Sepia im Hirn 

 25/10/2015

Warum es gar nicht gut tut, in der Vergangenheit herum zu graben.

Da war diese Kiste im Keller mit der Edding-Aufschrift „Tischsauger/Briefe“. Merkwürdige Kombination, die mal beim Umzug entstanden war: der alte Tischsauger und ein großes Bündel Briefe, die ich erhalten hatte, seit ich etwa 16 oder 17 Jahre alt war.
Ich machte den Fehler, die Briefe wieder zu lesen. Zumindest einige. Den Staubsauger ausgemacht, die Knie an die Brust gezogen und festgelesen. Ein Ausweis von der Tanzschule, ein Brief von meinem Opa, als er schon 97 war. Der erste Freund zeigte sich auf Postkarten bewegt, dass ich ihm in die Kaserne geschrieben hatte: „MAKE LOVE NO WAR“. Bahnbrechend! Dann Studentenzeit, Beziehungskrisen, Wünsche, Hoffnungen, hochfliegende Pläne.
Als ich die Kiste öffnete, wirbelte ich Staub auf, Wehmut trübte mir die Stimmung, zu viel Sepia im Hirn.
Es kam so etwas auf wie „Was hatten wir für große Pläne und was ist daraus geworden?“
„Da wollten wir aus jeder Pore leben und nun: Steuererklärung, jede Woche die richtige Mülltonne runter an die Straße bringen, neuen Handy-Vertrag schließen, Termin für Winterreifen, Zahnreinigung …“
Ich nahm die Briefe, stopfte sie in unseren Kaminofen und warf theatralisch einen brennenden Streichholz hinein. Wie sagt Eckhart Tolle immer: „Ich habe keine Verwendung für die Vergangenheit.“ Recht hat der Mann.
Und dann noch eine Postkarte. Keine aus der alten Kiste, sondern aktuell an unserem Kühlschrank. „Stell dir vor, Gott hätte dir ein Leben geschenkt …“*
Ja, wenn das tatsächlich der Fall wäre und ich – wie jetzt – bei guter Gesundheit einen Sonntag im Herbst 2015 erleben dürfte, würde ich mich sicher nicht mit vergangenem Kram beschäftigen. Bei mir sind das aber auch nicht so Sachen wie „einmal einen Falschschirmsprung wagen“ oder „meinen Mann auf dem Gipfel des Kilimandscharo küssen“, sondern eher genießen, was ich bin und alltäglich so geschieht.
Ich habe mal ein Liste gemacht.
Ich stelle mir vor, Gott hätte mir ein Leben geschenkt, dann würde ich …

  • mich mehr freuen an dem, was ich bin und was ich habe
  • mir nicht ständig den Schädel zermartern, ob ich lieber dieses oder jenes tun sollte, was richtig oder falsch ist, sondern einfach leben und mich an allem freuen
  • mehr vertrauen, dass das, was kommt, genau das Richtige ist
  • den Menschen, die ich liebe, es auch sagen
  • die Natur genießen
  • tiefer atmen
  • mit Begeisterung bei genau der Sache sein, die ich gerade tue … egal, ob ich ein neues Buch schreibe oder den Einkaufszettel, ob ich auf eine „Harley“ steige oder auf mein Fahrrad, ob mir die Sonne ins Gesicht scheint oder ich gerade durch eine Pfütze wate
  • Kinder haben (oh, hab ich ja) und sie genießen (mit dem Kronprinz heute ins Literatur-Café fahren)
  • einen Garten haben (hab ich auch) und mich nicht daran abschuften, sondern immer mal fröhlich darin werkeln
  • weniger Höflichkeit und mehr Wahrhaftigkeit an den Tag legen
  • intensivere Freundschaften pflegen und mehr Konflikte aushalten
  • wie eine Ente sein: bei Unstimmigkeiten einmal kurz und heftig mit den Flügeln schlagen, aber es dann auch gut sein lassen
  • niemandem etwas nachtragen

Immer fröhlich das Katzenklo-Wort zum Sonntag lesen.
Eure Uta
* Karte stammt von der CoachingAcademie Bielefeld
PS: Ich habe mich riesig über diese und diese Besprechung meines Buches gefreut. Vielen Dank für so viel Einsatz, Wohlwollen und Anerkennung!

Das Titelbild ist von Suzy Hazelwood von Pexels. Vielen Dank!

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    Viele Grüße! Sarah

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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