In der vergangenen Woche war ich auf eine Party eingeladen, auf der ich bis auf die Gastgeber niemanden näher kannte. Ich zog meinen Lieblingsblazer der Marke „Selbstwert-Panzer“ an und puderte mein Gesicht, bis sich die Nase auf einer Ebene mit den Wangen befand. Als die Wolken des stärksten Deos mein Spiegelbild umwaberten, sprach ich:

„Spieglein, Spieglein an der Wand. Wer ist die Souveränste im ganzen Land?“

„Frau Uta, Sie sind die Souveränste im ganzen Land. Selbst wenn niemand das Wort an Sie richten sollte, werden Sie lächelnd durch den Raum schweben.

„Spieglein, Spieglein an der Wand. Aber werde ich mich auch nicht allein und unsicher fühlen?“

„Frau Uta, Sie sind die Unabhängigste im ganzen Land. Alle Gäste werden spüren, dass Sie Ihr Bedürfnis, von anderen anerkannt zu werden, längst losgelassen haben.“

„Spieglein, Spieglein an der Wand, wenn aber jemand, der von meiner inneren Freiheit magisch angezogen wird, das Wort an mich richtet, werde ich auch geistreich und schlagfertig sein?“

„Frau Uta, Sie können plaudern mit Wortwitz und Charme, aber der Dieter Nuhr zwischen den tausend Buchdeckeln und auf den vielen Fernsehkanälen ist tausendmal geistreicher als Sie.“

Da erschrak Frau Uta und ward gelb und grün vor Neid (durch das ganze Make-up durch). Sie zwängte sich in ihren figurbetonenden Blazer, schnürte fest die Stiefel, die Frau Uta satte vier Zentimeter Größe hinzufügten, und hieß ihr Navi, den Weg zur Party zu finden.

Die Party war okay. Es gab kein Bar-Gestehe (ich hasse Bars, kriege Nackenverspannungen vom Hochgucken zu den Gesprächspartnern, höre nicht zu, weil ich fieberhaft überlege, wie ich ohne Seil auf den nächsten Barhocker komme).

Also kein Bar-Gestehe, sondern Tischreihen, bei denen es kein Entkommen für die Gesprächsopfer gibt.

Es war nett, doch.

Wirklich.

Ganz ehrlich.

Trotzdem laugen solche Veranstaltungen mich völlig aus. Müde und abgekämpft kam ich nach Hause. Und mein Mann meinte, dass meine Small-Talk-Aversion fast einer Behinderung gleich käme.
Wie könnte ich annehmen, dass irgend ein Fremder mit mir über Wertevermittlung im 21. Jahrhundert, den Sinn unseres Daseins oder die Existenz Gottes sprechen wolle?

Recht hat er.

Warum kann ich nicht rumblödeln und dabei ein Carpaccio auf der Zunge zergehen lassen?

Wupps, war ich drin in der Selbstabwertungsschleife.

Dabei hatte ich mir beim Lesen des Buches „Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben“ von John Izzo vorgenommen, mich nie, wirklich nieeeee wieder mit dem Thema „Selbstwert“ zu beschäftigen, weil es eine solche Energieverschwendung ist „wie hypnotisiert mit einer Art toxischer Selbsteinschätzung“ (S. 103, ebd.) herum zu laufen.

Mir ist außerdem klar geworden, dass Menschen, die immer wieder behaupten, sie hätten ein geringes Selbstwertgefühl, furchtbar um sich selber kreisen, statt sich mit all ihren Fähigkeiten in dieses Leben zu schmeißen und Spuren zu hinterlassen.

Jetzt gibt es noch ein Schmuckfoto …

 

„Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der entspannteste Kater im ganzen Land?“

… und zwei Schlussfolgerungen:

 

  1. Ich gehe nicht mehr zu solchen Partys.
  2. Ich lese Prinzessin (12) die nächsten Abende je ein Kapitel aus dem Buch  „Mein Leben ohne Limits. Wenn kein Wunder passiert, sei selbst eins!“ von Nick Vujicic vor, weil ich nicht zulassen werde, dass meine Kinder zu einer „toxischen Selbsteinschätzung“ kommen.

 

Immer schön fröhlich bleiben

 

Uta

  • Ach herrlich! Also mit mir hättest es solche Gespräche gegeben, liebend gerne sogar.

    Zitat:“Wie könnte ich annehmen, dass irgend ein Fremder mit mir über Wertevermittlung im 21. Jahrhundert, den Sinn unseres Daseins oder die Existenz Gottes sprechen wolle?“

    Also es gibt so ne Fremden…nie die Hoffnung aufgeben…höhö.

