Geschichte und Buch-Verlosung, Folge 4 

 18/03/2020

Heute habe ich keine Spielidee für euch, sondern eine kleine Geschichte, die vielleicht alle Eltern etwas tröstet, die sich heute mit Schulunterricht zu Hause herumgeschlagen haben. 

Photo by Andrea Piacquadio from Pexels

Dienstag, 24. Januar 2012:

Heute war ich fertig mit den Nerven. Prinzessin, 11 Jahre alt, fiel abends ein, dass noch Mathe zu machen ist. „Ich check das nicht!“ Meine Tochter ist die aktuelle Rekordhalterin im „Ich-check-das-nicht"-Rufen. Es vergeht höchstes eine Zehntelsekunde, die sie Aug-in-Aug mit einer schulischen Aufgabe verbringt, bis sie „Ich-check-das-nicht!“ ruft. Und ich halte den Rekord darin, darauf zu reagieren. Ich leide unter einem Turbo-Mutterinstinkt. Als ich noch stillte, konnte im Supermarkt ein Baby am Kühlregal weinen und ich bekam in der Schlange an der Kasse einen Milcheinschuss.

Ich sehe ein, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Rekorden gibt.

„Ich check das nicht!“ - „Ja, warte, ich komme.“ Die Phase, in der ich mit einem aufgesetzten Lächeln sagte: „Versuche es doch erst einmal, Schatz. Wie stolz wirst du sein, wenn du es alleine gelöst hast“, ist abgeharkt. „Ich check das aber nicht!“ In dieses Gefecht ziehe ich nur mit blütenweißem Papier und einem frisch gespitzten Bleistift. Ich brauche eine Gegenwelt zu den schmutzig-verschwitzten Grau verkneteter Radiergummis und zu der schlampigen Arbeit, die Tintenkiller leisten.

„Lass mal sehen: Verbinde die Punkte A und B durch eine Gerade und zeichne eine Senkrechte ...“ Ich seufze behaglich. Die Klarheit der Geometrie ist mir ein Trost. Für meine Tochter ist sie die blanke Provokation. Sie zieht eine Linie in ihr Heft, die mit den Ansprüchen des Begriffs „Gerade“ nichts zu tun hat. Mehrfach verrutscht das Geodreieck. Der Bleistift ist so stumpf, dass er die Präzision eines Textmarkers hat. „Ich hasse Mathe.“ Mit dem Radiergummi malträtiert sie die Seite. „Was war noch mal eine Diagonale?“ - „Oh, Gott, nicht einmal die Grundbegriffe sitzen, und das abends um halb acht.“

Schon meine Oma hat meiner Mutter geraten, in brenzligen Situationen tief durchzuatmen. Ich erinnere mich an Kinderarztbesuche, bei denen meine Mutter neben mir im Wartezimmer saß und so hörbar atmete, dass es ein Blätterrauschen gab im Ficus Benjamin neben dem Zeitschriftenständer. Sie beruhigte sich mit einer Überdosis Sauerstoff. Bei mir hatte das den gegenteiligen Effekt. Immer wenn jemand tief durchatmet, weiß mein Körper: Gefahr in Verzug.

Ich hatte also angesichts des Mathe-Fiaskos tief durchgeatmet. Ein fataler Fehler. Sofort sah ich vor meinem inneren Auge meine Tochter als Obdachlose mit einem Schild voller Rechtschreibfehler in der Fußgängerzone sitzen.

Irgendwann war Mathe fertig. Aber wir beide auch. Ich war dem Reflex aller Eltern erlegen: Dem „Wir-haben-doch-so-viel-für-Euch-getan/gekauft/gebügelt/Brote-geschmiert und ihr gebt euch nicht mal Mühe bei den Diagonalen.“

Das war mein erster Blog-Eintrag vor mehr als acht Jahren. Und das Mädchen, dessen Schullaufbahn ich mir an dem Abend damals in den düstersten Farben ausmalte, bereitet sich in diesen Tagen auf ihr Abitur vor. Damit will ich sagen: auch wenn ihr vielleicht einen anstrengenden Homeschooling-Tag hattet - es wird alles gut! 

Das Buch mit den Anleitungen, wie man die verschiedensten Papierflieger-Modelle faltet, hat Anna gewonnen. Herzlichen Glückwunsch! Mailst du mir deine Anschrift? 

Heute verlose ich „Madita“ von Astrid Lindgren.

Solltest du diesen Kinderbuch-Klassiker noch nicht vorgelesen haben, hast du nun die Chance, ihn zu gewinnen, wenn du mir in einem Kommentar bis morgen, Donnerstag, 19. März, um 16 Uhr geschrieben hast, wie bei dir das Homeschooling läuft oder wie du es schafft, dass euch nicht die Decke auf den Kopf fällt. 

Prinzessin und ich radeln jetzt runter an die Elbe, um vor dem Schlafengehen noch ein bisschen frische Luft zu tanken. 

