Mein Kind sollte, müsste eigentlich …
… sich besser konzentrieren können
… mehr Freunde haben
… dünner/dicker sein
… konzentrierter die Hausaufgaben machen
… mehr Gemüse essen
… nicht so egozentrisch sein
… sich besser allein beschäftigen können

Mein Mann sollte, müsste eigentlich …
… mehr Gefühle zeigen
… weniger Sport gucken
… mehr bei den Hausaufgaben helfen
… sich einen neuen Anzug kaufen
… endlich zur Vorsorge-Untersuchung gehen
… nicht so viel Spülmittel verwenden
… mehr mit dem Fahrrad fahren

Ich sollte, müsste eigentlich …
… endlich durchsetzen, dass mein Kind und mein Mann das alles machen
… richtig meditieren lernen
… weniger Zucker essen
… „Wordpress“ besser verstehen
… früher ins Bett gehen
… besser Englisch sprechen lernen
… jeden Morgen meine Füße eincremen

Sollte, müsste eigentlich …

Etwa zu 90 Prozent unserer Zeit wünschen wir uns, dass etwas anders sein sollte, als es ist. Wir wünschen uns weg aus dem Jetzt. Wir rackern uns in eine vermeintlich bessere Zukunft. 

Bei dem spirituellen Lehrer Eckhart Tolle habe ich gelesen, jedes Unglücklichsein entstehe aus dem Gedanken, etwas müsste anders sein, als es jetzt gerade ist. 

"Wenn du aufhörst, zwanghaft vom Jetzt wegzustreben, dann ergießt sich die Freude des Seins in alles hinein, was du tust. ...Du bist nicht mehr abhängig von Erfüllung oder Befriedigung in der Zukunft ...Deshalb hängst du nicht mehr an Resultaten. Versagen und Erfolg haben dann nicht mehr die Macht, deinen inneren Seinszustand zu verändern." (Eckhart Tolle: Jetzt. Die Kraft der Gegenwart. Bielefeld, 2000, Seite 79) 

Gerade lese ich noch ein anderes Buch, ein Buch über Meditation, um auch den Lebensbereich zu optimieren, bei dem eigentlich alles Streben von einem abfallen sollte. Ich sollte gerader sitzen, denke ich immer, wenn ich im Morgengrauen da hocke, tiefer atmen und die Hände wie Schalen nach oben geöffnet auf die Oberschenkel legen, wobei sich Zeigefinger und Daumen leicht berühren. 

Gar nichts muss ich, habe ich jetzt bei Clark Strand gelesen. Es geht nur darum, dass die Hände nicht im Weg sind. So einfach. Abgesehen von meinem Ringen um die optimale Handhaltung warte ich seit etwa zwei Jahren auf eine mittelgroße Erleuchtung. Auch hier haben mir Clarks Worte geholfen. Er schreibt, dass er buddhistischer Mönch wurde und ein Zen-Zentrum in New York City leitete. „In dieser Zeit hat sicher niemand in New York mehr meditiert als ich - aber es passierte trotzdem nichts.“ (Clark Strand: Einfach meditieren. Übungen für ein gelassenes Leben, Frankfurt am Main, 2000, Seite 65) 

Ich musste sehr lachen über diese Stelle und das anschließende Meditieren war deutlich entspannter als sonst. 

Vielleicht sollte ihr jemand sagen, dass die Hand-Haltung gar nicht so wichtig ist.

Ja, soll man sich denn keine Ziele setzen? Ist nicht das Bessere der Feind des Guten?

Folgendes fällt mir dazu ein:

Zum einen kann ich überprüfen, ob der Gedanke überhaupt stimmt. „Mein Sohn sollte dünner sein.“ Ist das überhaupt wahr? Vielleicht muss er eine Weile pummelig sein, um aus eigenem Antrieb schlank werden zu dürfen. Vielleicht muss die Tochter eine Phase mit schlechten Noten erleben, um zu wissen, wie das ist und was sie wirklich will im Leben. Vielleicht ist mein wichtigster Beitrag bei einem Thema zu akzeptieren, was ist und meinem Kind zu vertrauen. Vielleicht hilft das mehr als mein ganzer Aktionismus.

