrichtung unter 3 ist, wage ich zu bezweifeln.
    Ich habe die Promotion nicht gelesen, nur überflogen. Ganz bestimmt gibt es viele Einrichtungen, bei denen sich ein kritischer Blick lohnt! Ganz bestimmt gibt es auch Fachkräfte, die keinen guten Job machen.
    Aber: Es gibt auch genug von den anderen! Einrichtungen, die mit Herz die Kinder betreuen; wo Kinder sich wohlfühlen! Ein großes Dankeschön, an all die Fachkräfte, die mit großem Engagement die Vormittage für unsere Kinder gestalten und gestalten lassen.

    • Liebe Uta,
      auch ich habe schon bei den ersten Absätzen gemerkt, dass ich verärgert war, weil ich mich zu Unrecht bewertet und verurteilt gefühlt habe.
      Auch in der KiTa, in der meine drei Kinder schon mit unter drei Jahren waren, könnte man nicht nur die Stunden buchen, an denen die Kinder auch tatsächlich dort waren. Wir brauchten eine Betreuung über die Mittagszeit und die geringste Stundenzahl hätten wir nur buchen können, wenn die Kinder vor 12:00 abgeholt worden wären. D.h. aber nicht, dass sie dort auch tatsächlich über acht Stunden am Tag waren, sondern an Tagen, an denen sie länger bleiben mussten, haben wir sie auch so spät wie möglich gebracht.
      Beim dritten Kind hatten wir ein etwas größeres Einkommen und haben uns bewusst entschieden, deutlich mehr Stunden zu buchen, als wir in Anspruch nehmen wollten/müssten, weil sich das günstig auf den Personalschlüssel ausgewirkt hat. Ich weiß von einigen Eltern, die das ebenso gehandhabt haben.
      Ja, es gab dort auch Kleinstkinder, die vor unseren Kindern gebracht und nach ihnen abgeholt wurden. Aber die meisten waren deutlich kürzer dort und/oder haben auch noch einen nicht kleinen Teil der Zeit Mittagsschlaf gemacht.
      Es ist also nicht so „schlimm“, wie es den Zahlen nach scheint.
      Den Rest des Artikels lese ich dann, wenn der Ärger verflogen ist…;-)
      Liebe Grüße
      Sabine

  • Liebe Uta, ich möchte den Kommentar von Friederike aufgreifen, auch wir haben 8 h Betreuung am Tag gebucht, da das nächst mögliche 6 Stunden sind, und wir es nicht jeden Tag schaffen, die Kinder schon nach 6 h abzuholen. Die Stunden werden auch bei uns allgemein im Kindergarten bei weitem nicht ausgenutzt. Viele Kinder werden auch als Mittagskinder abgeholt. Zum zweiten möchte ich anmerken, dass es bei uns in der Region (Sachsen) aufgrund der Löhne in vielen Familien keine Frage des Wollens ist, wenn man nach einem Jahr wieder arbeiten geht. Der Verdienst des Mannes ist in vielen Fällen einfach nicht ausreichend, wenn dann das Elterngeld wegfällt. Ich für unseren Teil kann sagen, dass das Verhältnis von Freispiel und pädagogischen Teil in der Kita sehr ausgeglichen ist und die Kinder sehr entspannt sind. Man darf nie vergessen, dass auch eventuelle Studien immer Momentaufnahmen sind.
    Liebe Grüße und danke für diesen anregenden Artikel, der hoffentlich Eltern den Druck nimmt, Kinder im Kindergartenalter schon mit Hobbies zu verplanen.

  • Liebe Uta, vielleicht ist es nicht so entscheidend, ob die Kinder in einer Kindertageseinrichtung betreut werden oder zu Hause und wie viele Stunden jeweils. Vielleicht ist es viel wichtiger, was sie während der jeweiligen Betreuung machen (müssen).
    Ich denke, auch in der Krippe oder im Kindergarten könnte man die Kinder einfach „machen lassen“, damit wäre das freie Spiel dort genauso möglich wie zu Hause. Bedenklich finde ich aber wirklich, dass die Kinder nicht einfach „machen“ dürfen, denn schon ganz früh fängt die Beurteilung durch die Krippe oder den Kindergarten an. Da werden dem Kind Eigenschaften zugeschrieben und schriftlich festgehalten wie hilfsbereit, ehrgeizig, geschickt etc. (um nur ein paar positiv besetzte zu nennen)
    Ich frage mich wirklich, ob das schon bei Kleinkindern oder Kindergartenkindern sein muss. Eltern lesen das sehr gerne, aber was macht es mit den Kindern, wenn sie schon so früh in Schubladen gesteckt werden?
    Ich stelle mir noch eine andere Frage: Wenn nicht die Betreuungsperson andauern das „freie-Flow-Spiel“ unterbricht, sondern ein (Zwillings-) Geschwisterkind andauernd mitmachen will und deswegen „stört“, hat das den gleichen negativen Effekt?
    PS: Meine beiden fast 2-jährigen Kinder gehen 8-10 Stunden pro Woche in die Krippe.

