Der Lümmel-Tag 

 08/05/2020

Selbstdisziplin funktioniert nur, wenn wir uns auch das Gegenteil erlauben

Seit Jahren arbeite ich im Home-Office und erfahre jeden Tag: das geht nicht ohne Disziplin. Aufstehen um 6 Uhr, Meditation, ein paar Zeilen lesen in einem inspirierenden Buch, schreiben in meinem „Bullet-Journal“* (Was ist mir wichtig heute?), etwas Sport, Duschen, Frühstück und dann ab an den Schreibtisch. Keine Verabredungen am Morgen, keine privaten Telefonate, keine Coachings. Ich bin verabredet mit dem Schreiben. Ob ich etwas auf das Papier bringe oder nicht. 

Mein aktuelles Journal. Vorne drauf habe ich eine Postkarte von dem Gemälde "In einem Kaffeehaus" von Josse Goossens geklebt.

Manchmal ist es ein Artikel für eine Zeitung oder Zeitschrift, mal ein Blog-Post wie heute Morgen oder seit einigen Wochen die Arbeit an meinem nächsten Buch. Ja!!!! Nach mehr als zwanzig Jahren als Mama, nach der Lektüre von drei Metern pädagogischer Literatur, nach acht Jahren Eltern-Selbst-Reflexion auf dem Katzenklo-Blog, nach fünf Jahren als Coach und in einer nicht abreißenden Zeit, in der es mein Liebstes bleibt, Ideen für das Familien-Glück zu sammeln, schreibe ich alles auf. Also das, was ich für wesentlich halte. Die Essenz sozusagen.

Im Herbst wird das Buch in „meinem“ Verlag Ellert und Richter erscheinen. In vier Wochen muss ich das Manuskript abgeben. Und deshalb - dachte ich - brauche ich noch mehr Disziplin als sonst. Lauf-Sachen am Vorabend bereit legen, Aufstehen eine halbe Stunde früher, Rechner um 8:30 Uhr hochfahren …. Selbst geschlafen wurde hier nach Stechuhr. 

Ich weiß nicht, war es der Vollmond, war es ein Kummer, den mein Mann hatte, war es der Buch-Count-Down, war es der Kaffee, den der Kronprinz - neuerdings von der Barista-Leidenschaft erfasst - am Nachmittag gebrüht hatte? Auf jeden Fall lag ich am Dienstag zwar pünktlich im Bett, konnte aber die halbe Nacht nicht schlafen. Der Mond ließ sich nicht dimmen, das letzte Buchkapitel nicht konzipieren, das Kopfkissen nicht wie gewohnt formen, die eigenen Arme waren mir fremd, die Knie scheuerten aneinander (dabei gehören doch beide mir) und ich war so wach wie selten tagsüber. 

Den Mittwoch konnte ich von der Produktivität her vergessen. Beim Frühsport rannte ich zwar eisern die S-Bahn-Treppe hoch, tat, als wäre nachts nichts gewesen, ging mit Rouge  und Lippenstift ins Meeting mit mir selber, löschte mehr Text als ich schrieb, kniff mir für Coaching-Gespräche ins Gesicht, aber bald wurde mir klar: ich muss mal einen anderen Gang einlegen. Das war gestern. Und es war wunderbar. Ein Lümmeltag. Ich schlief aus. Statt aufrecht zu meditieren, hing ich schlaff über dem Lesesessel, blieb bis weit in den Vormittag hinein im Schlafanzug, schrieb, wenn ich Lust hatte und mir etwas einfiel, verbannte meinen Timer in die Schublade, schnippelte Paprika, Kartoffeln, Fenchel und Möhren für ein Gemüse-Blech, hörte dabei den ZEIT-Podcast „Alles gesagt“ mit Lena Meyer-Landrut, genoss das Essen mit den Kindern, hatte Schreiblust und schrieb, fuhr Fahrrad, holte Katzenfutter, schnüffelte an Fliederbüschen, räumte das Haus auf und zelebrierte putZEN**. 

Mein strenges inneres Regiment mal in die Kurzarbeit zu schicken, hat mir so wohl getan. Ja, Disziplin ist wichtig. Und Meditation und Sport und feste Schreibzeiten. Das funktioniert für mich aber nur, wenn ich mir ab und zu das Gegenteil erlaube. 

Macht ihr das auch?

Immer fröhlich mal einen Lümmel-Tag einlegen,

eure Uta 

* Planungs-Methode nach Ryder Carroll

** Wortschöpfung meiner Coaching-Ausbilderin Maria Craemer

  • Liebe Uta,
    Das sind ja Neuigkeiten – was freue ich mich jetzt schon auf Dein Buch! Hach, schön! Umso besser wenn das mit dem Schreiben genau so lebensecht läuft, wie, nun ja, das mit dem Leben (mit Kindern): planen/ausrichten, leben/erfahren, anpassen, neu ausrichten und von Neuem…
    Alles Gute für den Endspurt, ob im 6. oder 1. Gang! 😉
    Herzliche Grüße,
    Elisabeth

    • Liebe Elisabeth, ich freue mich sehr über deine guten Wünsche. Du hast Recht: es läuft alles in Wellen von leben, erfahren und anpassen. Alles Gute für deine Projekte! Herzliche Grüße, Uta

  • Liebe Uta,
    wie schön, da bin ich schon jetzt gespannt drauf! Und wie toll, dass dein Gefühl (gegen eigenen Podcast, für neue Bücher) sich so bewahrheitet hat.
    Ganz liebe Grüße
    Dorthe

  • Oooh, Du schreibst ein Buch, wie schön! Deine gesammelten Geschichten habe ich schon sehr genossen, ich freue mich auf Dein nächstes Werk.
    Ich glaube auch, dass diese Balance wichtig und Teil der Selbstliebe ist. Mit zwei kleinen Kindern passiert das Ausspannen in wesentlich reduzierterem Rahmen aber die Ansprüche sind auch geringer..:-) Wenn ich das so bei Dir lese, freue ich mich auf diese wieder selbst bestimmte Zeit, das wird ein Fest!

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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