Mir gefällt die Idee aus dem kleinen Büchlein „Bestellungen beim Universum“ von Bärbel Mohr, meine Wünsche und Ziele aufzuschreiben und den Zettel irgendwo hinzulegen: unter den Blumentopf auf dem Balkon, in ein ausgedientes Buch oder in ein Loch im Garten. Gott, das Universum oder wer auch immer, weiß dann Bescheid, was ich mir so sehnlich wünsche und ich kann mich locker machen. Das Prinzip ist, sich seiner Ziele und Wünsche bewusst zu werden und sich danach innerlich auszurichten, aber ihnen nicht anzuhaften, sich nicht darin zu verbeißen. Denn was wir bekämpfen, machen wir nur stärker: die Tochter wird trotzig und lernt noch weniger, der Sohn wird frustriert und futtert noch mehr Chips, ich schimpfe noch lauter und die schlechte Stimmung macht alles schlimmer …

Dem Kind vertrauen ist im Grunde ein eigener Punkt. Nichts hat eine größere Wirkung, als wenn es spürt: es gibt ein oder zwei Menschen in meinem Leben, die finden mich wirklich in Ordnung, so wie ich bin. Nichts beflügelt mehr. Nichts - und jetzt kommt etwas Paradoxes - bereitet den Boden so sehr für Veränderung wie das Gefühl dieser tiefen Akzeptanz. 

Wie beschwingt bin ich, wenn mein Mann mich anruft, weil ihm ein Blog-Beitrag so gut gefällt. Wie freue ich mich über eure Anerkennung. Und wie nieder geschmettert ist die Bloggerin, die - wie ich gestern las - auf Instagram so hässliche Kommentare lesen musste. Das gleiche Gefühl kennen unsere Kinder, wenn wir sie ständig anmeckern. 

Und natürlich kann ich auch etwas tun: Ich kenne ja meine Ziele (liegen unterm Blumentopf) und kann mir überlegen, was der Beitrag ist, den ich dazu leisten kann und will. Ich kann meiner Tochter Hilfe beim Lernen anbieten oder - besser noch - sie fragen, welche Form der Unterstützung sie sich wünscht. Wenn sie die Hilfe nicht will, ist es auch in Ordnung. Ich kann für gesundes Essen sorgen und die Zeit am Tisch mit meinem Sohn genießen, ob er zu Möhren-Dipp und Fenchelsalat greift oder nicht. Wichtig ist nur, das Kämpfen, die Verbissenheit, die schlechte Stimmung und vor allem das Entwerten des anderen zu lassen. Ich habe ja meine Ziele. Und wenn mir etwas vor die Füße fällt, um sie zu erreichen, mache ich das. Wenn nicht, bleibe ich im Vertrauen. 

Ich sollte, müsste eigentlich schreiben „Immer fröhlich bleiben …“ Aber das lasse ich heute mal. 

Was sind denn eure „Mein Kind/mein Mann/ich sollte, müsste eigentlich mal …“-Gedanken?

Eure Uta 

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  • Waaah, wie schwer!! Liebe Uta, du hast total recht aber einfach ist das nicht, oder? Aber es wäre um einiges entspannter, das ist wahr. Ich lese so gerne deinen Blog und die allermeisten Texte kann ich für mich gut verwenden bzw. finde ich mich darin wieder. Und wenn es nur ein: „Achja, stimmt, da war ja was.“ ist.
    Danke!!
    Liebe Grüße
    Dana
    PS: Das mit den Händen beim Meditieren ist ja witzig. Was man sich für Gedanken und Einschränkungen macht…

    • „Das mit den Händen beim Meditieren ist ja witzig. Was man sich für Gedanken und Einschränkungen macht…“ Ich kann dir sagen, liebe Dana! ?Danke für deinen Kommentar! LG Uta

  • Danke fürs Wachrütteln! Soll ich meinen Sohn einfach mal nicht mehr ans Vokabellernen erinnern? Und dem anderen nicht ständig erklären, dass es einfach ungesund ist, was er isst? Ich versuch‘s mal (und muss dafür weit über meinen Schatten springen!) … tut der Grundstimmung bestimmt gut.
    Viele Grüße
    Sophie