  • Hallo, nun muss ich auch mal kommentieren. Zu den hohen Betreuungszeiten: in meiner Stadt (Köln) haben Eltern nicht wirklich eine Kindergartenauswahl, man muss nehmen, was man angeboten bekommt. Und dann darf man auch nicht wirklich entscheiden, wie viele Stunden man buchen möchte, der Kindergarten hat bestimmte Stundensätze, die man dann ebenfalls nehmen muss. Meine Kinder waren so offiziell gesehen auch ab 2 schon 45h betreut, aber das zeigt nur wie viele Stunden wir bezahlt haben. Tatsächlich haben wir nicht eine einzige Woche 30h davon genutzt. Ich finde es auch furchtbar, wie wenig Kinder dann Zuhause sind und wie wenig sie selbstbestimmt spielen können. Allerdings denke ich auch, dass viele Eltern das nur so nutzen weil sie von der Stadt gezwungen werden, es so zu buchen und zu bezahlen. Als zweiten Aspekt will ich noch meine berufliche Sicht schildern. Auch ich arbeite in einem Kindergarten. Ich finde Freispiel sehr wichtig. Aber viele Eltern wollen schöne Bastelarbeiten und ein volles Portfolio. Es ist ein stetiger Kampf, sich davon nicht unter Druck setzen zu lassen und den Kindern Zeit für das zu lassen, was ihnen aus sich selbst heraus gerade am wichtigsten ist. Auch von Leitungsseite her sind „vorzeigbare“ Inhalte gewünscht, damit die Homepage/ Flure/ Ordner gut aussehen und Eltern zufrieden sind. Ob das nun die Kinder interessiert??? Grüße nach HH!

  • Hallo, ich finde die kritischen Kommentare hier gut, deinText kommt etwas einseitig und erschreckend rüber mit den vielen Betreuungsstunden.
    Aber während der Corona Zeit, die ich hier sicher nicht beschönigen möchte…wir hatten hier wirklich auch ordentlichZoff, habe ich doch die Erfahrung gemacht, dass beide Kinder (4,6) sich irgendwann zusammengerauft haben und stundenlang versunken vor sich hin gespielt haben und verrückte Sachen gebastelt haben oder abgefahrene Sandburgen gebaut haben. Ich habe den Eindruck vorher gab es deutlich öfter Streit, bis es denn mal zum gemeinsamen Spiel kam. In der Corona Zeit haben die einfach da weitergespielt wo sie am Abend vorher aufgehört haben. Der Zoff, den ich oben erwähnt habe bezieht sich eher auf so Sachen wie das anziehen und losgehen. Schließlich gab es ja keinen Termindruck und jeder Ausflug war auf einmal verhandelbar. Und die Eltern brauchen doch mal Abwechslung 😉 Und wir haben auch nur einen Kindergarten ab 3 Jahren und nur bis 13 Uhr. Und nur einmal die Woche Sport. Trotzdem ist die Zeit im „normalen“ Alltag deutlich durchgetakteter. Also den Punkt mit der Zeit für freies Spiel finde ich trotz Kritik super wichtig!
    Viele Grüße Katrin