    Darf ich fragen? Wie groß bist du? Barhocker mit einem Seil erklimmen kommt mir so bekannt vor…hihi.

    Liebe Grüße von Jenny

  • Oh, Danke! Ich gehe auch nicht mehr zu solchen Partys, denn ich muss mich Wochen danach davon erholen. Ich habe festgestellt, dass mir auch gar nicht fehlt. Ich arbeite gerne in meinem Hobbykeller vor mich hin und genieße die Ruhe im Haus, wenn die Kinder schlafen. Ich treffe lieber einzelne Leute und mag es mit denen wirklich tiefgehend über das Leben, die Kinder und alles andere zu reden. Das gibt mir 1000fach mehr Selbstwertgefühl, als eine Party jener Art. Mal ehrlich, Leute, die auf Partys zu wahren Partyqueens mutieren sind meist nicht meine besten Freunde/innen.;-) Wer mag schon einen immer supergutgelaunten Überflieger neben sich, der nie runter kommt und den Mund mit seinem superperfekten Leben nie zu bekommt?*lach

    Meine Mutter hat immer zu mir gesagt, wenn ich wieder traurig von sowas heim kam:“Wir sind nicht so!“ Das fand ich irgendwie abwertend und ich werde das nicht zu meinen Kindern sagen. Ich werde sagen, dass wir einfach zu viel Tiefgang für so oberflächliche Veranstaltungen haben.*lach Klingt vielleicht arrogant, aber nee, besser als der Spruch von meiner Mutter.*hi

    Ich glaube wir Frauen haben oft so einen ständigen Denkmechanismus uns zu hinterfragen, wie wir gerade wirken. Ob das anerzogen ist? Warscheinlich, oder?
    Das kann mich manchmal so blockieren, dass ich mich selbst kaum wiedererkenne. Schon bei meinem ersten Vhskurs im Zeichnen ist mir das an mir selbst aufgefallen. Ich kann zeichnen, wirklich. Ich habs nie gelernt, aber ich kriege was hin. Dann war ich im Aquarellkurs mit 13 und ich habe nur Mist gemacht, vor lauter: Ich kann es, ich bin gut, ich will gelobt werden, etc. Total fertig bin ich am ersten Abend nach Hause und wusste, dass alles was ich da geleistet hatte Mist war. Ich hab nicht richtig zugehört, immer auf die Nachbarn geachtet,…

    Seitdem lerne ich dran. Manchmal klappts, öfter nicht. Wenn ich wieder in meine Arbeit einsteige, wird es mir wieder so gehen, nach 3 Jahren zu Hause.;-)

    Danke für so viel Ehrlichkeit!

    Liebe Grüße LOLO

  • Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die beste ‚Schreibe‘ im ganzen Land?
    Spieglein: Über deine wollen wir mal besser nicht reden, aber Dein Schwesterherz Uta, jenseits der Alster, ist tausendmal besser als Du!
    Smalltalk: eine beiläufige Konversation ohne Tiefgang (Zitat Wikipedia) ist eh ein (Abfall-)produkt unserer viel zu oberflächlichen Gesellschaft, keine Wertigkeit, die es zu erstreben gilt!
    Ich liebe unsere gemeinsamen kurzweiligen Nachmittage mit viel Spaß und Witz, nicht zuletzt deshalb, weil wir uns was zu sagen haben. Soll man da nach etwas streben, was sich im Rückblick in nichts auflöst?
    Das Buch von Nick Vujicic muss ich unbedingt lesen, es klingt vielversprechend und nicht nach Smalltalk, wenn es da heißt: ‚Ohne Arme und Beine ist nicht halb so schlimm wie ohne Hoffnung!‘ Als Junge will Nick Vujicic sich das Leben nehmen – heute reist er um die Welt, versprüht Lebensmut und liefert neue Perspektiven für Probleme des Alltags.
    Ich bin gespannt. Liebste Grüße Rite

  • Berichte bitte über die Vorlesestunden mit Deiner Tochter !!!
    Wie findet sie diese? Kann sie mit der Erzählung dieses jungen Mannes etwas anfangen? Kommt die Mutter nicht moralinsauer daher? (Ich frage, weil ich ein persönliches Geschenk zur Konfirmation meiner eigenen Tochter suche)
    Danke für den/das tolle/n Blog
    M.