    • Liebe Sophie, ja anbieten, dass du die Vokabeln abhörst, oder mit ihm zusammen mit Freude einen Film in der jeweiligen Sprache gucken, und dem anderen leckeres Essen vor die Nase stellen, aber das Predigen lassen. Ich glaube, alle Kinder haben mal eine Trash-Food-Phase. Wenn die Eltern stur gesundes Essen genießen, kommt das irgendwann. Ich habe es selbst erlebt und mir tüchtig die Augen gerieben, als es plötzlich da war. Danke fürs Schreiben, Uta

  • Liebe Uta,
    …genau in der Reihenfolge… danke fürs Erinnern und ja …ständig sollte etwas anders sein und das Gemecker abzustellen ist sehr schwer obwohl es einen selber so sehr nervt. Das Vertrauen zu haben das alles gut ist und die Kinder aus den Konsequenzen lernen – aber man möchte ihnen durch das Meckern die schlechten Noten ersparen – hilft aber nichts… und man kann niemanden motivieren. Mein Herz wird bei dem Gedanken schwer- man fühlt sich so hilflos…vielleicht hast du noch einen Tipp wie man die entsprechende Gelassenheit erreicht.
    Herzliche Grüße
    Martina

    • Liebe Martina, Zaubertricks habe ich auch nicht in der Tasche, aber ein leichtes Herz in der Brust, denn all das Schwere zieht einen nur runter und nichts stört das Lernen so sehr wie fehlende Freude. Vielleicht hilft es dir, wenn du dir klar machst, welche Bedeutung deine Noten in Klasse xy für dein Leben hatten oder haben.
      Gerade mit Jungs in der Pubertät durchschreitet man in der Schule meist ein tiefes Tal und dann wird es in der Regel besser. Wenn zu Hause aber gute Stimmung ist, hilft das so sehr. Liebe Grüße, Uta

  • Ich habe mit der Methode „The Work“ von Byron Katie vor einem Jahr begonnen, meine Gedanken zu überdenken, und damit das erreicht, was du in dem Artikel geschrieben hast. Die Methode zu entdecken war das Beste, was mir je passiert ist, wenn man endlich nicht mehr gegen die Realität kämpft ist das Leben so viel leichter!
    Und das Schönste ist: ich muss niemanden überzeugen, es muss niemand mitmachen, ich kann ganz alleine mein Leben in ein völlig neues Licht drehen 🙂
    Schön, dass du diese Gedanken auf deinem Blog weiter gibst!
    Liebe Grüße
    Steffi

    • Liebe Steffi, mich haben besonders deine Sätze „Und das Schönste ist: ich muss niemanden überzeugen, es muss niemand mitmachen, ich kann ganz alleine mein Leben in ein völlig neues Licht drehen ?“ beschwingt. Ich freue mich, dass es dir mit Byron Katie genauso geht wie mir. Alles Liebe, Uta