  • Liebe Uta, auch bei und war ganz klar, nach einem Jahr ging ich wieder arbeiten. Beim ersten Kind noch aus Wunsch, weil ich dachte, das wäre das Beste, auch für mich. Ich hätte die Elternzeit so gerne verlängert, aber es war finanziell nicht möglich. Beim kleinen Bruder waren es dann immerhin 16 Monate. Mein Mann und ich arbeiten beide nicht Vollzeit, er 34 Stunden, ich 30. Wir wohnen in Berlin und haben weite Wege, also fange ich früh an und der Papa bringt die Kinder zu 8 Uhr und ich hole sie 14.30 Uhr ab. Unser Geld geben wir ganz bewusst für unser Haus aus, hier haben die Kinder jeden Nachmittag Zeit mit uns ohne Stress. Natürlich dürfen sie zu Freunden, oder welche mitbringen (limitiert) und manchmal ist nachmittags auch nur einer von uns Eltern da, aber sie haben keine! Termine und dank Garten haben wir immer frische Luft ohne irgendwohin gehen zu müssen, was mich zB sehr stresst. Das ist der Kompromiss und wir sind zufrieden damit. Aber, wenn ich nicht müsste, würde ich momentan nicht arbeiten wollen und genieße die Möglichkeit mit Homeoffice und mehr zeitlicher Flexibilität mit den Kindern gerade sehr. Einziger verpflichtender Termin ist der Schwimmkurs sonntags für den Großen und er liebt es! Ich hatte eine Mama, die immer da war. Das war teilweise schön, aber doch habe auch meine Freunde beneidet, die in der Kita mittags schlafen durften und später im Hort einen Platz hatten.
    Schönes Wochenende:)

  • Hallo Uta! Dass viele Kinder mehr freies Spiel, weniger Beobachtung, mehr Langeweile und einfach Mal in Ruhe lassen gebrauchen könnten, sehe ich auch so.
    Dass deswegen eine zeitlich umfassendere Betreuung in Krippen/Kindergärten schlecht gemacht wird, finde ich falsch. Unter anderem wegen solchen Stimmen, habe ich mir über Jahre ein schlechtes Gewissen machen lassen. Bin nach der Arbeit losgehetzt mit dem Anspruch die Kinder so schnell wie möglich aus der fürchterlichen Betreuung zu befreien. So ein Käse. Wenn die Betreuung schlecht wäre, hätte ich meine Kinder niemals dort gelassen. Und wie oft, bin ich dann unverrichteter Dinge wieder abgezogen ohne Kind. Weil das noch weiterspielen wollte bis der oder die XYZ auch abgeholt wird. Selbst zu Hortzeiten bei den Schulkindern hatte ich noch diesen Anspruch. Jetzt nach vielen Jahren habe ich kapiert, dass mein Jüngster gerne bis Ende im Hort bleiben will. Weil es dort cool ist. Unterbewusst war ich damals noch auf meinen Mann sauer, der das schon direkt kapiert hatte und sich deshalb nie ein Bein rausgerissen hätte. Abgesehen davon gibt es auch für Kita-Kinder Ferientage, Urlaub, Wochenende und meinetwegen noch Kindkranktage. Genug Zeit außerhalb der Kita.
    Und ja sicher gab es andere Epochen/Zeiten, in denen der Fokus weniger auf den Kindern lag und diese einfach mehr sein konnten ohne dass dauernd ein Erwachsener reingequetscht hat. Doch diesen Zustand, den Du indirekt propagierst, nämlich ein Elternteil beim Kind/den Kindern zu Hause, den gab es meiner Kenntnis nach so vielleicht in der Nachkriegszeit, den 50ern oder 60ern. Als Mutti stolze Hausfrau war, kein Wahlrecht hatte und nur mit Erlaubnis des Ehemanns arbeiten oder Autofahren durfte. Die Kinder waren adrett gekleidet, sollten sich nicht schmutzig machen, um Muttis Hausfrauenqualitäten zu demonstrieren und mussten dem Onkel artig die Hand geben. Frauen haben in irgendeiner Art doch auch in den meisten Epochen gearbeitet. Und dann oder auch wenn nicht hat vielleicht eine Zofe, Tante, oder der Nachbar aufgepasst, die vielleicht gar keinen Bock drauf hatten. Auch nicht erstrebenswert.
    Die Mütter, die ich kenne und die zu Hause sind, und aktuell gerne 3 oder 4 Kinder bekommen, weil es IN ist, kreisen um die selibigen. Da klingeln den Kinder garantiert die Ohren. Ständig wird den Kids hinterhergerannt. Im Glauben einen superbindungsorientierten Ansatz zu verfolgen. Hier Mund abwischen, da mit Essen und Trinken dem Kind hinterherlaufen. Die Kinderzimmer erinnern an ein Spielzeuggeschäft.
    Sicherlich ist der Aspekt der frühkindlichen Bildung im Zusammenhang mit Kinderkrippe je nach Zielgruppe eher Quatsch.
    Und ja. Kinder sollten mehr Möglichkeit zum freien Spiel haben. Punkt. Aber warum das in der Krippe schlechter geht als woanders erschließt sich mir nicht.