Immer fröhlich bleiben,

eure Uta 

  • Liebe Uta,
    willst du das mit dem Bücher versteigern nicht noch fünf Wochen machen??
    Meine Tochter geht gern zur Schule und findet die Hausaufgabenmenge zu gering? ich glaube, ich muss die Lehrerin kontaktieren?
    VG

  • Hallo Uta! Mein Kleiner ist erst 3, Home Schooling ist bei uns noch kein Thema. Wir gehen regelmäßig in den Garten/Wald, um etwas Auslauf zu bekommen und uns zu erden. Bücher stehen bei uns hoch im Kurs und Madita kenne ich selbst noch nicht und würde mich darüber freuen, es meinem Kleinen vorzulesen.

  • Oh wie toll. Das haben wir noch nicht.
    Ich arbeite von daheim und der Mann betreut naja oder so ähnlich. Hier geht’s raus die 4 Alpaka besuchen und mit dem Rädchen um den Block. Bisher geht es. Mal sehen wie lange noch. Aber Sandkasten geht ja eigentlich immer ?
    LG
    Sabine

  • Madita, mein Herz hüpft bei all den wunderbaren Erinnerungen die ich mit Madita verbinde. Ich würde es unfassbar gerne vorlesen und selber lesen. Irgendwie herrscht hier eine ruhige bis Heitere Stimmung, kein Druck ist wohl die Lösung bisher so dass das Tochterkind & ich gut beide arbeiten können. Was uns Spaß macht zwischendurch ist tanzen, YouTube hat da tolle Videos und Spaziergänge wenn es dunkel wird und die Straßen leerer.
    Bleib gesund!

  • Guten Morgen Uta, es ist beruhigend zu lesen, dass Prinzessin sich auf ihr Abi vorbereitet. Es besteht also durchaus Hoffnung, dass die Kids sich irgendwann selbst finden was die Schularbeiten angeht. Noch läuft es bei uns ganz entspannt, vor den nächsten fünf Wochen habe ich aber schon ein wenig Angst.

  • Wahnsinn wie die Zeit verrennt..du begleitest mich ja schon einen lange Zeit durch unsere Erziehung ..auch hier ist es so, dass die große Prinzessin nächstes Jahr Abi macht und mittlerweile sehr organisiert ist. Ich rate immer allen, dass lernen nur funktioniert wenn es freiwillig geschieht sonst stellt sich kein Erfolg ein. Leider muss ich sagen, dass es die Mittelprinzessin noch nicht so ganz schafft..da frag ich jetzt Vokabeln ab und halte an zum lernen. Aber auch 14 jährige können da sehr uneinsichtig sein ? ich freu mich schon auf deinen morgigen Beitrag ❤️

  • Homeschooling läuft dankenswerterweise von ganz allein, denn mein Erstklässler reißt sich um die Aufgabe. Keine Ahnung, ob ich trotzdem gewinnen darf?

  • Liebe Uta, danke für diesen Beitrag, der mich sehr zum (über mich selbst) lachen gebracht hat! Mir geht es oft ähnlich, wenn auch mit anderen Themen, da mein Sohn noch nicht zur Schule geht. Homeschooling ist daher auch noch kein Thema für uns. Mein Sohn ist diese Woche bei meiner Mutter, da ich im Krankenhaus arbeite und die Entwicklung der Lage abwarten möchte. Für mich ist es schwer, aber er genießt die „Ferien“ bei seiner Oma;)
    Viele Grüße und gutes Durchhalten an Alle!

  • Hallo Uta,
    Danke für Deine Beiträge!
    Das Homeschooling läuft bei uns eigentlich recht unkompliziert, mein Erstklässler arbeitet die für den jeweiligen Tag vorgesehenen Aufgaben ab und damit hat es sich. Die größte Herausforderung dabei ist die Beschäftigung der kleineren Geschwister… Wenn man sie nicht gerade die ganze Zeit vor einem Bildschirm parken will, muss man sich ganz schön was einfallen lassen. Und die entstehenden Konflikte zu einer regelmäßigen Übung in gewaltfreier Kommunikation nutzen 😉
    LG aus BaWü,
    Saskia

  • Oh! Seid dankbar ihr alle, die ihr nicht die Lehrkraft geben müsst, weil es von alleine läuft oder die Kinder noch recht klein sind. Unsere Kinder gehen in klasse 3, 5 und 8. Ich und mein Mann sind im Homeoffice 6 bzw 8 Stunden täglich. Und sollen nebenher widerspenstigen Söhnen Vokabeln abfragen oder Texte diktieren und der willigen aber überforderten Tochter die teilbarkeitsregeln nahebringen (die keiner von uns parat hat. Hand aufs Herz: wer von euch kennt sich noch mit primfaktorenzerlegung aus?)
    Nein, das klappt alles nicht so richtig toll und es ist für mich eine üble Vorstellung, das jetzt noch zwei Wochen durchzuziehen. Es ist für eine Eltern Kind Beziehung nicht förderlich, wenn Eltern die Lehrer spielen. Das hab ich bereits vor Jahren gemerkt, als der Älteste nur widerwillig Hausaufgaben machte und wir sage und schreibe Stunden am Tisch saßen, um sie zu erledigen. Das wiederholt sich beim anderen Sohn. Da wird dann gelobt, gedroht, gebeten, bestochen. Nee, ich gewinne dem ganzen absolut nichts ab.
    Und mal ehrlich: es entscheidet nicht über Karrieren, wenn die Kinder mal drei Wochen den Lehrplan nicht einhalten…
    Just my 2 cents.
    Es grüßt die Steffifee

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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