Zu nachgiebig oder zu streng? 

 07/01/2015

Wie man in der Erziehung nicht ins Gegenteil fällt.

In den Ferien hatte ich im Freundeskreis verschiedene Gespräche darüber, wie das so läuft mit den Kindern.
Dabei ist mir aufgefallen, dass sich alle Erziehungsprobleme auf die alte Frage

„Sind wir zu nachgiebig oder sind wir zu streng?“

herunterbrechen lassen.
Wenn es nicht funktioniert mit den Kindern, ziehen die meisten den Schluss, sie hätten nicht genug durchgegriffen.
Das läuft so:
Stufe 1: Man hebt das kleine Kind auf ein Schild und lässt sich alles von ihm gefallen, weil es eine so einzigartige Persönlichkeit ist, die man auf keinen Fall in seiner freien Entwicklung einschränken will.
Stufe 2: Dann merkt man, dass das nicht funktioniert, der Alltag chaotisch wird, die Eltern völlig erledigt sind und das Kind irgendwie haltlos ist, und fällt ins andere Extrem. Plötzlich wird das Kind angeschrieen, man holt das Mittel der Strafe aus der Mottenkiste, spricht Fernsehverbote aus, schließt Spielzeug weg.
Stufe 3: Jetzt sind die Eltern noch zerknirschter, weil sie sich einst geschworen hatten, nie, aber auch wirklich nie zu solchen Mitteln zu greifen.
Stufe 4: Das Kind ist auch zerknirscht. Es merkt, dass mit ihm plötzlich irgendetwas falsch ist, dass die Eltern über Nacht böse und gleichzeitig sehr unglücklich geworden sind. Und dann kommt das Kind richtig ins Rotieren, weil Kinder vor allem eins wollen: glückliche Eltern.
Wie vermeidet man es, in diese Falle zu tappen?

  • Sich nicht danach richten, was „man“ nicht tut oder die Oma erwartet oder die anderen Mütter im Kindergarten, sondern sich hinsetzen und überlegen, was sind meine persönlichen Grenzen für mein Kind? Was will ich nicht? Was stört mich? Was erschwert mir massiv den Alltag? Was sind meine Werte?
  • Dann lernt das Kind auch: „Aha, so ein Mensch ist meine Mama, mein Papa!“ Danach kann ich mich richten und später (Pubertät) auch fröhlich daran reiben.
= Persönliche Grenzen lassen sich viel besser durchsetzen als abstrakte.
 
  • Der Anspruch, konsequent sein zu müssen, ist für viele eine Geißel und beschert Eltern viel Stress und Frust. Auch hier gilt: Ihr seid automatisch konsequent bei Regeln, die euch persönlich ganz wichtig sind. Wenn ihr mal nachdenkt, kommt ihr bestimmt auf Sachen, bei denen ihr konsequent seid und niemand je eine Frage dazu hatte (Schulterklopfen!). Bei uns fällt mir ein, dass immer alle die Straßenschuhe ausziehen, bevor sie nach oben in die Schlafetage gehen. Da gab es nie Stress, weil ich ganz klar darin war, das nicht zu dulden. Weiteres Beispiel: Anschnallen im Auto.
  • Niemand kann immer konsequent sein. Und es schwächt Eltern, wenn sie sich dafür herunterziehen. Wenn es etwas Wichtiges gibt, das ihr ändert möchtet, übt darin Konsequenz, aber höchstens für eine neue Sache pro Lebensphase.
= Konsequenz braucht man für wenige „Basics“, die restlichen Entscheidungen dürfen sich nach der Tagesform richten.
 
  • Viele Eltern verbeißen sich in zu viele Ermahnungen: „Tu dies nicht“, „Fass das nicht an“, „Setz die Mütze auf“, „Sitz gerade“ … so werden Kinder „mama-“ oder „papa-taub“.
= Weniger (Verbote) ist mehr.
 