    • Liebe M.,

      wir sind erst am Anfang des Buches, weil wir am Wochenende nicht dazu kamen, weiter zu lesen. Ich fragte sie aber gestern, ob wir die Lektüre fortsetzen wollten, und sie stimmte zu.

      Mit großem Interesse hat sie die Fotos im Innenteil angeschaut, die Nick in verschiedenen Lebensphasen zeigen.

      Ich selber habe das Buch vor ungefähr einem Jahr gelesen, nachdem Kronprinz (15) auf das Video von Nick bei Youtube gestoßen war. Das heißt: es war sogar unser pubertierender Sohn, der Nick entdeckte und von ihm und seiner Geschichte sehr berührt war.

      Das Buch liest sich locker, vor allem aber ist es Ermutigung pur für Menschen allen Alters.

      Moralinsauer? Das Buch selber ist es überhaupt nicht, aber da ich es mit einer deutlichen Absicht mit Prinzessin lese, kann es sein, dass sie es teilweise so empfindet, dass ich ihr eine Lehrstunde geben möchte. Sie liebt es aber weiterhin, wenn wir ihr abends vorlesen, da nimmt sie dann auch gerne meine subtile Lehrstunde in Sachen Lebensglück in Kauf.

      Als Konfirmationsgeschenk kann ich das Buch auf jeden Fall wärmstens empfehlen.

      Liebe Grüße

      Uta

  • Frau Uta, ich dachte, wer so viele weise Posts schreibt, hätte eine unerschütterliche Zufriedenheit mit sich selbst. Danke für diesen so menschlichen Schnappschuss.
    Wer solche Partys erfunden hat, möcht ich gern wissen. Ich jedenfalls kenne einen ganzen Haufen Leute, die sich nicht wohlfühlen dabei, mit lauter Unbekannten auf Kommando fröhlich sein zu müssen. Danke für die Buchtipps, die kommen auf die Vormerkliste.
    Alles Liebe, Katharina

  • Liebe Uta, ich freue mich, dass ich hier gelandet bin. Bei Deinen Ausführungen über Selbstwert, oberflächlichkeistbezogenes Unvermögen und Abwertungsschleifen habe ich geschmunzelt, gelacht und mich wieder erkannt. Gute Lösungsansätze!
    Liebe Grüße
    Sonja

  • Gegen solche Giftespritzen-Gedanken kämpfe ich regelmäßig an. Ich renne meistens gut gelaunt und fröhlich durchs Leben und mache im Grunde nur gute Erfahrungen beim Zusammentreffen mit Mitmenschen… und dennoch habe ich diese schwarzen Stunden, wo ich auf einmal ganz sicher bin, dass alles nur eine hauchdünne, schillernde Seifenblase ist und in Wirklichkeit mag mich wahrscheinlich überhaupt niemand und wenn ich EINMAL etwas falsches sage oder tue werden sich alle von mir abwenden und mich niemand mehr mögen (und DAS ich für Frau Papagena leider, leider der Supergau: nicht gemocht zu werden)…
    Und all das überfällt mich, ohne jeden äußerlichen Anlass!

    Irgendwie paranoid, oder?

    So, ich ahne gerade, dass dieser Beitrag gar nicht so 100%ig zu Deinem Post passt – aber egal, ich lass das jetzt so.

    Liebe Grüße,
    Papagena

    P.S.: Gell, Du magst mich, oder?

  • Ich war heute den ganzen Tag unterwegs und fand bei meiner Rückkehr Eure tollen Kommentare vor.

    Was für eine Freude! Vielen Dank! Und ich mag Papagena und meine Schwester sowieso. Und wir hören alle sofort auf mit toxischer Selbsteinschätzung.

    Uta

    PS: bin 1,60 groß

  • Oh,schönes neues Begrüßungsbild, mit sonnenblauem Hintergrund, Sonnenbrille und leicht gebräunter Haut! Prima!!
    Da scheint jenseits der Alster schon der Frühling ausgebrochen zu sein! Diesseits ist er noch fern.
    Uta wir kommen!!!!(das hast Du nun davon!)!!
    Liebe Grüße Rite

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    Uta


    Ich arbeite als Eltern-Coach, Buchautorin und Journalistin, bin Ehefrau und Mama (ein Sohn, eine Tochter) und kann es nicht lassen, dem Familien-Glück auf die Spur zu kommen. Ich forsche in Büchern, spreche mit Experten und teste alle Erkenntnisse in der Praxis. Nur was mich überzeugt, weil es das Leben mit Kindern wirklich erfüllender macht, schafft es auf diese Seite.

    Deine, Uta

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