  • Liebe Uta,
    möchtest du ernsthaft meine „Die Kinder und derMann könnten doch mal“-Gedanken lesen? Einige verrate ich dir
    Der Mann könnte bitte
    – beim Ausräumen der Spülmaschine das Kochgeschirr und Schüsseln wegräumen und nicht nur auf die Arbeitsplatte stellen
    – keine 6 Flaschen aufgesprudeltes Wasser auf den Esstisch stellen
    – aufhören, immerzu am Großen herumzuzuppeln (bildlich geprochen)
    – sich an den Einkaufszettel halten und nicht wenn da steht 1 Dose Thunfisch in Öl 4 Dosen Thunfisch im Tomatensoße mitbringen
    – sich entspannen
    Der Große könnte bitte
    – weniger Zeit am Handy verbringen
    – mir erklären, warum er dringend Ohrringe oder ein Piercing will
    – häufiger Vokabeln lernen
    – verstehen, das YumYum-Nudeln keine ausgewogene Ernährung sind
    – nicht aufhören, mir zu sagen, dass ich eine tolle Mama bin
    Die Mittlere könnte bitte
    – ein bisschen weniger selbstkritisch sein
    – ihre Klamotten entweder in den Schrank oder in den Wäschesack räumen
    – dieses eklige Schleimi und die magische Knete nicht außerhalb der dafür vorgesehenen Behältnisse aufbewahren
    Der Kleine könnte bitte
    – weniger trödeln
    – sich häufiger die Hände waschen
    – beim Zähneputzen nicht immerzu reden und den Schaum ausspucken
    – die Legos beiseite räumen
    – anderen als den drei Hosen, die inzwischen schon mehrfach geflickt wurden, eine Chance geben.
    Die Frau könnte bitte
    – anerkennen, wenn der Mann die Spülmaschine ausräumt und einkaufen geht
    – sich entspannen
    – sich Zeit für Sport nehmen
    – sich nicht immerzu den Kopf anderer zerbrechen
    – den Speiseplan erweitern
    – etwas konsequenter sein.
    Alles sehr handfest. Das mit den Zielen unterm Stein bekomme ich hin. Bei den anderen Sachen bin ich skeptisch 😉
    Feinste Grüße die SteffiFee

    • Liebe SteffiFee, jaaaaa, ich wollte deine Gedanken lesen! Am besten gefallen mir die Punkte für dich ?. Und die Ziele unterm Stein reichen ja, dann kannst du die anderen Sachen loslassen. Danke für deine Liste und herzliche Grüße, Uta

  • Liebe Uta, ich denke immer wieder an deinen Begriff „Wort Diät“, wenn ich diese Mecker Gedanken habe, halte dann inne und hinterfrage ihn. Das funktioniert mal mehr mal weniger.
    Und täglich Dankbarkeitsübungen, um den Fokus auf die Fülle in meinem Leben zu richten, hilft mir sehr.
    Was leben wir doch in einem Luxus, dass wir uns überhaupt über solche Gedanken machen können und auch voller Vertrauen sein könnten.
    (Das mit dem Wecker funktioniert ganz wunderbar. ?)
    Liebste Grüße, Mechelke

    • Liebe Mechi, wie schön, wieder von dir zu lesen und von dem Wecker, mit dem es klappt. Und zum Thema „Luxus“: ich bin auch immer erstaunt, wie leicht es mir fällt, es mir schwer zu machen, auch wenn weit und breit kein ernsthaftes Problem in Sicht ist. ? Herzlichst, Uta

  • Liebe Uta, vielen Dank für deinen Blog. Er tut jedes Mal so gut zu lesen. Mann: könnte etwas mehr im Haushalt machen, mehr Selbstvertrauen haben. Kind 1 nicht 100x am Tag die Kleider wechseln, etwas anderes als Milchreis essen, sich die Haare kämmen oder wenigstens lassen. Kind 2 könnte besser schlafen und nicht immer die Windeln platzen lassen. 🙂 Du siehst ich bin ein sehr glücklicher Mensch mit Wünschen im Blumentopf 🙂 Liebe Grüsse

    • Liebe Nicole, herrlich dein Satz „Du siehst, ich bin ein sehr glücklicher Mensch mit Wünschen im Blumentopf.“!
      Ich drücke die Daumen für alles, was auf deinem Zettel steht, und wünsche dir bis dahin viel Gelassenheit. LG Uta

  • Liebe Uta und alle Kommentarschreiber, danke das ihr mich an Katie Byron erinnert habt. Damit habe ich gleich mal meinen Gedanken hinterfragt, ob mein kleiner Sohn wirklich so ein schlechter Fußballer ist, wie ich ihn immer gesehen habe. Und, oh Mist, er ist es nicht (jetzt der Smiley, der sich die Hand an die Stirn haut). Ganz im Gegenteil, nachdem ich das für mich festgestellt habe, hat er heute sein bestes Turnier bisher gespielt. Es lebe die Akzeptanz und das Urvertrauen in unsere Kinder, sie bringen es uns ja auch entgegen.
    Eigentlich schade das man immer wieder daran erinnert werden muss, aber danke das du das so wunderbar übernimmst, Uta :).
    Liebe Grüße
    Anke

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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