  • Für mich ist es hilfreich, mir zu sagen: „Uta, du bist hier der Chef.“ Meine Kinder sind eigenständige Menschen, die sich frei entwickeln sollen, aber solange sie Kinder sind, benötigen sie ein gewisses Maß an Halt und Führung.
= Was man braucht, ist eine Kombination aus eigener Lebensfreude, Nähe zum Kind und gelegentlichem Durchgreifen.
  • Viele Eltern reagieren auf Probleme mit Härte oder Resignation. So verlieren sie die Nähe zum Kind und alles wird schlimmer.
  • Für eine gute Beziehung zum Kind ist hilfreich: klar sagen „Ich will, dass du …“ statt Vorwürfe und Abwertungen, außerdem: gemeinsame Mahlzeiten, schöne Rituale, exklusive Zeit zu zweit, Zuhören, von sich erzählen …
= Je schlechter die Beziehung, desto weniger Einfluss habe ich auf das Kind.

Immer fröhlich auch mal durchgreifen und gleichzeitig die Nähe zum Kind pflegen. Diese Kombination ist unschlagbar.
Eure Uta

Titelbild von Elina Fairytale von Pexels. Vielen Dank!

  • Liebe Uta, ich mag, wie Du über Erziehung schreibst und dabei gute Ratschläge mit einfühlsamen Szenarien kombinierst. So fühlt man sich als Elternteil hier viel besser aufgehoben als in so manchem Erziehungsratgeber.
    Die Nähe zum Kind finde ich übrigens ebenso wesentlich, wie das Achten auf (eigene) Grenzen.
    Danke für den tollen Artikel.
    Dita

  • liebe Uta,
    du bist unschlagbar, aber echt!
    Dein letzter Satz ist einfach goldig. Ja, Recht hast du.
    Sich rechtzeitig als eigenständiger Mensch abgrenzen haben wir irgendwie verpasst, bei usn kam immer ein Kleines hinterher, wir kamen aus dem Fürsorgemodus nicht rechtzeitig heraus und üben uns in dieser Tugend nun mit den beiden Jüngsten.
    Herzlichen Dank für deinen Blog und deinen wunderbaren, herzerfrischenden Erkenntnisse.
    Sanne

  • Schöner, hilfreicher Beitrag. Ich erlebe das jetzt bei Anna(12) , dass es allein das Band der Beziehung ist was uns über den Tag hilft. In der trotzphase fand ich das sehr viel einfacher, da galt die Autorität noch:)
    Heute geht vieles nur über zuhören, ernstnehmen und Grenzen setzen in den Dingen die sie noch nicht selbst entscheiden kann. Für mich ist es unglaublich schwierig wenn sie abenteuerlich angezogen zur Schule geht- aber jeder druck erzeugt Gegendruck, also muss es mir einfach egal sein was andere Mütter über meine erziehungsfähigkeit denken. LG xeniana

  • Liebe Uta,
    erst einmal Happy Birthday an die Prinzessin!
    Und dann: Danke! Einfach danke! Tränen in den Augen, weil es so sehr zutrifft …
    An Weihnachten waren wir zwei Tage bei meiner Svhwester. An einem Abend hat sie mir gesagt, dass unser Umgang mit der Lütten wenig liebevoll wirkt. Sie meint, wir würden nur schimpfen…
    Meine Eltern meinten in unserem Weihnachtsurlaub, dass wir zu viel von der Lütten erwarten, ständig irgendwelche Verbote aussprechen…
    Beides stimmt. Und ich bin sehr froh, dass Du uns dabei hilfst, dass es wieder schöner wird.
    Liebe Grüße,
    Dorthe

  • Liebe Uta,
    14 Jahre ist Deine Prinzessin…meine wird im Mai 14…….erziehungstechnisch sind wir irgendwie am Ende…da ich eine wenig erfreuliche Kindheit hatte, wollte ich alles besser machen……trotzdem oder grad deswegen geht wohl einiges daneben……wir haben jetzt
    die Hilfe einer Familientherapeutin in Anspruch genommen, bevor es vielleicht zu spät ist und wir nicht mehr kommunizieren können. Erziehung ist schon ein verdammt harter Job.

  • Liebe Uta, vielen Dank für deine liebevollen Tipps. Einfach bei dir vorbei schauen, und ich weiß wieder, wo es lang geht mit den Mäusen. Danke dir dafür. Liebe Grüße

  • Liebe Uta, danke fuer diese ermutigenden und guten Worte. Das ist was zum Ausdrucken!

    Herzliche Gruesse und einen schoenen Tag! K.

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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