  • Hallo Uta,
    ich bin ganz bei dir, was das freie Spiel betrifft. Aber zumindest in unserer Kita habe ich da die Erfahrung gemacht, dass es sehr viele Möglichkeiten zum freien Spiel gibt. Seit Corona leider etwas eingeschränkt, da es kein offenes Konzept mit großer Bewegungsfreiheit mehr geben darf. Für mein Kind gibt es trotzdem noch viel mehr Möglichkeiten als zu Hause, allein schon wegen der Spielpartner für das Einzelkind. In der Zeit ohne Kita hatte ich entweder tolle Angebote machen müssen oder selbst als Spielpartner für das freie Spiel zur Verfügung stehen müssen. Das fand ich beides weniger artgerecht als die Kita.
    Längere Betreuungszeiten finde ich auch nicht negativ. Gerade die U3 Kinder machen doch meistens noch Mittagsschlaf, der einige Zeit in Anspruch nimmt. Bei 35 Stunden in der Kita (45 Stunden gebucht) ist mein Kind 7 Stunden in der Kita und wir haben noch 7 Stunden Zeit zusammen. Finde ich jetzt ausreichend, und etwas länger Kita fände ich auch nicht schlimm.

  • Nun muss ich doch auch etwas dazu schreiben, hauptsächlich aufgrund der anderen Kommentare. Viele machen den Eindruck, als wäre das alles ganz anders, deshalb will ich kurz meine Seite schildern.
    Auch hier ist es so, dass Krippenplätze hauptsächlich Vollzeit vergeben werden, ABER was gebucht wird, muss auch eingehalten werden. Soll heißen: hab ich bis 16 Uhr gebucht, darf ich frühestens 15:30 abholen. Es darf zwar Ausnahmen geben, aber bloß nicht zu viele. Denn damit zeigt man angeblich, dass der „Bedarf“ nicht so hoch ist und sie den Platz lieber an jemanden vergeben, der ihn dringender braucht. Wir hatten damals lang gesucht, um einen Halbtagesplatz zu bekommen, und der war so furchtbar, dass wir den Zwerg wieder raus genommen haben. Am Ende ist keines unserer Kinder unter 3 in Betreuung gewesen und ich bin froh darüber.
    Und zum Punkt, wenn die Betreuung schlecht wäre, wären die Kinder ja nicht dort: dem ist nicht so, viele Eltern sehen weg, reden sich ein, dass alles nicht so schlimm ist – manche vielleicht aus Notwendigkeit, viele eher aus ihrer eigenen Vorstellung heraus.
    Wie schwierig es ist, tatsächlich zu sehen, dass es dem Kind dort nicht gut geht und die Konsequenz zu ziehen (und seine eigenen Pläne zu ändern), merkt man erst, wenn es so weit ist…

    • Liebe Alexandra, vielen Dank, dass du deine Erfahrungen geschildert hast. Interessant, dass offenbar in manchen Einrichtungen Druck entsteht, doch das Gebuchte zu nutzen. LG Uta

  • Liebe Uta, ich habe gerade das Gefühl, dass ich verurteilt werde, weil mein Kleiner kein Programm nach der KiTa hat in Form von täglichen Verabredungen und/oder Sportkursen. Selbst beim Kinderarzt wird gefragt, in was für Vereine mein Kind geht. Er ist 4! Er muss nächstes Jahr schon eingeschult werden und er muss in 2 Wochen für die Anmeldung in der Schule eine Probe-Schulstunde absolvieren mit fremder Lehrerin und 5 fremden Kindern, während ich im Sekretariat bin. Mir ist heute obgleich dieser Information der Schule, fast der Hörer aus der Hand gefallen. Ich bedauere es sehr, dass ich mein Kind in dieses Korsett quetsche und es stimmt mich traurig, dass ich außer Auswandern keine Alternative habe. Die Schul- und Wochenarbeitszeiten, in diese die meisten von uns gepresst werden, sind nicht Gott gegeben, sondern von Menschen gemacht. Wo ist die Zeiteinsparung für die Kinder und Erwachsenen wegen der Digitalisierung? Was sollen 40 Stunden Wochen? Der Menschheit und vor allem den Kindern geht viel eigentliches Leben verloren… Nachdenkliche Grüße von Vanessa

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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